10919/J XXVII. GP

Eingelangt am 03.05.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Leitbildprozess im BMDW: dubioses Vergabeverfahren und schwammiges Ergebnis

 

Das ehemals mächtige Wirtschaftsministerium verlor mit der Regierungsbildung Ende 2017 viele Kompetenzen, dafür kamen die Digitalisierungsagenden dazu. Dem folgte eine größere Neuordnung innerhalb des Ressorts, die die Verantwortlichen wohl in eine Sinnkrise geführt hat. Die Erarbeitung eines neuen Leitbildes wurde daher in Auftrag gegeben. Damit sollte die Entwicklung einer gemeinsam getragenen Identität vorangetrieben werden, "um dadurch das Miteinander sowie den Teamzusammenhalt und die Serviceorientierung zu stärken" (1). Beauftragt wurde das unter Ermittlungen der WKStA stehende Karmasin Research & Identity.

Die Recherchen der Wochenzeitung Falter ergaben nun, dass das BMDW für rund EUR 80.000 sehr bescheidene Gegenleistungen bekommen hat (2), nämlich ein Plakat, eine Präsentation voller leerer Phrasen und Allgemeinplätze sowie Laptop-Taschen mit dem Spruch "Wir gestalten Zukunft". Am 22.4.2022 wurde bekannt, dass die WKStA auch in dieser Sache Ermittlungen aufgenommen hat (3). Weitere Enthüllungen brachten hervor, dass im Zuge der Vergabe dieses Projekts einem Unternehmen bereits eine Absage erteilt wurde, bevor überhaupt das finale Angebot von Karmasin Research & Identity eingetroffen war (4). Diese Vorgehensweise lässt Zweifel darüber aufkommen, wie ergebnisoffen die Vergabe tatsächlich war. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass vonseiten der Bundesministerin und ihres Kabinetts bei einem Angebot nachgeholfen wurde. Es lässt sich schwer erklären, warum mit einer Entscheidung nicht abgewartet wurde. Zudem sollen zur Implementierung dieses inhaltsleeren Leitbildes noch weitere zwölf Beratertage à EUR 2.083 mit Karmasin Research & Identity abgeschlossen worden sein. 

Diese Anfrage soll mehr Licht in den dubiosen Leitbildprozess des BMDW bringen. Dringende Fragen nach einem tatsächlichen Mehrwert dieser Maßnahme sowie nach der Einhaltung gesetzlicher Regeln, v.a. im Bereich des Vergaberechts, sollen geklärt werden. Die katastrophale Optik macht es auch nötig, dass bei den Verantwortlichen auch Konsequenzen gezogen werden. In diesem Zusammenhang braucht es absolute Transparenz über die Rolle der Bundesministerin, des Generalsekretärs und des Kabinetts bei diesem Prozess. 

 

Es gilt die Unschuldsvermutung.

 

Quellen:

  1. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220311_OTS0170/bmdw-klarstellung-zu-bericht-auf-falterat-zu-leitbildprozess-erstellung-durch-karmasin-research-identity
  2. https://www.falter.at/zeitung/20220311/wir-nutzen-unsere-expertise
  3. https://www.derstandard.at/story/2000135112062/causa-karmasin-wksta-prueft-ermittlungen-gegen-schramboeck
  4. https://www.falter.at/zeitung/20220428/leitbild-und-schiebung?utm_source=emailCampaign&utm_medium=Falter%20Newsletter&utm_campaign=Korruption%3F+Fragw%C3%BCrdige+Auftragsvergabe+im+%C3%96VP-Wirtschaftsministerium+%E2%80%93+FALTER.morgen+%23315&utm_content=

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Ziele:
    1. Welche konkreten Ziele für ein neues Leitbild wurden vor der Einholung von Angeboten festgelegt?
    2. Welcher Personenkreis war an der Ausarbeitung dieser Ziele beteiligt?
    3. Welche konkreten Änderungen der Arbeitsprozesse innerhalb des BMDW machten ein neues Leitbild überhaupt nötig?
    4. Wann wurde zuvor im BMDW (davor BMWFW/BMWFJ) ein Leitbild erstellt?
  1. Vorgaben:
    1. Welche konkreten Vorgaben wurden bei der Angebotseinholung gemacht?
    2. Welche konkreten Leistungen sollten inkludiert sein? Bitte sämtliche enthaltenen Leistungen angeben.
    3. Waren Maßnahmen zur Implementierung des Leitbildes inkludiert?

                                          i.    Wenn ja, welche?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Welche Kostenobergrenze war vorgesehen?
    2. Welche Frist zur Legung eines Angebotes war vorgesehen?
    3. Welcher Zeitrahmen zur Umsetzung war vorgesehen?
  1. Vergabe des Leitbildes:
    1. Wie viele Angebote wurden eingeholt? Bitte geben Sie die Namen aller Unternehmen an, die ein Angebot gelegt haben, samt veranschlagter Kosten.
    2. Wann wurden die ersten Anfragen zur Angebotslegung an die ausgewählten Unternehmen übermittelt? 
    3. Wurde die Frist zur Legung eines Angebotes verschoben? 

                                          i.    Wenn ja, warum und inwieweit?

                                        ii.    Wurden alle Anbieter gleichzeitig darüber informiert?

    1. Wann wurden die jeweiligen finalen Versionen der Angebote übermittelt? Bitte zum jeweiligen Angebot das Datum der elektronischen Übermittlung angeben.
    2. Welche Organisationseinheiten im BMDW waren in die Entscheidung für die Vergabe des Leitbildes eingebunden?
    3. Nach welchen Faktoren wurden die eingelangten Angebote bewertet?
    4. Welche Kriterien waren für die Wahl von Karmasin Research & Identity ausschlaggebend?
  1. Einhaltung des Vergaberechts:
    1. Welche Wertgrenzen gab es bei der Wahl des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen?
    2. Inwiefern wurde das Vergaberecht bei der Aufteilung einzelner Leistungen auf unterschiedliche Vergaben berücksichtigt?

                                          i.    Welche Leistungen hängen zusammen und welche nicht?

                                        ii.    Bitte begründen Sie, inwiefern Leistungen einen separaten Vergabeprozess rechtfertigen?

    1. Wurde anderen Unternehmen abgesagt, bevor die finalen Angebote anderer Interessenten vorlagen?

                                          i.    Wenn ja, warum?

                                        ii.    Wenn ja, warum wurde nicht mit dem Eintreffen aller finalen Angebote gewartet?

    1. Inwiefern wurde vonseiten der Bundesministerin Schramböck im Rahmen des Entscheidungsprozesses Vorgaben gemacht?
    2. Inwiefern wurde vonseiten des Generalsekretärs im Rahmen des Entscheidungsprozesses Vorgaben gemacht?
    3. Inwiefern wurden von Kabinettsmitgliedern im Rahmen des Entscheidungsprozesses Vorgaben gemacht?
    4.  Gab es Gespräche mit Interessenten zur Nachbesserung von Angeboten?

                                          i.    Wurden im Rahmen solcher Gespräche auch Hinweise bzgl. anderer vorliegender Angebote gegeben?

  1. Kosten:
    1. Wie hoch waren die Kosten für den gesamten Leitbildprozess? Bitte geben Sie alle damit in Verbindung stehenden öffentlichen Aufträge samt Höhe der Kosten und Auftragnehmer an.
    2. Wie viel budgetärer Spielraum ist für weitere Evaluierungsschritte vorgesehen und werden weitere Aufträge/Maßnahmen vorbereitet? 
  1. Umsetzung Leitbildprozess:
    1. Inwiefern wurden die gesetzten Ziele erreicht?

                                          i.    Welche konkreten Wirkungsziele wurden erfüllt?

    1. Wie ist der Umsetzungsstand hinsichtlich der erwähnten Roadmap?
    2. Was waren die Ergebnisse der im Leitprozess durchgeführten Mitarbeiter_innen-Umfrage zu Erfahrungen und Beobachtungen?
    3. "Regelmäßige Workshops der Führungskräfte zum Leitbild": Inwiefern wurde diese Maßnahme umgesetzt und zu welchen Kosten?
    4. "Laufende Evaluierung der Führungskultur im BMDW": Inwiefern wurde diese Maßnahme umgesetzt und zu welchen Kosten? 
    5. Implementierung eines "institutionalisierten internen Kommunikationsprozesses" (bessere Feedbackkultur): Inwiefern wurde diese Maßnahme umgesetzt und zu welchen Kosten?
    6. Großgruppen-Events: Inwiefern wurden diese Maßnahmen umgesetzt und zu welchen Kosten?
    7. Laptop-Taschen: Wie viele wurden bestellt? Wer war der Auftragnehmer? Wie viel haben diese gekostet?
  1. Ermittlungen:
    1. Ist die Vergabe des Leitbildprozesses Gegenstand von Ermittlungen?

                                          i.    Wie ist der Stand der Ermittlungen?

                                        ii.    Wie viele Mitarbeiter_innen des BMDW sind von den Ermittlungen betroffen?

    1. Welche Konsequenzen haben die laufenden Ermittlungen auf den Leitbildprozess?
  1. Konsequenzen für Mitarbeiter_innen:
    1. Welche Konsequenzen haben die laufenden Ermittlungen auf die unter Verdacht stehenden Mitarbeiter_innen?
    2. Welche disziplinarrechtlichen Maßnahmen wurden im Zusammenhang mit dem Leitbildprozess bisher gesetzt?

                                          i.    Wie viele Mitarbeiter_innen sind davon betroffen?

    1. Haben sich unter Verdacht stehende Mitarbeiter_innen im letzten Halbjahr für Führungspositionen beworben?

                                          i.    Wie wird der Status als Verdächtigte(r) im Bewerbungsprozess berücksichtigt?