10721/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.04.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Schramböcks Pharmastandort: vage Versprechen und viele Förderungen

 

Bundesministerin Schramböck betont seit Jahren wortreich die Wichtigkeit einer Attraktivierung des Wirtschaftsstandorts und hebt dabei besonders die Rolle der Pharmaindustrie in Österreich hervor. Mit 982 Unternehmen, über 60.000 Beschäftigten und einem Umsatz von EUR 25 Mrd. im Jahr 2020 ist die Life Science Branche tatsächlich von großer Bedeutung für die heimische Wirtschaft (1). Erhalt und Ausbau solcher zukunftsträchtiger Sektoren sollte in erster Linie durch Reformen auf der staatlichen Seite erreicht werden, die zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Wirtschaftsstandorts und zu einer nachhaltigen Entlastung österreichischer Unternehmen führen. Während die Frau BMDW ihre für Ende 2021 angekündigte Standortstrategie selbst am Anfang des zweiten Quartals 2022 noch nicht vorgelegt hat, fällt besonders auf, dass sie in regelmäßigen Abständen neue Förderinstrumente und einzelne, größere Beihilfezahlungen an heimische Unternehmen präsentiert. 

 

FFG: Komplexes Förderportfolio und immer neue Förderprogramme

Am 31. März 2022 wurde wiedermal eine als "das größte Paket" bezeichnete Maßnahme präsentiert, diesmal war die Wirtschaftsministerin persönlich dran (2). Durch das "größte Life Science-Paket" in Höhe von 50 Mio. EUR soll laut Bundesministerin Schramböck Österreich zur "Apotheke Europas" werden (3). Begründet wurde diese neue Förderschiene mit einem Marktversagen bei der Wirkstoffzulassung angesichts hoher Entwicklungskosten, langer Vorlaufzeiten und strenger regulatorischer Hürden. Im Rahmen dieser Präsentation wurde jedoch nicht thematisiert, in welcher Wechselbeziehung diese Maßnahme zu anderen bereits existierenden Instrumenten steht. Eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts Ende 2017 beschäftigte sich mit der Strukturreform, aus der AWS und FFG hervorgegangen sind. Darin hält das Institut kritisch fest, dass die hohe Zahl an unterschiedlichen Angeboten mehr der Sichtbarkeit der zuständigen Politiker diene als einer effizienten Mittelverwendung. Im Ergebnis zeigte die Untersuchung trotz kleiner Verbesserungen den insgesamt katastrophalen Zugang der österreichischen Bundespolitik zum Umgang mit Förderstrukturen. Wenn im Bericht von "Untersteuerung auf strategischer Ebene und einer teilweisen Übersteuerung auf operativer Ebene" die Rede ist, dann zeigt sich darin ein Schwerpunkt auf Selbstdarstellung und Intervention auf Kosten eines strategischen Weitblicks (4). Dementsprechend soll diese Anfrage auch klären, ob die Empfehlungen im Bericht bzgl. der Optimierung der Prozesse umgesetzt wurden. Immer mehr Geld auszugeben wird den Standort nicht nachhaltig weiterbringen, wenn ineffizient gefördert wird und sich gleichzeitig die Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen in Österreich nicht verbessern.

 

Werk in Bruck an der Leitha: echte Förderung oder wieder nur Show wie in Kundl?

Am nächsten Tag folgten neue Superlative. Die Ankündigung der "größten Betriebsansiedlung" in Niederösterreich durch Boehringer-Ingelheim in Bruck an der Leitha mit einem beträchtlichen Investitionsvolumen in Höhe von 1,2 Mrd. EUR war der Grund für eine Pressekonferenz am 1. April 2022 unter Teilnahme des Bürgermeisters, der Landeshauptfrau und der Wirtschaftsministerin (5). Im Rahmen dessen versprach Bundesministerin Schramböck Förderungen von bis zu EUR 40 Mio. Dies erinnert stark an eine andere Zusage, die noch immer unerfüllt ist: Am 27. Juli 2020 feierte sich Bundesministerin Schramböck selbst für die Sicherung des Produktionsstandortes der Sandoz GmbH in Kundl, ein Unternehmen der Novartis Gruppe. Mit der Zusage einer Förderung in Höhe von 50 Millionen Euro durch den Bund und das Land Tirol soll sich die Sandoz GmbH dazu verpflichtet haben, die Wirkstoffproduktion für die nächsten zehn Jahre in Europa zu halten. Auf mehrfache Nachfragen von NEOS hat die Bundesministerin bis zuletzt bestätigt, dass die dafür notwendige Genehmigung selbst nach eineinhalb Jahren durch die Europäische Kommission noch nicht erfolgte (6). 

Ganz abgesehen davon scheint die Frau Bundesministerin dem Irrtum zu erliegen, dass die von ihr beschworene "Apotheke Europas" ihren Erfolg nicht im Pressen von Tabletten suchen darf. Das kann nämlich jeder. Vielmehr liegt der Erfolg ja in der Entwicklung von Neuem. Gerade deshalb sind kluge Investitionen in F&E wichtiger als das recht beliebige Ausschütten von Geld. Bekanntlich gibt Österreich auch für F&E viel aus, erreicht aber im internationalen Vergleich wenig (Hochschulrankings in der Forschung, Publikationen, Patentanmeldungen uvm.). Die Attraktivität des Standortes scheitert gewiss nicht an der Summe der Unternehmensförderungen, die in Österreich übergroßzügig ausgeschüttet werden. Vielmehr scheitert der Erfolg an anderen Faktoren, wie auch der Rat für Forschung und Technologieentwicklung regelmäßig kritisiert.

 

(Quelle: Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2021, austrian council)

Im Ergebnis wurde wieder sehr viel Geld versprochen, über Reformen wird weiterhin geschwiegen. Zweck dieser Anfrage ist, Hintergründe und konkrete Vollzug all dieser Maßnahmen zu klären. Es stellt sich die Frage, ob Bundesministerin Schramböck durch die neue Förderschiene versuchen wird, ihr gebrochenes Versprechen bzgl. der Förderungen für das Penicillin Werk in Kundl doch einzuhalten (7).

 

 

Quellen:

  1. https://www.lifescienceaustria.at/fileadmin/user_upload/Life_Science_Report_Austria_2021.pdf
  2. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220331_OTS0126/schramboeck-50-millionen-euro-investitionspaket-fuer-den-heimischen-pharmastandort-bild
  3. https://kurier.at/wirtschaft/staatliche-finanzspritze-von-50-millionen-euro-fuer-die-pharmabranche/401957882
  4. https://www.bmk.gv.at/themen/innovation/publikationen/evaluierungen/aws_ffg.html
  5. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2142727-Boehringer-Ingelheim-expandiert.html
  6. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_08338/index.shtml
  7. https://www.derstandard.at/story/2000133491245/medizin-fuer-penicillin-in-kundl-aus-vielen-toepfen

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Neues Förderprogramm: Life Sciences Ausschreibung 2022
    1. Welche Organisationseinheiten des Bundes waren bei der Erstellung dieses Förderprogramms eingebunden?
    2. Welche Stakeholder waren bei der Erstellung dieses Förderprogramms eingebunden?

                                          i.    Mit welchen Forschungseinrichtungen wurde die konkrete Ausgestaltung ausgearbeitet?

                                        ii.    Mit welchen Unternehmensvertretern wurde die konkrete Ausgestaltung ausgearbeitet?

    1. Inwiefern wurde überprüft, dass diese neue Förderschiene sich nicht mit anderen überschneidet?
    2. Welche konkreten Handlungsempfehlungen aus dem Bericht des Fraunhofer-Institutes wurden hierbei berücksichtigt?
    3. Welche konkreten Kennzahlen werden in der Wirkungsfolgenanalyse zur Bewertung dieser Maßnahme festgehalten? Bitte begründen Sie die Auswahl der Kennzahlen.
    4. Aus welchen Budgetposten soll die vorgesehene Fördersumme ausgezahlt werden?
  1. Förderung Boeringer Ingelheim Werk in Bruck an der Leitha:
    1. Vertragsverhandlungen

                                          i.    Von wem ging die Initiative für Verhandlungen aus?

                                        ii.    Wie viele Treffen mit Vertretern von Boeringer Ingelheim gab es von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Vertragsschluss?

                                       iii.    Wer nahm vonseiten des BMDW an den Verhandlungen mit Boeringer Ingelheim teil?

                                       iv.    Welche Organisationseinheiten des Bundes waren bis zum Vertragsabschluss bei der Prüfung des Vertrages eingebunden? Bitte um Angabe der Organisationseinheiten und deren Aufgaben im Prozess

    1. Vertragsinhalt

                                          i.    Welche Höhe der Förderung wurde vertraglich vereinbart?

                                        ii.    Aus welchen konkreten Budgetposten wurden bzw. werden die vereinbarten Zahlungen ausbezahlt? Bitte um Angabe der Gebietskörperschaften und jeweiligen Konten

                                       iii.    Welche Auszahlungsmodalitäten (Tranchen und Zeitpunkt) wurden vertraglich vereinbart?

                                       iv.    Welche aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen wurden vertraglich vereinbart?

                                        v.    Inwiefern wurde eine Sicherung des Standorts bzw. der Arbeitsplätze vertraglich vereinbart?

                                       vi.    Welche Folgen wurden für die Nichteinhaltung von Vertragsbedingungen vertraglich vereinbart?

                                      vii.    Welche Rückzahlungsmodalitäten wurden vertraglich vereinbart?

    1. Prüfung durch die Europäische Kommission

                                          i.    Wann sind die vollständigen Unterlagen an die Europäische Kommission übermittelt worden?

                                        ii.    Wie ist der Stand des Verfahrens bei der Europäischen Kommission bzgl. der Genehmigung der zugesagten Förderung?

                                       iii.    Wann haben Sie persönlich oder Vertreter Ihres Ressorts bei der Europäischen Kommission bezüglich der Erledigung des Genehmigungsverfahrens nachgefragt? Bitte um Angabe möglichst konkreter Daten

                                       iv.    Haben Sie bei der Europäischen Kommission bezüglich der Erledigung des Genehmigungsverfahrens um einen persönlichen Termin angefragt?

1.    Wenn ja: Wann fanden die Termine statt?

2.    Wenn nein: Warum nicht?

  1. Förderung Sandoz Werk in Kundl:
    1. Wie ist der Stand des Verfahrens bei der Europäischen Kommission bzgl. der Genehmigung der zugesagten Förderung?
    2. Gibt es inzwischen einen Vertrag mit Sandoz über Förderung und Standortgarantie?

                                          i.    Wenn ja:

1.    Welche Höhe der Förderung wurde vertraglich vereinbart?

2.    Aus welchen konkreten Budgetposten wurden bzw. werden die vereinbarten Zahlungen ausbezahlt? Bitte um Angabe der Gebietskörperschaften und jeweiligen Konten

3.    Welche Auszahlungsmodalitäten (Tranchen und Zeitpunkt) wurden vertraglich vereinbart?

4.    Welche aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen wurden vertraglich vereinbart?

5.    Inwiefern wurde eine Sicherung des Standorts bzw. der Arbeitsplätze vertraglich vereinbart?

6.    Welche Folgen wurden für die Nichteinhaltung von Vertragsbedingungen vertraglich vereinbart?

7.    Welche Rückzahlungsmodalitäten wurden vertraglich vereinbart?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?