10818/J XXVII. GP
Eingelangt am 27.04.2022
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ANFRAGE
des Abgeordneten Walter Rauch
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Klimarat: 200.000€ ohne Gegenleistung?
Tätigkeiten, mit denen auf bestimmte Entscheidungsprozesse in der Gesetzgebung oder Vollziehung des Bundes unmittelbar Einfluss genommen werden soll, sind im Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetz (LobbyG) streng geregelt. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist gem. § 17 leg cit die Bundesministerin für Justiz betraut.[1]
Eine schriftliche Anfrage betreffend mutmaßlich illegalem Lobbying beim Klimarat wurde jedoch von der Bundesministerin für Justiz nicht beantwortet.[2] „Die Anfrage betrifft keinen Vollziehungsbereich der Bundesministerin für Justiz“, heißt es in der Anfragebeantwortung entgegen der geltenden Rechtslage. Ob die European Climate Foundation (EFC), einer im EU-Transparenz-Register verzeichneten Organisation mit einem Jahresbudget von über 126 Mio. EUR im Jahr 2020,[3] die sich auch zu öffentlichen Konsultationen der EU-Kommission äußert, die Eintragung in das Lobbying- und Interessenvertretungsregister beantragt bzw. bekannt gegeben hat, ist jedoch durchaus vom Interpellationsrecht umfasst. Insbesondere, ob Verwaltungsstrafverfahren gem. § 13 LobbyG wegen illegalem Lobbying anhängig sind, ist in diesem Zusammenhang von Interesse.
Die European Climate Foundation (EFC) ist kein österreichischer Mitgliederverein oder eine NGO, sondern eine private Stiftung mit Hauptsitz in Den Haag und Niederlassungen in Brüssel, Berlin, London und Warschau, mit der unter anderem Lobbygelder von anderen Stiftungen zugunsten Investitionen in ausgewählte Energieformen umverteilt werden. Durch die Finanzierung des Klimarats und einen inzwischen eingestandenen engen Kontakt mit Mitarbeitern des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sollen Entscheidungsprozesse in der Gesetzgebung bzw. Vollziehung des Bundes unmittelbar beeinflusst werden. Im Gegensatz zum EU-Transparenz-Register scheint die ECF jedoch nicht im österreichischen Lobbying- und Interessenvertretungsregister auf. Lobbyisten dürfen Lobbying-Tätigkeiten jedoch eigentlich nur ab Bekanntgabe zur Eintragung in das Lobbying- und Interessenvertretungs-Register sowie während aufrechter Eintragung ausüben.
Der Verdacht einer angestrebten Beeinflussung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Leonore Gewessler, erhärtete sich zudem durch die jüngst erfolgte Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage betreffend „der Klimarat als Spielball der Lobbyisten“.[4] Dort heißt es:
Konkret finanziert die ECF mit insgesamt rd. € 100.000 einerseits einen Teil der begleitenden wissenschaftlichen Evaluierung des Projektes, andererseits die Arbeit zur Einbindung der Zivilgesellschaft (2 Mitarbeiterinnen in Teilzeit), mit jeweils der Hälfte des oben genannten Betrags.
Die Bundesministerin lässt sich ihr Prestigeprojekt somit von einer im EU-Transparenz-Register verzeichneten Organisation mit € 200.000 subventionieren, die jedoch nicht im österreichischen Lobbying- und Interessenvertretungsregister eingetragen ist. Die European Climate Foundation wird zum Gatekeeper für die Einbindung der Zivilgesellschaft. Ob auch mit dem Klimarat in wirtschaftlicher Verbindung stehende Unternehmen wie die Agentur Lockl & Keck GmbH Gelder von ECF bekommen, bleibt unklar. Jedenfalls geht aus der Anfragebeantwortung hervor, dass es einen steten Austausch des Ministeriums mit der ECF gibt:
Vertreter:innen des Ministeriums hatten seit Beginn der Planungen für den österreichischen Klimarat ab April 2021 regelmäßigen Kontakt mit der European Climate Foundation.
Über die Inhalte des Kontakts verschweigt man sich großteils. Mit dem Knowledge Network on Climate Assemblies (KNOCA) betreibt die European Climate Foundation eine Plattform, um Klimaräte in ihrem Sinn zu koordinieren und zu beraten. „Dabei geht es um den Austausch von Erfahrungen und um gegenseitiges Lernen“, heißt es in der Anfragebeantwortung. Offen bleibt, welche Erfahrungen das Ministerium der Stiftung zur Verfügung stellt und was man von dieser lernen möchte. Die Ziele und Aufgaben dieser Organisation sind nämlich keineswegs sachlich und überparteilich, sondern verfolgen eine klare Agenda gegen Co2-emittierende Energieformen, wie ein Blick ins EU-Transparenz-Register offenbart:
The European Climate Foundation (ECF) was established in early 2008 as a major philanthropic initiative to build evidence, public understanding and activities which support climate, energy and other policies that greatly reduce Europe’s greenhouse gas (GHG) emissions and to help Europe play an even stronger international leadership role to mitigate climate change.
Der Missbrauch einer überantworteten Macht oder Entscheidungsbefugnis, verbunden mit der Absicht, einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen, fällt gem. § 324 StGB ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der Justizministerin.[5] Es wirft Fragen auf, dass die Kosten für den Klimarat zu einem Viertel für PR-Zwecke entstehen. Die Kleine Zeitung[6] berichtet über das grüne Skandalprojekt wie folgt:
„Besonders bei den Kommunikationsleistungen sind nämlich Agenturen zum Zug gekommen, die eine gewisse Nähe zum grünen Universum aufweisen: Die Posten "Kommunikative Begleitung des Auftakts zum Klimarat" um 90.000 Euro sowie "Kommunikative Begleitung Februar bis Juni 2022 in Wien und Salzburg" um bis zu 304.552 Euro hat sich nämlich die "Lockl & Keck GmbH" gesichert.
Das ist das Unternehmen des ehemaligen grünen Generalsekretärs Lothar Lockl, der unter anderem den Wahlkampf des heutigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen geleitet hatte (und nebenbei beste Chancen hat, dank der grünen Regierungsbeteiligung dem nächsten ORF-Stiftungsrat vorzusitzen.) Mit Teilen der genannten Aufträge war auch Ulli Kittelberger betraut, die derzeit Urbane Kommunikation macht – sie war früher Pressesprecherin der Wiener Grünen unter Maria Vassilakou.
Zusammen mit bis zu 123.765 Euro, die die renommierte Agentur Jung von Matt für "Corporate Identity, Website, Social Media Community Management, Barrierefreiheit" bekommt, geht damit etwa ein Viertel des Klimarat-Budgets für dessen Kommunikation auf.“
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Ist die Unterstützung eines Prestigeprojekts einer Ministerin von einer Lobbying-Organisation bzw. internationalen Stiftung mit zumindest € 200.000 ohne Gegenleistung oder Erwartung einer solchen nach Ihrer Wahrnehmung lebensnahe?
a. Wenn ja, welche weiteren Fälle sind Ihnen bekannt?
b. Wenn ja, welche Compliance-Maßnahmen gelten diesbezüglich in Ihrem Verantwortungsbereich?
c. Wenn ja, welche Compliance-Maßnahmen gelten diesbezüglich für die Mitglieder der Bundesregierung sowie Ihre Kabinette und Ressorts?
2. Wird das Bundesministerium für Justiz von privaten (juristischen) Personen finanziell unterstützt?
a. Wenn ja, seit wann?
b. Wenn ja, wodurch?
c. Wenn ja, in welcher Höhe? (Bitte für die Jahre 2012 bis 2022 aufschlüsseln.)
d. Wenn ja, für welche Projekte wurde Unterstützung eingeworben?
3. Ist es gemäß den Compliance-Regeln in Ihrem Ressort zulässig, dass eine im EU-Transparenz-Register gelistete Organisation finanzielle Zuwendungen an Sie, Ressortangehörige bzw. für Projekte des Ressorts gewährt?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn ja, seit wann?
c. Wenn ja, welche Regeln gelten diesbezüglich konkret?
d. Wenn ja, in welcher Höhe sind Zuwendungen zulässig?
e. Wenn nein, warum nicht?
4. Ist es gemäß den Compliance-Regeln in Ihrem Ressort zulässig, dass eine im österreichischen Lobbying- und Interessenvertretungsregister gelistete Organisation finanzielle Zuwendungen an Sie, Ressortangehörige bzw. für Projekte des Ressorts gewährt?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn ja, seit wann?
c. Wenn ja, welche Regeln gelten diesbezüglich konkret?
d. Wenn ja, in welcher Höhe sind Zuwendungen zulässig?
e. Wenn nein, warum nicht?
f. Wenn nein, wird dabei nur auf die formale Eintragung abgestellt, oder auch die Einhaltung des LobbyG vorausgesetzt?
g. Wenn nein, nehmen Sie Zuwendungen für sich, Ressortangehörige bzw. für Projekte des Ressorts von Organisationen entgegen, die rechtswidrig nicht im Lobbying- und Interessenvertretungsregister eingetragen sind?
5. Ist Ihnen die Zusammenarbeit zwischen dem Klimarat und der European Climate Foundation (ECF) bekannt?
a. Wenn ja, seit wann?
b. Wenn ja, wodurch?
c. Wenn ja, wie wurden Sie darüber in Kenntnis gesetzt?
d. Wenn ja, sind aufgrund der Unterstützung des Klimarates durch die ECF auf Initiative der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in Höhe von zumindest 200.000 € in Zusammenhang mit dem strengen Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetzes Verfahren anhängig? (Bitte ggf. angeben welche Verfahren gegen wen seit wann anhängig sind.)
e. Wenn ja, sind aufgrund der Unterstützung des Klimarates durch die ECF auf Initiative der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in Höhe von zumindest 200.000 € strafrechtliche Verfahren anhängig? (Bitte ggf. angeben welche Verfahren gegen wen seit wann anhängig sind.)
6. Ist Ihnen die informelle Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der European Climate Foundation (ECF) bekannt?
a. Wenn ja, seit wann?
b. Wenn ja, wodurch?
c. Wenn ja, wie wurden Sie darüber in Kenntnis gesetzt?
d. Wenn ja, sind aufgrund der Unterstützung des Klimarates durch die ECF auf Initiative der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in Höhe von zumindest 200.00 € in Zusammenhang mit dem strengen Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetzes Verfahren anhängig?
e. Wenn ja, sind aufgrund der Unterstützung des Klimarates durch die ECF auf Initiative der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in Höhe von zumindest 200.00 € strafrechtliche Verfahren anhängig?
7. Hat die European Climate Foundation (ECF) die Eintragung in das Lobbying- und Interessenvertretungsregister beantragt bzw. bekanntgegeben?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, wann erfolgt die Registereintragung?
c. Wenn nein, welche
8. Ist eine finanzielle Unterstützung eines Prestigeprojekts des Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie mit zumindest 200.00 € durch die ECF nicht als Lobbying-Tätigkeit zu qualifizieren?
a. Wenn ja, welche Schritte wurden folglich gesetzt?
b. Wenn nein, warum nicht?
9. Hat die ECF vor Eintragung in das Lobbying- und Interessenvertretungsregister bzw. deren Beantragung oder Bekanntgabe Lobbying-Tätigkeiten gesetzt?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, welche?
10. Sind in Zusammenhang mit der ECF oder anderen (juristischen) Personen Verwaltungsstrafverfahren gem. § 13 LobbyG anhängig?
a. Wenn ja, aufgrund welcher konkreten Bestimmung dieser Norm?
b. Wenn ja, gegen wen?
c. Wenn ja, seit wann?
d. Wenn nein, warum wurde davon jeweils abgesehen?
11. Wurde in Zusammenhang mit der ECF, dem Klimarat oder insbesondere der parlamentarischen Anfrage 9804/J betreffend „illegales Lobbying beim Klimarat?“ aus Ihrem Ressort eine Stellungnahme der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie eingeholt?
a. Wenn ja, aus welchem konkreten Grund? (Bitte bei mehrmaligen Kontakt aufschlüsseln)
b. Wenn ja, wann?
c. Wenn ja, was waren die konkreten Inhalte des Austausches?
d. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
e. Wenn nein, warum nicht?
12. Gibt es im Zusammenhang mit anderen (juristischen) Personen, die mit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bzw. ihrem Kabinett oder Ressort zusammenarbeiten, Verfahren gem. § 13 LobbyG?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn ja, aufgrund welcher konkreten Norm?
c. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
d. Wenn ja, seit wann?
13. Hatten Sie bzw. Ihr Kabinett oder Vertreter Ihres Ministeriums Kontakt mit Vertretern der European Climate Foundation (ECF) oder dem Knowledge Network on Climate Assemblies (KNOCA)?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, mit wem?
c. Wenn ja, welche Vertreter Ihres Ministeriums?
d. Wenn ja, was waren die konkreten Gesprächsinhalte?
e. Wenn ja, wurde dabei auch über die Unterstützung für den Klimarat gesprochen?
14. Gibt es in Ihrem Verantwortungsbereich bzw. Ihrem Ressort Kooperationen mit der ECF oder dem Knowledge Network on Climate Assemblies (KNOCA)?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn ja, seit wann?
c. Wenn ja, mit welchem Inhalt?
15. Sind aufgrund der Unterstützung des Klimarates durch die ECF auf Initiative der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in Höhe von zumindest 200.000 € strafrechtliche Verfahren, insbesondere gem. §§ 302, 304, 305 oder 306 StGB anhängig?
a. Wenn ja, in welchem Verfahrensstadium befinden sich diese?
b. Wenn ja, welche Behörde führt das Verfahren?
c. Wenn ja, gegen wen?
d. Wenn ja, gegen wie viele Personen?
e. Wenn ja, seit wann?
f. Wenn ja, durch wen?
g. Wenn nein, warum nicht?
16. Sind aufgrund der Auftragsvergaben rund um den Klimarat, insbesondere mit dem im zitierten Beitrag der Kleinen Zeitung genannten Personen, strafrechtliche, verwaltungsrechtliche oder zivilrechtliche Verfahren anhängig?
a. Wenn ja, in welchem Verfahrensstadium befinden sich diese?
b. Wenn ja, welche Behörde führt das Verfahren?
c. Wenn ja, gegen wen?
d. Wenn ja, gegen wie viele Personen?
e. Wenn ja, seit wann?
f. Wenn ja, durch wen?
g. Wenn nein, warum nicht?
17. Wurde oder wird vor dem Hintergrund des narrativen Teils dieser Anfrage ein Anfangsverdacht gegen genannte Personen in Zusammenhang mit dem Klimarat oder dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie geprüft?
a. Wenn ja, gegen wen?
b. Wenn ja, gegen wie viele Personen?
c. Wenn ja, seit wann?
d. Wenn ja, durch wen?
e. Wenn nein, warum nicht?
[1] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20007924
[2] Anfrage: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_09804/index.shtml; Beantwortung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_09571/index.shtml
[3] https://ec.europa.eu/transparencyregister/public/consultation/displaylobbyist.do?id=64869491516-70
[4] Anfrage: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_09803/index.shtml ;Beantwortung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_09600/index.shtml
[5] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002296
[6] https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6115337/Green-Deals_400000EuroAuftrag-fuer-KlimaratPR-an-ExGruenenGeneral