10766/J XXVII. GP
Eingelangt am 26.04.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS Genossinnen und Genossen,
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend die Situation des zu Unrecht im Iran inhaftierten Österreichers Dr. Kamran Ghaderi
Der österreichische Staatsbürger Dr. Kamran Ghaderi wurde unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit inhaftiert, eine im Iran übliche Taktik. Er befindet sich aufgrund der katastrophalen Haftbedingungen im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran in einem äußerst schlechten gesundheitlichen Zustand. Er wird zweifellos von den iranischen Behörden als politische Schachfigur benutzt.
Bis zu seiner Freilassung benötigt Dr. Kamran Ghaderi eine adäquate medizinische Versorgung. Ebenso muss der Kontakt mit seiner Familie, seinem Rechtsbeistand sowie die konsularische Unterstützung der österreichischen Behörden sichergestellt sein.
Kamran Ghaderi verbüßt seit einem grob unfairen Verfahren im August 2016 eine zehnjährige Gefängnisstrafe im Iran. Er wurde im Januar 2016 festgenommen und befand sich drei Monate in der Isolationshaft und in Summe 472 Tage in einer isolierten Abteilung des Gefängnisses, in der er täglich stundenlang verhört und gefoltert wurde. Bis zur ersten Gerichtsverhandlung hatte er keinen Zugang zu einem Anwalt. Er wurde gezwungen zwei falsche Geständnisse zu unterschreiben. Im August 2016 während des Scheinprozesses, sagte er dem Richter, dass alles was in den Geständnissen steht Lügen sind. Der österreichisch-iranische Geschäftsmann wurde der „Zusammenarbeit mit feindlichen Staaten gegen die islamische Republik" für schuldig befunden und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die Anklage war sehr weit gefasst und vage formuliert und widersprach dadurch dem Legalitätsprinzip. Seit der Festnahme des 58-Jährigen im Januar 2016 hat sich sein Gesundheitszustand sehr verschlechtert. Er hat einen Tumor im linken Bein, für dessen Behandlung er regelmäßig medizinische Versorgung benötigt. Außerdem befürchtet seine Familie in Wien, dass er sich im Winter 2020 mit COVID-19 angesteckt hat, nachdem er wochenlang Symptome zeigte und seinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren hatte.
Nazanin Zaghari-Ratcliffe und Anoosheh Ashoori, zwei britische Staatsbürger, waren in einer ähnlichen Situation und sind am 16. März 2022 aus der iranischen Haft entlassen worden. Ihre Freilassung erfolgte nach jahrelangen intensiven diplomatischen Verhandlungen zwischen London und Teheran.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Welche konkreten Schritte hat ihr Ministerium gesetzt und welche plant es zu setzen, um die Freilassung des Österreichers Dr. Kamran Ghaderi zu erreichen?
a) Was wurde bis zur ersten Gerichtsverhandlung und nach der ersten Gerichtsverhandlung, bei der er das Hafturteil für 10 Jahre bekommen hat, unternommen?
b) Was wurde bis zur zweiten Instanz unternommen?
c) Was wurde unternommen, nachdem die zweite Instanz das Urteil von 10 Jahren bestätigte?
d) Wie sieht der Zeitplan für zukünftige Schritte aus?
e) Welche Ressourcen werden in Ihrem Ministerium für diesen Fall zur Verfügung gestellt?
f) Falls keine zukünftigen Schritte geplant sind, warum nicht?
2.
Welche möglichen
Eskalationsszenarien wurden von ihrem Ministerium entworfen?
a) Falls keine Eskalationsszenarien entworfen wurden, warum nicht?
3. Dr. Ghaderi konnte den österreichischen Botschafter während seiner gesamten Haftzeit nicht treffen. Dadurch hat er, im Gegensatz zu seinen Mithäftlingen, auch keine Bücher, Lebensmittel und Medikamenten durch seine Botschaft erhalten. Das ist ein Verstoß gegen die Wiener Konvention, die auch der Iran unterzeichnet hat.
a) Welche Konsequenzen hat ein derartiger Verstoß gegen die Wiener Konvention?
b) Welche Schritte hat die Botschaft gesetzt und plant sie zu setzen, um Herrn Dr. Ghaderi diese Art von Unterstützung zukommen zu lassen?
c) Wie oft versuchte der österreichische Botschafter Dr. Ghaderi zu besuchen?
d) Hat die österreichische Botschaft versucht Dr. Ghaderi rechtlichen Beistand zu vermitteln?
e) War ein*e Vertreterin der Botschaft bei den Gerichtsverhandlungen anwesend?
f) Hat sich die österreichische Botschaft mit dem Teil der Familie Dr. Ghaderis in Verbindung gesetzt, die im Iran lebt?
g) Inwieweit hat sich die österreichische Botschaft für bessere Haftbedingungen, Hafturlaub und ähnliches für Herrn Dr. Ghaderi eingesetzt und wie erfolgreich waren diese Bemühungen?
h) Wenn keine Schritte gesetzt bzw. geplant wurden, warum nicht?
4. Welche Schritte wurden im Jahr 2017 und den Folgejahren unternommen, um die notwendige medizinische Versorgung für Herrn Dr. Ghaderi Tumorerkrankung sicherzustellen?
a) Wurde für eine adäquate Behandlung, Operation, Nachbehandlung gesorgt?
b) Inwiefern ist Dr. Ghaderi weiterhin auf medizinische Behandlung/Nachsorge angewiesen und wie wird sichergestellt, dass er diese notwendige medizinische Betreuung erhält?
c) Wird finanzielle Unterstützung für die medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt?
d) Wenn keine Schritte unternommen wurden, warum nicht?
5. Herrn Dr. Ghaderi ist seit dreißig Jahren österreichischer Staatsbürger. Gibt es eine ' gesetzliche oder anderweitige Grundlage für einen unterschiedlichen Einsatz bzw. Handlungsmöglichkeiten von Seiten des BMEIA für Staatsbürger*innen und Doppelstaatsbürger*innen in Situationen wie jener in der sich Herr Dr. Ghaderi derzeit befindet?
a) Wenn ja, welche?
6. Welche Schritte werden im Rahmen der Verhandlungen des Iran-Atomabkommens (JCPOA) in Wien für die Freilassung des Österreichers Dr. Kamran Ghaderi gesetzt? Sind bilaterale Gespräche geplant?
a) Wenn keine Schritte bzw. Gespräche geplant sind, warum nicht?
7. Inwieweit koordiniert sich das BMEIA mit anderen europäischen Staaten und insbesondere jenen, deren Staatsbürger*innen ebenfalls zu Unrecht im Iran inhaftiert sind (Ahmadreza Djalali aus Schweden, Nahid Taghavi und Jamshid Sharmahd aus Deutschland)?
a) Wenn es keine Koordination mit anderen europäischen Staaten gibt, warum nicht?
b) Ist eine Koordination auf EU-Ebene geplant?
c) Falls keine Schritte auf EU-Ebene geplant sind, warum nicht?
8. Es konnten bereits viele Doppelstaatsbürger*innen in einer ähnlichen Situation durch die Unterstützung von Ländern wie Oman, Katar oder der Schweiz befreit werden (zum Beispiel: UK/IR Kamal Foroughi, USA/IR Jason Rezaian, KANADA/IR Homa Hoodfar, UK/IR Nazanin Ratcliffe, UK/IR Anoosheh Ashoori, USA/IR Saeed Abedini, KANADA/IR Saeed Malekpour, USA/IR Roxana Saberi, USA/IR Amir Mirza Hekmati, KANADA/IR Maziar Bahari, USA/IR Haleh Esfandiari). Warum nimmt Österreich keine Hilfe vom Oman, von Katar oder der Schweiz an, die bereits Verhandlungen bei Geiselnahmen erfolgreich unterstützt haben?
a) Inwiefern werden andere internationale Best/Good Practice Beispiele von Geiselbefreiungen in die Strategie des BEMEIA eingearbeitet?
9.
Dr. Ghaderis Fall wurde vom UN Human Rights Council
am 08.10.2021 als willkürliche
Verhaftung anerkannt (Siehe: Opinions adopted by the
Working Group on Arbitrary
Detention at its 91st session, 6-10 September
2021: (un.org))
und ein zehnseitiger Bericht veröffentlicht. Welche
Schritte hat das BMEIA nach der Veröffentlichung dieses Berichtes
gesetzt?
a) Wenn keine Schritte gesetzt wurden, warum nicht?
10.
Welche Beschlüsse oder Strategien liegen der
Entscheidung zugrunde, zur Lage von Herrn Dr.
Ghaderi keine öffentliche Stellungnahme (zum Beispiel einen offenen Brief)
von Seiten Ihres Ministeriums abzugeben?