10943/J XXVII. GP
Eingelangt am 10.05.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Mangelnde Transparenz des BMSGPK im Umgang mit der Pandemie
Im ersten Jahr der Pandemie zeigte sich rasch, dass die ältere Bevölkerung besonders vulnerabel für das Virus SARS-CoV-2 ist und rasch einen hohen Anteil am Infektionsgeschehen hatte. In Folge dessen rückten Pflegeheime rasch in den Fokus der Öffentlichkeit, Schutzmaßnahmen wurden beispielsweise zu einem medialen Thema (1). Im Juni 2020 wurde aber erstmals mit sommerlichen Lockerungen begonnen und von einer "Rückkehr zum Alltag" gesprochen (2). Fälschlicherweise wurde auf die Regierung vertraut, dass im Herbst erneut (treffsichere) Schutzmaßnahmen eingeführt würden, doch der damalige Gesundheitsminister Anschober führte erst mit Ende Oktober neue Regeln ein: Ab 25. Oktober war von einer erneuten Maskenpflicht in Pflegeheimen die Rede, ab 1. November 2020 hatte jedes Pflegeheim ein eigenes Präventionskonzept vorzulegen (3).
Wenig überraschend führten derartige Vorgaben zu einem öffentlichen Interesse und damit diversen Anfragen - einerseits Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz (4), andererseits parlamentarische Anfragen - ob nun zu einzelnen Pflegeheimen oder grundlegenden Statistiken zu den Todesfällen in Pflegeheimen (5,6). In jedem Fall zeigte sich das Ministerium aber nur bedingt auskunftsfreudig. So waren wochenbezogene Aufschlüsselungen der Todeszahlen nicht möglich (7) und auch genaue Ableitungen für Maßnahmen konnten nicht erklärt werden (8). Ähnlich verhielt es sich mit dem Interesse an den Teststrategien des Ministeriums, immerhin wurden in diesem Zeitraum erstmals Massentests diskutiert und eine breitere Verfügbarkeit von Tests absehbar (9, 10) oder dem Interesse an Fallzahlen und den unterschiedlichen Angaben zu diesen (11,12).
Mangelnde Auskunftsbereitschaft des BMSGPK
Im Laufe der Pandemie hat sich gezeigt, dass das Ministerium bei parlamentarischen Anfragen immer wieder mangels Daten oder Kooperationsbereitschaft der Bundesländer interessante Auslegungen des Interpellationsrechts als Begründung für die Nicht-Beantwortung liefert. Bei Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz gibt es allerdings dezidierte Regeln, die auch schon mehrmals von Gerichten für Institutionen interpretiert werden mussten. Wie nachfolgende Urteile des BVwG zeigen, war die Praxis des BMSGPK, Anfragen mittels automatisierten Formbriefen, die auf mangelnde Ressourcen und die Website des Ministeriums hinweisen, zu beantworten, nicht vom Gesetz gedeckt. Nach Erhalt der abschlägigen Formbriefe stellte der Anfragesteller nach einer Urgenz um Antworten und Auslaufen der Antwortfrist für alle drei Anfragen den Antrag um Ausstellung eines Bescheides über Nichterteilung der Auskünfte. Das BMSGPK stellte Anfang März Bescheide über Nichterteilung der Auskünfte aus, gegen die beim Bundesverwaltungsgericht Einspruch erhoben wurde.
Die Vorgehensweise des Ministeriums gegenüber den Auskunftspflichten führte im Juni 2021 zu einem besonderen Attest von Ignoranz durch den BVwG:
"Der Umstand, dass die belangte Behörde weder bis zum Ablauf der gesetzlichen Beantwortungsfrist des § 3 AuskPflG, noch im Zuge der Erlassung des Bescheides, noch im Zuge der Aktenvorlage offenbar irgendwelche inhaltlichen Erhebungen tätigte, sondern sich allein auf eine pauschale Auslastung dreier genannter Abteilungen bezog, ist selbst angesichts der dargestellten notorisch hohen Auslastung dieser wie anderer besonders befasster Behörden einem Unterlassen jeglicher erforderlicher Ermittlungstätigkeit und somit einer gravierenden Ermittlungslücke gleichzuhalten." (13)
Neben dieser Ermittlungslücke zeigte
sich, dass das Ministerium nicht einmal versuchen wollte, diese zu füllen,
sondern die hohe Auslastung des Ministeriums mit Anfragen als eine
""Quasi-Aussetzung" individueller Bearbeitungen von
Auskunftsersuchen betrachtet werden könnte" - zu Unrecht, wie das
BVwG urteilte (13). Hervorzuheben ist, dass dem Ministerium zufolge bis zu
diesem Zeitpunkt bereits mehrere Schriftstücke betreffend der Verfahren
verloren gegangen waren, was offensichtlich ein Hindernis bei der Abwicklung
der Anfrage darstellte.
Unabhängig davon beurteilte das BVwG im ersten Verfahren, dass das
Ministerium nach einer erneuten Frist von sechs Monaten - also bis 8. Dezember
2021 entweder einen erneuten Bescheid mit einer ordentlichen Begründung
auszustellen habe, oder aber die Fragen beantworten müsse. Erneut
passierte allerdings nichts.
Im Jänner 2022 wurde berichtet, dass der Beschwerdeführer erneut beim BMSGPK um Informationen angesucht hatte, der Gerichtsbeschluss des BVwG allerdings nie in den Akt des Ministeriums gelangte (14) - was hinterfragenswert ist, da alle Schriftstücke im elektronischen Akt (ELAK) landen sollten. Auch zu einer zweiten Anfrage gibt es eine Entscheidung des BVwG, die im wesentlichen die gleichen Verfahrensmängel feststellt (15). Knappe drei Monate später antwortete das BMSGPK dem Beschwerdeführer auf Fragen, allerdings werfen diese Antworten wiederum mehr Fragen auf.
Angaben zu Pflegeheimen: Verordnungen sind keine Weisungen
In der Anfrage zu den Sicherheitsmaßnahmen in Pflegeheimen wurde beispielsweise nach "Weisungen, Erlässen und Handlungsempfehlungen" zum Zeitpunkt der Anfrage - also dem 11. November 2020 gefragt. In der nunmehr vorliegenden Antwort gibt das Ministerium allerdings an, dass es keine Weisungen, Erlässe oder Handlungsempfehlungen zu diesem Zeitpunkt gefunden hätte (16). Mit dieser Antwort widerspricht das Ministerium aber seinen eigenen Presseaussendungen beziehungsweise der damals gültigen Covid-19-Maßnahmenverordnung (17). Natürlich ist anzumerken, dass eine Verordnung eine eigene Kategorie von Rechtsmittel ist, allerdings könnte argumentiert werden, dass die Frage inhaltlich darauf abzielt, welche Richtlinien das Ministerium unabhängig von deren rechtlichen Ausgestaltung an Pflegeheime ausgab und dass diese Absicht der Frage eindeutig erkennbar war. Ebenso fragwürdig im Umgang mit dem Fragesteller ist der Verweis auf die Informationsseite des Ministeriums zu diversen Erlässen betreffend der Pandemie, wenn die dortigen Informationen regelmäßig ausgetauscht werden und zu einer kompletten Kontrolle der Informationen eine langwierige Archivsuche des Internets nötig ist.
Zusätzlich erscheint die Antwort des Ministeriums nach den Fallzahlen aus Altersheimen mehr als zynisch. So gibt das Ministerium auf die Frage, "An welchen Tagen wurden Tabellen mit dem Titel „Anzahl bestätigte COVID19 Fälle in Alten- und Pflegeheimen“ angefertigt?" an: "An keinem Tag. In der täglichen Lage veröffentlicht das BMSGPK zur Thematik Alten- und Pflegeheime nur Grafiken, aber keine Tabellen. Es gibt in der Bundesländermeldung, die täglich erscheint, eine Tabelle mit exakt diesem Namen ("Anzahl bestätige Covid-19 Fälle in Alten- und Pflegeheimen"), doch diese wird von den Bundesländern erhoben und liegt somit in deren Kompetenz."
Das Ministerium definiert mit dieser Antwort nicht, welcher tägliche Lagebericht gemeint ist - der der AGES kann es schließlich nicht sein, wie der Datendownload zeigt (18). Auch im Covid-Transparenzportal ist keine Aufschlüsselung nach Pflegeheimbewohnern angedeutet (19), wobei diese Informationsquellen im November 2020 nicht in dieser Qualität verfügbar waren. So zeigte schon die erste Anfragebeantwortung zu dem Thema, dass das Ministerium anstelle von Fallzahlen nach Kalenderwoche trotz dezidierter Bitte darum kumulierte Zahlen lieferte (20). Erst Monate später im September 2021(21) lieferte das Ministerium tatsächlich Wochenaufschlüsselung. Darüber hinaus erscheint der Verweis auf erstellte Grafiken des Ministeriums ohne verfügbare Zahlen eher zynisch, immerhin benötigt das Ministerium für die zitierten Grafiken wohl Tabellen als Rohdatenquelle. Insofern kann wohl davon ausgegangen werden, dass dem Ministerium trotz zweier erfolgreicher Beschwerden wenig daran liegt, Bereitschaft zur Transparenz zu zeigen.
Teststrategie: nur keine Entscheidungsgrundlagen bekanntgeben
Auch die Anfrage zur Teststrategie war zum damaligen Zeitpunkt berechtigt, immerhin kamen kurz darauf erste Gerüchte über Massentests auf und diese waren von vielen Seiten und auch im Corona-Krisenstab umstritten (22). Unabhängig davon, dass auch in diesem Verfahren das BVwG dem Beschwerdeführer Recht zusprach, stellt sich die Frage, ob die nun erfolgten Antworten des Ministeriums überhaupt als ernst gemeinte Antworten interpretiert werden können. So zeigt das Ministerium wieder einmal sein Verständnis, dass Fragen nur wortwörtlich zu interpretieren seien. Die Frage nach "Kritik" durch Kommissionen wäre ja schließlich wohl kaum als Frage nach einer Wertung seitens des Ministeriums zu verstehen, sondern als Frage, ob zuvor innerhalb der Kommission eine derartige Wertung abgegeben wurde, die in Protokollen erfasst ist. Spätestens bei Berichterstattung zu einer Fragestellung, die derartige Wertungen als "Kritik" kolportiert, könnte das Ministerium dementsprechend getrost davon ausgehen, dass es diese Wertung nicht selbst vornehmen muss. Zu berücksichtigen ist auch, dass dem Ministerium in der Anfrage dezidiert die Möglichkeit einer Übermittlung/ Veröffentlichung der Protokolle als Antwortmöglichkeit angeboten wurde. Eine Lösung, die durch automatische Transparenz des Ministeriums die Anfrage im Vorhinein erspart hätte und auch mehrmals vom Ministerium gefordert wurde. Spannend sind auch die Fragen nach Qualitätskontrollen von Antigentests (die beispielsweise bei Antigentests des Bildungsministeriums laut Anfragebeantwortungen keine Rolle spielten (23)). Zusätzlich zeigte sich, dass viele der Fragen auf Grundsatzfragen der Infrastruktur abzielten, die bis heute nicht geklärt sind.
Datenqualität
Ebenso komplex ist die Frage nach der Datenqualität und diese wurde im Laufe der Pandemie nicht besser. Eines der grundlegenden Probleme des österreichischen Gesundheitssystem ist, dass es zwar eine enorme Menge an Daten gibt, dass diese aber entweder keinem einheitlichen Standard entsprechen oder die zugehörigen Datencontainer sozusagen nicht kommunizieren und deshalb nicht abgeglichen werden (können). Zusätzlich stellen der Föderalismus, die neun Datensysteme und die oftmals vorgeschobene Erklärung von Datenschutz ein Problem dar. So wurde beispielsweise die Impfquote von Anfang an auch auf Gemeindeebene veröffentlicht - möglicherweise, um einen Anreiz zu mehr Impfbereitschaft zu schaffen. Die Daten zu Infektionen sind allerdings nach wie vor nicht auf Gemeindeebene verfügbar, sondern werden - trotz des Listennamens "Timeline-GKZ" nur mit dreistelligem GKZ- und damit Bezirkscode veröffentlicht. An diesem Beispiel der Auskunftserteilung sieht man, dass das BMSGPK sich teilweise auf Informationen beruft, die nicht stimmen. Auch Probleme bei der Datenqualität und beispielsweise unterschiedlichen Infektionsangaben konnten schon Anfang 2021 nicht aufgeklärt werden (24) und sind bis heute nicht ausreichend geklärt, sondern sorgen immer noch für großen "Schluckauf" bei der Pandemieverfolgung (25).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Wie viele Auskunftsersuchen betraf das?
Verfahren "Pflegeheime"
Verfahren "Teststrategie und Antigentests"
Verfahren "Gemeindedaten"