10742/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.04.2022
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bericht zur Prüfung der Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der Verbraucherlnnen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten” (Februar 2022)

Nach Analyse des „Berichts zur Prüfung der Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der Verbraucherlnnen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten” (Februar 2022) ergeben sich folgende Anmerkungen und Kritikpunkte:

1) Verhältnis Büro des Verbraucherrates zum ASI Verbraucherrat

Das Papier geht davon aus, dass das Büro des Verbraucherrates als Fachstelle konstituiert werden soll während der zugehörige Ausschuss am ASI (ehemals Österreichisches Normungsinstitut, ON) bleiben soll und stellt fest (Seite 8): “Der Ausschuss für Verbraucherangelegenheiten kann hingegen weiterhin als Präsidialausschuss des ASI seiner Tätigkeit nachgehen; das ASI stellt nach eigenen Angaben (Stand Herbst 2021) die Infrastruktur (Sitzungssäle, Sitzungsorganisation, Dokumentenversand...) weiterhin zur Verfügung”.

Dazu muss man wissen, dass die Abschiebung an den VKI bzw. des Büros des Verbraucherrats von der damaligen Geschäftsführerin des ASI (Stampfl-Blaha) damit begründet wurde, dass es nicht Aufgabe des ASI sei, eine Interessensvertretung zu beherbergen bzw. dafür eine Förderung dafür zu beantragen und zu administrieren. Dies stünde im Widerspruch zum Neutralitätsprinzip (was ASI bzw. ON früher anders gesehen haben – aber das ist eine andere Geschichte). Da aber das Büro des Verbraucherrates und der Ausschuss zusammengehören, macht es wenig Sinn, letzteren am ASI zu belassen. Jedenfalls nicht, wenn der Ausschuss – wie im Produktsicherheitsgesetz vorgesehen – natürlich Verbraucherinteressen vertreten soll - im Gegensatz zu einem verbraucherpolitischen Ausschuss, der prinzipiell auch für andere Stakeholder offen sein könnte (so ein Komitee gibt es auch im Rahmen der ISO).

Wenn also das Büro des Verbraucherrates nicht ins ASI gehört, dann gilt das auch für den zugehörigen Ausschuss. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass ASI die Kontrolle über den Ausschuss ausübt! Er könnte also nicht einfach kritische Kommentare zum Normungsgeschehen machen. Nach der gültigen Geschäftsordnung des Ausschusses kommt z.B. dem Präsidialrat des ASI ein Vorschlags- und Vetorecht hinsichtlich neuer Mitglieder zu. Der Vorsitzende des Ausschusses wird auf Vorschlag des Verbraucherrates vom Präsidialrat ernannt. Bitte auch beachten, dass der Ausschuss nicht mehr “Verbraucherrat” heißt, sondern “Ausschuss für Verbraucherangelegenheiten” (was man als Schritt weg von einer Interessensvertretung der Verbraucher interpretieren könnte!)

Es gibt eigentlich keinen Grund, diesen Ausschuss am ASI anzusiedeln. Der Ausschuss sollte unbedingt unabhängig von diesem operieren! Auf europäischer Ebene ist die Verbraucherorganisation ANEC ja auch völlig unabhängig von den europäischen Normungsinstituten. Anmerkung: ursprünglich gab es den Vorschlag, ANEC in die europäischen Normungsinstitutionen zu Integrieren – das haben aber die Verbraucherverbände abgelehnt um die Unabhängigkeit von den wirtschaftsorientierten Normungsinstitutionen sicherzustellen!

Eine Sache muss auch bedacht werden: das Büro des Verbraucherrates hat sich nicht nur mit Normung, sondern auch mit technischer Regelsetzung (z.B. Spielzeugrichtlinie) beschäftigt. Das ist außerhalb der Kompetenz eines ASI Ausschusses. Das ist von sehr (!) großer Bedeutung, da Normung und Gesetzgebung eng verzahnt sind (z.B. durch Normungsaufträge seitens der Kommission)! Auch ANEC befasst sich nicht nur mit Normung, sondern auch mit damit in Verbindung stehender Regulierung. So wurde ANEC viele Jahre lang im Ausschuss der Experten für Spielzeugsicherheit und dessen Untergruppe zum Thema Chemikalien in Spielzeug (zur Spielzeugrichtlinie gehörig) vertreten.

Daher muss dieser Punkt – Zuständigkeit für Regelsetzung in Verbindung mit Normung - unbedingt im Anwendungsbereich der Fachstelle festgeschrieben werden! Auch das ist ein wesentlicher Grund, einen eigenen, vom ASI unabhängigen Ausschuss zu gründen, der sich natürlich auch mit diesem Thema befassen soll.

2) Barrierefreiheit - Behindertenorganisationen

In Ermangelung einer eigenen Vertretung hat der Verbraucherrat das Thema Barrierefreiheit mitbetreut. Allerdings waren dafür zuletzt nur 5.000 Euro pro Jahr vorgesehen. Zu dem Zweck hat der Verbraucherrat eine anerkannte Expertin auf dem Gebiet engagiert. Auch auf der europäischen Ebene nimmt sich ANEC des Themas an und hat Vertreter von Behindertenorganisationen einbezogen (da auch diese über keine eigene Organisation verfügen). Es gibt dazu in der ANEC auch eine eigene Arbeitsgruppe. Allerdings ist es nur ein Thema bzw. eine Gruppe unter mehreren – neben Kindersicherheit, Sicherheit von Haushaltsgeräten, Dienstleistungen und Nachhaltigkeit (neben mehreren Spezialgruppen). Barrierefreiheit ist also nur ein Teilbereich, der etwa 20% der Ressourcen beansprucht. Im Prüfbericht wird Barrierefreiheit hingegen 50% der Ressourcen zugeordnet – eine krasse Überbewertung des Themas! Somit wird Barrierefreiheit so hoch gewichtet, wie alle anderen Themen zusammen! Das ist Unfug, da damit diese anderen Themen abgewertet werden. Auch behinderte Menschen haben nicht nur Interesse an Barrierefreiheit, sondern auch an Produktsicherheit, Dienstleistungen, Nachhaltigkeit etc. Ein Anteil von max. 25 Prozent für Barrierefreiheit scheint angemessener (also 100.000 von den insgesamt 400.000 Euro).

Abgesehen davon scheint eine eigene Organisation für Behindertenfragen zweckmäßiger (Büro und Ausschuss). Ansonsten sind Diskussionen bzw. Konflikte programmiert (z.B. betreffend Mitgliederaufnahme und Vorsitz, Bestellung des Leiters des Büros, Schwerpunkte). Im Übrigen haben Vertreter der Behindertenorganisationen selbst immer wieder den Wunsch nach einer eigenen Vertretung geäußert.

3) Büroorganisation und Dotierung

Die vorgeschlagene Dotierung ist wenig durchdacht. Vorgeschlagen sind je Bereich 200.000 Euro - für 2 Fachreferenten + halbe Administrationskraft + andere Kosten – das kann sich aber nicht ausgehen. 2021 hatte diese Einrichtung 200.000 Euro für eine Fachkraft, eine 30-Stunden Sekretärin, Overheadkosten, Kosten für Büromaterialien, etc. veranschlagt. Für Projektarbeiten (Studien) blieb da kaum noch Geld übrig. Diese sind aber essentiell, um qualifizierten Input zu liefern. Eine Administrationskraft für zwei Bereiche birgt auch Konfliktstoff. Also mit 200.000 kann man höchstens eine Fachkraft + halbe Administrationskraft + Sachkosten finanzieren und es wird das Budget für Studien immer noch eher bescheiden sein. Sachkosten werden in dem Papier gar nicht erörtert. In Übereinstimmung mit dem oben gesagten wären 300.000 € für das Büro Verbraucherrat ohne Barrierefreiheit angemessen. Eine Option wäre, nur eine Fachkraft zu engagieren und flexibel zusätzliche Personen (Konsulenten) – je nach aktueller Schwerpunktsetzung – befristet zu engagieren.

Quelle: Expertengutachten zum „Berichts zur Prüfung der Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der Verbraucherlnnen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten”

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgende

 

ANFRAGE

 

1)    Wie beurteilen Sie als zuständiger Konsumentenschutzminister die Ergebnisse der Analyse des Berichts zur Prüfung der Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der Verbraucherlnnen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten” auf Expertenebene?

2)    Wie beurteilen Sie als zuständiger Konsumentenschutzminister insbesondere die Kritik in Bezug auf den Punkt „Verhältnis Büro des Verbraucherrates zum ASI Verbraucherrat“?

3)    Werden Sie hier noch Adaptierungen bzw. Verbesserungen vornehmen?

4)    Wenn ja, bis wann?

5)    Wenn nein, warum nicht?

6)    Wie beurteilen Sie als zuständiger Konsumentenschutzminister insbesondere die Kritik in Bezug auf den Punkt „Barrierefreiheit – Behindertenorganisationen“?

7)    Werden Sie hier noch Adaptierungen bzw. Verbesserungen vornehmen?

8)    Wenn ja, bis wann?

9)    Wenn nein, warum nicht?

10) Wie beurteilen Sie als zuständiger Konsumentenschutzminister insbesondere die Kritik in Bezug auf den Punkt „Büroorganisation und Dotierung“?

11) Werden Sie hier noch Adaptierungen bzw. Verbesserungen vornehmen?

12) Wenn ja, bis wann?

13) Wenn nein, warum nicht?