10774/J XXVII. GP
Eingelangt am 27.04.2022
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DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 93 Abs 1
der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger‚ MES, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Teuerung führt zu Rekord-Steuereinnahmen - Wo bleibt die Entlastung?
Erst kürzlich wies EUROSTAT auf die extrem hohen Arbeitskosten in Österreich hin und die IWF-Experten forderten im Kampf gegen die Inflation strukturelle Maßnahmen statt Einmalzahlungen. Doch die Bundesregierung blieb bisher völlig untätig, obwohl speziell bei Erwerbstätigen die Abgabenlast immer erdrückender wird. Die Inflation macht alles nur noch schlimmer, dennoch sprach sich Finanzminister Brunner gegen die Abschaffung der Kalten Progression und gegen Zinserhöhungen aus. Dass die Einmalzahlungen der Bundesregierung angesichts der Kalten Progression in Windeseile verpuffen, scheint den Finanzminister wenig zu tangieren. Er hat im Kurier vom Montag (25.4.2022) sehr deutlich gemacht, dass er sich bei der Budgetsanierung nicht überanstrengen möchte. Dazu braucht er die Kalte Progression und niedrige Zinsen (1). Die Sorgen der Steuerzahler und Sparer müssen leider warten...
Wachstum und Teuerung spülen zusätzliche Milliarden in die Staatskassen
Hohe Inflationsraten sorgen beim Finanzminister Magnus Brunner für volle Taschen. Während die hohen Inflationsraten die Menschen in Österreich stark belasten, ziehen insbesondere die staatlichen Einnahmen durch die Mehrwertsteuer und die Lohn- bzw. Einkommensteuer kräftig an. Der liberale Think Tank Agenda Austria geht bei Inflationsraten von 5% für 2022 und 3% für 2023 von Mehreinnahmen in Höhe von 7,5 Mrd. EUR aus. Das ist das Volumen einer größeren Steuerreform. Je nachdem wie hoch die Jahresinflation am Ende sein wird (aktuelle Prognosen rechnen mit 6% für 2022), kann die Belastung der Steuerzahler auch auf rund 9 bis 11 Mrd. EUR ansteigen (2). Bereits im Herbst 2021 - noch vor der Ukrainekrise und Inflationsraten von bis zu 7% (April 2022) - rechnete die Bundesregierung in ihrem Bundesvoranschlag für 2022 mit einem Rekord-Gesamtabgabenaufkommen von rd. 98,3 Mrd. EUR, bzw. einer Steigerung beim Lohnsteueraufkommen von +10,2% im Vergleich zu 2019 (laut BRA) (3).

Die Abgabenquote bleibt 2022 hoch - weitere Entlastungsschritte sind notwendig
Die Abgabenquote bleibt daher auch 2022 - trotz Steuerreform - bei 44% (siehe Grafik) und ist somit so hoch wie zuletzt 2015. Dabei setzte sich die Bundesregierung mit ihrem Amtsantritt 2020 das Ziel, die Abgabenquote bis zum Ende der Legislaturperiode auf 40% abzusenken (4). Mit den bisher gesetzten Maßnahmen, wie der Steuerreform und den zusätzlichen aktuellen Maßnahmen gegen die Teuerung in Höhe von insgesamt rd. 3,7 Mrd. EUR wird dieses Ziel jedenfalls nicht erreicht werden. Es sind daher dringend weitere nachhaltige Entlastungsschritte notwendig, allen voran die Abschaffung der Kalten Progression. Denn diese "Inflationssteuer" kostet die Steuerzahler_innen jährlich Milliarden und schraubt die Abgabenquote nach jeder Steuerreform wieder verlässlich in die Höhe.

Weitere Entlastung für Arbeitnehmer_innen und Unternehmen notwendig - JETZT Lohnnebenkosten senken, Tarifstufen anpassen, Kalte Progression abschaffen
Angesichts der allgemeinen Teuerung und der steigenden Staatseinnahmen braucht es eine nachhaltige steuerliche Entlastung - und keine Geldgeschenke per Gießkanne. Dringend notwendig und rasch umsetzbar wären Senkungen der Lohnnebenkosten, die längst überfällige Anpassung der Einkommenssteuer-Tarifstufen und eine Abschaffung der Kalten Progression.
Lohnnebenkostensenkung: Laut EUROSTAT zählt Österreich zu den Ländern mit den höchsten Arbeitskosten, was unter anderem auf die hohen Lohnnebenkosten zurückzuführen ist (5). So werden auf die Bruttolöhne noch knapp 30 Prozent Lohnnebenkosten draufgeschlagen, wovon allerdings ein Drittel nicht arbeitnehmerbezogen ist (z. B.: Wirtschaftskammerumlage 2). Zudem stehen viele Lohnnebenkostenbestandteile oft in der Kritik, zu hoch zu sein und nicht ihrem Zweck entsprechend eingesetzt zu werden (6). Längerfristig besteht somit großes Senkungspotential bei den Lohnnebenkosten, wovon schon kurzfristig zumindest 0,5 Prozentpunkte realisierbar sind, was 750 Mio. Euro jährlicher Entlastung für die Unternehmen entspricht. Die Unternehmen wären dadurch wettbewerbsfähiger, wodurch zusätzliche Beschäftigungseffekte geschaffen würden. Außerdem hätten die Unternehmen durch die Lohnnebenkostensenkung bei den Lohn- und Kollektivvertragsverhandlungen mehr Spielraum (7).

Rückwirkende Anpassung der Einkommensteuer-Tarifstufen: Die Steuerstufen bleiben in Österreich seit Jahren unerbittlich unverändert - mit dem Ergebnis, dass mittlerweile "Durchschnittsverdiener Steuern bezahlen, die eigentlich für Oberärzte und Topmanager gedacht waren" (8). Die Steuerfreigrenze von 11 000 EUR wurde zum Beispiel seit 2009 nicht mehr erhöht, womit inflationsbedingt Jahr für Jahr immer mehr Menschen steuerpflichtig werden: Wer 2009 noch genau 11000€ verdient hat und somit keine ESt zahlen musste, zahlt heute 750€ ESt pro Jahr - obwohl das reale Einkommen über diesen Zeitraum unverändert blieb. Es wird also immer schwieriger, sich mit Arbeit und Leistung etwas aufzubauen. Die Einkommensteuer-Tarifstufen müssen daher dringend jetzt an die aktuelle Inflationsentwicklung angepasst worden - und zwar rückwirkend ab 1. Jänner 2022. Nach dieser Anpassung wären alle Einkommen bis 13420 EUR im Jahr steuerfrei, im Jahr ergibt das eine Steuerersparnis von rund 420 EUR jährlich. Auch alle weiteren Tarifstufen würden rückwirkend an die Inflationsentwicklung angepasst.
Kalte Progression abschaffen: Die Kalte Progression kann auch als eine Inflationssteuer bezeichnet werden und fällt umso höher aus, je höher die Inflation ist. Warum ist das so? Durch die Inflation steigen aufgrund von Lohn- und Gehaltsverhandlungen die Einkommen. Damit rutschen die Steuerzahler_innen jährlich in höhere Steuerstufen und somit eine insgesamt höhere Steuerbelastung - und das, obwohl Realeinkommen bzw. Kaufkraft gleich bleiben. Die Kalte Progression kostet die Steuerzahler_innen grob gerechnet jährlich rund 250 Mio. EUR/%-Punkt Inflation. 2022 wären das bei einer prognostizierten Inflationsrate von rd. 6% dann 1,5 Mrd. EUR, genauere Berechnungen gehen sogar von rd. 1,6-2,1 Mrd. EUR für 2022 (und rd. 1,9-2,6 Mrd. EUR für 2023) aus. Skandalös ist, dass die Regierung gönnerhaft Gutscheine und Einmalzahlungen gegen die Teuerung verteilt und sich alle paar Jahre für eine Steuerreform abfeiern lässt - aber im Gegenzug die Kalte Progression nicht antastet.
Abschaffung der Kalten Progression wird wieder einmal in Aussicht gestellt - bisher wurde sie aber noch nie umgesetzt
Im April 2022 denkt Finanzminister Brunner wieder einmal laut über eine "neue Steuerreform" und eine Senkung der Lohnnebenkosten nach (9) und lässt den Österreicher_innen über die Medien ausrichten, dass die Abschaffung der Kalten Progression bereits Ende 2023 "möglich" ist (10). Auch eine Anpassung des Budgets für 2022 steht im Raum um notwendige Anpassungen aufgrund der jüngsten Ereignisse wie Ukraine-Krieg und Teuerung zu schaffen. Dass sich die medial angedachten Entlastungen darin bereits wiederspiegeln, darf jedoch bezweifelt werden. Wieder vertröstet ein ÖVP-Finanzminister die Steuerzahler_innen auf irgendwann - und setzt damit das Katz-und-Maus-Spielchen fort, das die ÖVP seit 10 Jahren mit den Steuerzahler_innen spielt:
Dabei wäre die Abschaffung der Kalten Progression mit einem einzigen zusätzlichen Satz im Einkommenssteuergesetz umzusetzen, wie NEOS in den letzten Jahren mehrmals in parlamentarischen Anträgen gezeigt hat. Eine weitere Verzögerung ist nicht notwendig!
Auch die Auswirkungen der Inflationssteuer Kalte Progression auf Abgabenaufkommen und Steuerzahler_innen sind längst bekannt. Nach Berechnungen von NEOS beläuft sich die zusätzliche Steuerbelastung durch die Kalte Progression zwischen den Jahren 2013 und 2023 auf rund 11,88 Mrd. EUR. Das Institut EcoAustria schätzt, dass die Kalte Progression ohne Steuerreform zwischen 2019 und 2025 zu einer zusätzlichen Steuerbelastung von insgesamt 19,5 Mrd. EUR führen würde (11). Auch der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger rechnete einst überschlagsmäßig vor, dass pro Prozentpunkt Inflation jährlich rund 250 Mio. EUR ins Budget fließen (12). Was die Kalte Progression für Steuerzahler_innen ab 2022 konkret am Gehaltszettel bedeutet, hat erst kürzlich "Die Presse" basierend auf Daten der Agenda Austria aufgezeigt (siehe Grafik unten) (13).

Ein paar Beispiele:
Die gebrochenen Versprechen der ÖVP-Finanzminister spürt jede und jeder Monat für Monat im Geldbörsel!
Hohe Lohnnebenkosten führen zu enormem Abgaben-Ungleichgewicht: Abgabenlast für Vollzeit-Erwerbstätige übertrieben hoch
Das österreichische Abgabensystem ist durch ein enormes Ungleichgewicht gekennzeichnet. So führen die hohen Lohnnebenkosten, aber auch der Umstand, dass wesentliche Teile der SV-Beiträge nur von den Erwerbstätigen gezahlt werden, zu einer überproportionalen Belastung der Erwerbstätigen, vor allem bei Vollzeit-Beschäftigten. Dennoch hat sich der Fokus in den vergangen Jahren stets auf Pensionisten fokussiert, obwohl diese bei 2500 Euro Monatsbrutto mit 488 Euro deutlich weniger Abgaben zahlen als Vollzeit-Beschäftigte (685 Euro). Hinzu kommt, dass die Regierung zuletzt laufend steuerliche Teilzeitanreize gesetzt hat (gestaffelte ALV- und KV-Beiträge, Negativsteuern), obwohl das angesichts eines akuten Arbeitskräftemangels überhaupt keinen Sinn ergibt. Ziel muss es daher sein, die Abgaben gleichmäßiger zu verteilen, anstatt den Vollzeit-Beschäftigten alle Abgaben umzuhängen. Der primäre Fokus neben der Abschaffung der Kalten Progression muss daher bei der Senkung der Lohnnebenkosten liegen. Hier bietet sich vor allem die Senkung der nicht-arbeitnehmerbezogenen Lohnnebenkosten (Wohnbauförderung, FLAF, WK-Umlage 2, Kommunalsteuer,...) an. Dadurch würden würden zum Einem durch die bessere Wettbewerbsfähigkeit Beschäftigungseffekte generiert, aber zum anderem auch ein höhere Lohnverhandlungsspielraum entstehen.

Quellen:
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.