10752/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.04.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Sinn und Unsinn von BK Nehammers Russland-Besuch

 

Am 11. April besuchte Bundeskanzler Nehammer den russischen Kriegsherren Wladimir Putin. Nehammer beteuerte, das Treffen sei mit Partnern aus der EU und der Ukraine abgesprochen gewesen. Dennoch wusste der Grüne Koalitionspartner nichts.

Es stellt sich natürlich die Frage nach dem Sinn der Reise. Es war klar, dass Putin sie als innenpolitisches Zeichen nutzen würde, um zu zeigen, dass er nicht isoliert ist während der Zusammenhalt in der Allianz der freien Welt bröckelt. Für Österreich war nichts zu erwarten. Diese Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Böse Stimmen sprachen gar von einem politischen Ablenkungsmanöver, um von den vielen Problemen der ÖVP abzulenken. 

Also erklärte Österreichs höchster Diplomat Alexander Schallenberg die Reise damit, dass Putin von der Außenwelt abgeschnitten sei und Nehammer also als Überbringer der Realität dienen könne. "Jede Stimme, die Putin verdeutlicht, wie die Realität außerhalb der Mauern des Kremls wirklich aussieht, ist keine verlorene Stimme," so Schallenberg.

Nun ist es zwar weitverbreitete Meinung, dass Putin zu Kriegsbeginn die Sachlage in der Ukraine vollkommen falsch eingeschätzt hatte. Aber seit damals hat sich dieser Umstand mit Sicherheit geändert, wie viele Berichte über Putins Ärger über die schlechte Nachrichtenlage untermauern, und der wohl von ihm angeordnete Rückzug aus der Region Kiew beweist. Noch deutlicher wird die Presseaussendung des Bundeskanzlers, in der sich nichts findet, was Putin nicht mit Sicherheit schon gewusst hat – mit einer Ausnahme. Österreich ändert die Bedingungen für ein Ende der Sanktionen. Kein Wort mehr von Völkerrecht oder Wiederherstellung der international anerkannten Grenzen der Ukraine. Stattdessen sagt Nehammer Putin zu, dass die Weiterführung oder Verschärfung der Sanktionen daran hingen, ob weiterhin Menschen in der Ukraine sterben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

  1. Ist es zutreffend, dass der Bundeskanzler die Neuigkeiten, die er an Putin überbringen wollte, mit den zuständigen Expert_innen im BMEIA in der Sektion II.3. besprochen hat?
    1. Welche Neuigkeiten wurden besprochen?
    2. Wer hat den Bundeskanzler über Putin gebrieft?
    3. Wurden andere Sektionen mit einbezogen? Wenn ja, welche, und welche Themen wurden angesprochen?
    4. Welche Mitarbeiter_innen des BMIEA nahmen an der Reise des Bundeskanzlers teil? Was waren ihre Aufgaben?
  1. Fand nach der Reise ein Debrief mit dem BMEIA statt? Wovon zeigte sich Putin nach Eischätzung des Bundeskanzlers überrascht und was ist die Einschätzung der Experten des Hauses? 
  2. In Anbetracht der Propagandawirkung des ersten westlichen Regierungschefs, hat das BMEIA dem Kanzler zu dieser Reise geraten? Warum hat der Bundeskanzler seine Informationen an Putin nicht in einem Telefonat kommuniziert, wie es etablierte internationale Spitzendiplomaten und Politiker gemacht haben, um den Narrativ der Isoliertheit Russlands nicht zu verwässern?
    1. Welchen Vorteil hat aus Ihrer Erfahrung als Diplomat in einer derartigen Situation ein Besuch gegenüber einem Telefonat?
  1. Es wurde verlautbart, dass Österreich die Reise im Vorhinein an europäische Partner kommuniziert hat. Es ist anzunehmen, dass das BMEIA bei dieser Kommunikation federführend war. Ist diese Annahme zutreffend?
    1. Wurde die Reise mit der Europäischen Kommission abgesprochen? 

                                          i.    Wenn ja, wurden die Diskussionsthemen abgesprochen? Oder wurde die Kommission nur informiert?

  1. Welche internationalen Partner wurden vor der Reise informiert? 
    1. Wurden alle europäischen Partner informiert?

                                          i.    Wann wurde wer informiert, und auf welche Weise?

    1. Welcher Reaktionen wurden geäußert?
    2. Handelte es sich um reine Information, oder wurde Sinn und Unsinn der Reise diskutiert?
    3. Welche Vorgangsweise für den Bundeskanzler wurde vereinbart?
    4. War die Aussage, dass ein Ende des Sterbens die Voraussetzung für Abschwächung oder Aussetzung der Sanktionen sei, ein Teil dieser Vereinbarungen?

                                          i.    Wenn ja, war diese Vorgehensweise einstimmig?

  1. Bundesminister Schallenberg wiederholt seit langer Zeit, das Völkerrecht sei für die Republik Österreich die rote Linie. Nun wäre dem Völkerrecht mit einem Einfrieren des Konflikts ohne vollständigen Rückzug aller russischer Truppen hinter die Grenzen vor dem ersten Angriffskrieg von 2014 nicht Genüge getan, selbst wenn das Sterben in der Ukraine enden würde. War die Aussage des Bundeskanzlers aus Ihrer Sicht ein Fehler oder gilt für Österreich von nun an das Völkerrecht nicht mehr als rote Linie?