10727/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.04.2022
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Pflegegeldexport ins Ausland

 

 

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (kurz EU-VO 883/2004) samt ihrer Durchführungsverordnung 987/2009 regeln bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Ansprüche von Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Todesfall, Invalidität, Renten, Krankheit usw.

 

Das Bundespflegegeld ist im Sinne dieser Verordnungen eine „Leistung bei Krankheit“, konkret eine Geldleistung bei einer Erkrankung, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtsache C-215/99 – Jauch festgehalten hat. Das Bundespflegegeld ist daher ins Ausland zu exportieren, wenn eine Person Anspruch auf diese Leistung hat, aber nicht in Österreich wohnhaft ist und kein anderer Staat für Pflegegeldleistungen zuständig ist. Dabei kann es sich um Grenzgänger aus anderen Mitgliedstaaten handeln oder um Personen, die in Österreich erwerbstätig und wohnhaft waren, aber ihren Wohnsitz spätestens seit der Rente in einen anderen Mitgliedstaat verlegt haben. Ist eine Person ein Mehrfachrentner und bezieht daher eine Rente von mindestens zwei Mitgliedstaaten, wovon ein Staat der Wohnstaat ist, ist letzterer zuständig für die Auszahlung des Pflegegelds.

 

Der Anfragebeantwortung 2362/AB vom 18.08.2020 kann entnommen werden, dass im Zeitraum 2015 bis 2019 mehr als 1.000 Personen gab, die das Bundespflegegeld beantragt hatten, diese Leistung aber nicht erhalten, weil ein anderer Staat für Pflegegeldleistungen zuständig ist. Gefragt wurde auch nach Personen, die in der Schweiz wohnhaft sind und von Österreich das Bundespflegegeld erhalten. Im Sinne der Vollständigkeit sollte auch abgefragt werden, in welchen anderen Staaten pflegebedürftige Personen leben, die von Österreich eine Pflegegeldleistung erhalten.

 

Bevor die EU-Verordnungen 883/2004 und 987/2009 in Kraft getreten sind, gab es die Verordnungen 1408/71 und 574/72. Der EuGH hat diesbezüglich in der Rechtsache C 388/09 – da Silva Martins zu urteilen gehabt. Die Rechtsfragen betrafen Portugal und Deutschland. Interessant dabei ist, dass die damaligen Bestimmungen der Verordnungen dahingehend interpretiert wurden, dass eine Person, die von zwei Mitgliedstaaten eine Rente bezieht, Anspruch auf Pflegegeldleistungen beider Staaten haben kann, wenn die Leistung des Wohnstaats geringer ist als die Leitung des anderen Staats. In diesem Fall müsste der andere Staat sein Pflegegeld bezahlen abzüglich des Betrags, den der Wohnstaat zu bezahlen hat. Der EuGH begründete dies mit dem Artikel 27 der EU-VO 1408/71.

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende

 

 

Anfrage

 

 

1)    Wie viele Personen haben im Zeitraum 2020 bis aktuell einen Anspruch auf österreichische Pflegegeldleistungen im Sinne des Bundespflegegeldgesetzes eingefordert, aber in Folge eine ablehnende Begründung erhalten, weil die Person im Sinne der EU-VO 883/2004 von einem anderen Mitgliedstaat eine Rente erhält? (Bitte um Aufschlüsslung der Personen nach Jahren und Staaten.)

2)    Wie viele Personen, die nicht in Österreich wohnhaft sind, erhalten aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2015 bis aktuell das Bundespflegegeld?

3)    Wo sind die Personen wohnhaft und wie viele sind es jeweils pro Staat aufgeschlüsselt in den Jahren 2015 bis 2021?

4)    Ist es zutreffend, dass diese Personen ausschließlich eine Rente von Österreich beziehen?

5)    Wie hoch sind die jährlichen Kosten für Österreich in den Jahren 2015 bis 2021, die den Export von Pflegegeldleistungen ins Ausland betreffen?

6)    Wie hoch sind die Kosten jeweils pro Staat?

7)    Wie viele Pflegefälle in den Jahren 2015 bis 2021 gibt es, die ihren Wohnsitz in Österreich haben, aber nicht nur von Österreich, sondern auch von einem anderen Mitgliedstaat eine Rente beziehen?

8)    Welcher Staat muss sein Pflegegeld vorrangig bezahlen, wenn eine Person eine Rente von mindestens zwei Staaten bezieht, aber in Folge in einen Mitgliedstaat zieht, von dem keine Rente bezogen wird?

9)    Gibt es auch minderjährige Personen, die nicht Österreich wohnhaft sind, aber Anspruch auf das Bundespflegegeld haben, weil etwa ein Elternteil in Österreich erwerbstätig ist?

a.    Wenn ja, wie viele Fälle gab es pro Mitgliedstaat rückwirkend in den Jahren 2015 bis 2021 aufgeschlüsselt nach Jahren?

10) Ist die EuGH-Rechtsprechung in der Rechtsache da Silva Martins durch die aktuellen EU-Verordnungen obsolet geworden, womit bei Pflegegeldleistungen keine Unterschiedsbeträge von einem Rentenstaat zu bezahlen sind, wenn ein anderer Rentenstaat für die Zahlung seiner Leistung zuständig ist – und obwohl dies zu einer klaren Benachteiligung für den Pflegefall führen kann?