Eingelangt am 03.05.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker,
Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für
Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
betreffend Leitbildprozess im BMDW:
dubioses Vergabeverfahren und schwammiges Ergebnis
Das ehemals mächtige
Wirtschaftsministerium verlor mit der Regierungsbildung Ende 2017 viele
Kompetenzen, dafür kamen die Digitalisierungsagenden dazu. Dem folgte eine
größere Neuordnung innerhalb des Ressorts, die die Verantwortlichen
wohl in eine Sinnkrise geführt hat. Die Erarbeitung eines neuen Leitbildes
wurde daher in Auftrag gegeben. Damit sollte die Entwicklung einer gemeinsam
getragenen Identität vorangetrieben werden, "um dadurch das
Miteinander sowie den Teamzusammenhalt und die Serviceorientierung zu
stärken" (1). Beauftragt wurde das unter Ermittlungen der WKStA
stehende Karmasin Research & Identity.
Die Recherchen der Wochenzeitung Falter
ergaben nun, dass das BMDW für rund EUR 80.000 sehr bescheidene
Gegenleistungen bekommen hat (2), nämlich ein Plakat, eine
Präsentation voller leerer Phrasen und Allgemeinplätze sowie
Laptop-Taschen mit dem Spruch "Wir gestalten Zukunft". Am 22.4.2022
wurde bekannt, dass die WKStA auch in dieser Sache Ermittlungen aufgenommen hat
(3). Weitere Enthüllungen brachten hervor, dass im Zuge der Vergabe dieses
Projekts einem Unternehmen bereits eine Absage erteilt wurde, bevor
überhaupt das finale Angebot von Karmasin Research & Identity
eingetroffen war (4). Diese Vorgehensweise lässt Zweifel darüber
aufkommen, wie ergebnisoffen die Vergabe tatsächlich war. Vielmehr
entsteht der Eindruck, dass vonseiten der Bundesministerin und ihres Kabinetts
bei einem Angebot nachgeholfen wurde. Es lässt sich schwer erklären,
warum mit einer Entscheidung nicht abgewartet wurde. Zudem sollen zur
Implementierung dieses inhaltsleeren Leitbildes noch weitere zwölf Beratertage
à EUR 2.083 mit Karmasin Research & Identity abgeschlossen worden
sein.
Diese Anfrage soll mehr Licht in den dubiosen
Leitbildprozess des BMDW bringen. Dringende Fragen nach einem
tatsächlichen Mehrwert dieser Maßnahme sowie nach der Einhaltung
gesetzlicher Regeln, v.a. im Bereich des Vergaberechts, sollen geklärt
werden. Die katastrophale Optik macht es auch nötig, dass bei den
Verantwortlichen auch Konsequenzen gezogen werden. In diesem Zusammenhang
braucht es absolute Transparenz über die Rolle der Bundesministerin, des
Generalsekretärs und des Kabinetts bei diesem Prozess.
Es gilt die Unschuldsvermutung.
Quellen:
- https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220311_OTS0170/bmdw-klarstellung-zu-bericht-auf-falterat-zu-leitbildprozess-erstellung-durch-karmasin-research-identity
- https://www.falter.at/zeitung/20220311/wir-nutzen-unsere-expertise
- https://www.derstandard.at/story/2000135112062/causa-karmasin-wksta-prueft-ermittlungen-gegen-schramboeck
- https://www.falter.at/zeitung/20220428/leitbild-und-schiebung?utm_source=emailCampaign&utm_medium=Falter%20Newsletter&utm_campaign=Korruption%3F+Fragw%C3%BCrdige+Auftragsvergabe+im+%C3%96VP-Wirtschaftsministerium+%E2%80%93+FALTER.morgen+%23315&utm_content=
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Ziele:
- Welche konkreten Ziele für ein neues
Leitbild wurden vor der Einholung von Angeboten festgelegt?
- Welcher Personenkreis war an der
Ausarbeitung dieser Ziele beteiligt?
- Welche konkreten Änderungen der
Arbeitsprozesse innerhalb des BMDW machten ein neues Leitbild
überhaupt nötig?
- Wann wurde zuvor im BMDW (davor
BMWFW/BMWFJ) ein Leitbild erstellt?
- Vorgaben:
- Welche konkreten Vorgaben wurden bei der
Angebotseinholung gemacht?
- Welche konkreten Leistungen sollten
inkludiert sein? Bitte sämtliche enthaltenen Leistungen angeben.
- Waren Maßnahmen zur Implementierung
des Leitbildes inkludiert?
i. Wenn ja, welche?
ii. Wenn nein, warum nicht?
- Welche Kostenobergrenze war vorgesehen?
- Welche Frist zur Legung eines Angebotes war
vorgesehen?
- Welcher Zeitrahmen zur Umsetzung war
vorgesehen?
- Vergabe des Leitbildes:
- Wie viele Angebote wurden eingeholt? Bitte
geben Sie die Namen aller Unternehmen an, die ein Angebot gelegt haben,
samt veranschlagter Kosten.
- Wann wurden die ersten Anfragen zur
Angebotslegung an die ausgewählten Unternehmen
übermittelt?
- Wurde die Frist zur Legung eines Angebotes
verschoben?
i. Wenn ja, warum und inwieweit?
ii. Wurden alle Anbieter gleichzeitig darüber informiert?
- Wann wurden die jeweiligen finalen
Versionen der Angebote übermittelt? Bitte zum jeweiligen Angebot das
Datum der elektronischen Übermittlung angeben.
- Welche Organisationseinheiten im BMDW waren
in die Entscheidung für die Vergabe des Leitbildes eingebunden?
- Nach welchen Faktoren wurden die
eingelangten Angebote bewertet?
- Welche Kriterien waren für die Wahl
von Karmasin Research & Identity ausschlaggebend?
- Einhaltung des Vergaberechts:
- Welche Wertgrenzen gab es bei der Wahl des
Vergabeverfahrens zu berücksichtigen?
- Inwiefern wurde das Vergaberecht bei der
Aufteilung einzelner Leistungen auf unterschiedliche
Vergaben berücksichtigt?
i. Welche Leistungen hängen zusammen und welche nicht?
ii. Bitte begründen Sie, inwiefern Leistungen einen separaten
Vergabeprozess rechtfertigen?
- Wurde anderen Unternehmen abgesagt, bevor
die finalen Angebote anderer Interessenten vorlagen?
i. Wenn ja, warum?
ii. Wenn ja, warum wurde nicht mit dem Eintreffen aller finalen Angebote
gewartet?
- Inwiefern wurde vonseiten der
Bundesministerin Schramböck im Rahmen des Entscheidungsprozesses
Vorgaben gemacht?
- Inwiefern wurde vonseiten des
Generalsekretärs im Rahmen des Entscheidungsprozesses Vorgaben
gemacht?
- Inwiefern wurden von Kabinettsmitgliedern
im Rahmen des Entscheidungsprozesses Vorgaben gemacht?
- Gab es Gespräche mit
Interessenten zur Nachbesserung von Angeboten?
i. Wurden im Rahmen solcher Gespräche auch Hinweise bzgl. anderer
vorliegender Angebote gegeben?
- Kosten:
- Wie hoch waren die Kosten für den
gesamten Leitbildprozess? Bitte geben Sie alle damit in Verbindung
stehenden öffentlichen Aufträge samt Höhe der Kosten und
Auftragnehmer an.
- Wie viel budgetärer Spielraum ist
für weitere Evaluierungsschritte vorgesehen und werden weitere
Aufträge/Maßnahmen vorbereitet?
- Umsetzung Leitbildprozess:
- Inwiefern wurden die gesetzten Ziele
erreicht?
i. Welche konkreten Wirkungsziele wurden erfüllt?
- Wie ist der Umsetzungsstand hinsichtlich
der erwähnten Roadmap?
- Was waren die Ergebnisse der im Leitprozess
durchgeführten Mitarbeiter_innen-Umfrage zu Erfahrungen und
Beobachtungen?
- "Regelmäßige Workshops der
Führungskräfte zum Leitbild": Inwiefern wurde diese
Maßnahme umgesetzt und zu welchen Kosten?
- "Laufende Evaluierung der
Führungskultur im BMDW": Inwiefern wurde diese Maßnahme
umgesetzt und zu welchen Kosten?
- Implementierung eines
"institutionalisierten internen Kommunikationsprozesses"
(bessere Feedbackkultur): Inwiefern wurde diese Maßnahme umgesetzt
und zu welchen Kosten?
- Großgruppen-Events: Inwiefern wurden
diese Maßnahmen umgesetzt und zu welchen Kosten?
- Laptop-Taschen: Wie viele wurden bestellt?
Wer war der Auftragnehmer? Wie viel haben diese gekostet?
- Ermittlungen:
- Ist die Vergabe des Leitbildprozesses
Gegenstand von Ermittlungen?
i. Wie ist der Stand der Ermittlungen?
ii. Wie viele Mitarbeiter_innen des BMDW sind von den Ermittlungen
betroffen?
- Welche Konsequenzen haben die laufenden
Ermittlungen auf den Leitbildprozess?
- Konsequenzen für Mitarbeiter_innen:
- Welche Konsequenzen haben die laufenden
Ermittlungen auf die unter Verdacht stehenden Mitarbeiter_innen?
- Welche disziplinarrechtlichen
Maßnahmen wurden im Zusammenhang mit dem Leitbildprozess bisher
gesetzt?
i. Wie viele Mitarbeiter_innen sind davon betroffen?
- Haben sich unter Verdacht stehende
Mitarbeiter_innen im letzten Halbjahr für Führungspositionen
beworben?
i. Wie wird der Status als Verdächtigte(r) im Bewerbungsprozess
berücksichtigt?