10998/J XXVII. GP
Eingelangt am 18.05.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Alois Stöger,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend
Grenzkontrollen zu Slowenien und Ungarn widersprechen dem Willen des Volkes
Mit BGBl II 185/2022 wurde die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen Österreich und Slowenien sowie zwischen Österreich und Ungarn verordnet.
Die österreichische Bevölkerung hat sich in einer Volksabstimmung für den freien Personenverkehr ausgesprochen. Artikel 77 AEUV Abs 1, lit a lautet: „Die Union entwickelt eine Politik, mit der sichergestellt werden soll, dass Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit beim Überschreiten der Binnengrenzen nicht kontrolliert werden".
Der Gerichtshof der Europäischen Union schreibt in der Pressemeldung 64/22:
„Im Fall einer ernsthaften Bedrohung seiner öffentlichen Ordnung oder seiner inneren Sicherheit kann ein Mitgliedstaat Kontrollen an seinen Grenzen zu anderen Mitgliedstaaten vorsehen, aber ohne eine Gesamthöchstdauer von sechs Monaten zu überschreiten. Nur im Fall einer neuen ernsthaften Bedrohung kann eine erneute Anwendung einer solchen Maßnahme gerechtfertigt sein.
Vor dem Hintergrund der Migrationskrise hat Österreich seit Mitte September 2015 Kontrollen an seinen Grenzen zu Ungarn und Slowenien wiedereingeführt. Diese Kontrollen sind mehrfach wiedereingeführt worden, wobei sich Österreich ab dem 16. Mai 2016 bis zum 10. November 2017 auf vier aufeinanderfolgende Empfehlungen des Rates der Europäischen Union gestützt hat. Ab dem 11. November 2017 hat Österreich auf eigene Initiative für mehrere aufeinanderfolgende Zeiträume von sechs Monaten Kontrollen an seinen Grenzen wiedereingeführt. [...]
Es handelt sich dabei um eine der größten Errungenschaften der EU, nämlich die Schaffung eines Raums ohne Binnengrenzen, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist. Die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen muss daher eine Ausnahme bleiben und sollte nur als letztes Mittel eingesetzt werden.
So erlaubt der Schengener Grenzkodex einem Mitgliedstaat erstens, bei einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit vorübergehend Kontrollen an seinen Grenzen zu anderen Mitgliedstaaten wiedereinzuführen. Jedoch darfeine solche Maßnahme, einschließlich etwaiger Verlängerungen, eine Gesamthöchstdauer von sechs Monaten nicht überschreiten. Der Unionsgesetzgeber hat nämlich einen Zeitraum von sechs Monaten für ausreichend gehalten, damit der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten Maßnahmen erlässt, mit denen einer solchen Bedrohung begegnet werden kann; nach Ablauf dieses Zeitraums von sechs Monaten bleibt der freie Personenverkehr gewahrt.
Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass der Mitgliedstaat eine solche Maßnahme selbst unmittelbar nach Ablauf des Zeitraums von sechs Monaten erneut anwenden kann, wenn er sich einer neuen ernsthaften Bedrohung seiner öffentlichen Ordnung oder seiner inneren Sicherheit ausgesetzt sieht, die sich von der ursprünglich festgestellten unterscheidet, was anhand der konkreten Umstände und Ereignisse zu beurteilen ist.
Zweitens kann der Rat im Fall außergewöhnlicher Umstände, unter denen das Funktionieren des Schengen-Raums insgesamt gefährdet ist, einem oder mehreren Mitgliedstaaten empfehlen, für eine Höchstdauer von zwei Jahren Kontrollen an den Binnengrenzen wiedereinzuführen. Auch nach Ablauf dieser zwei Jahre kann der betreffende Mitgliedstaat, wenn er sich einer neuen ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit ausgesetzt sieht und alle im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, Kontrollen für eine Höchstdauer von sechs Monaten unmittelbar wiedereinführen.
Im vorliegenden Fall scheint Österreich seit dem 10. November 2017, dem Tag des Ablaufs der letzten der Empfehlungen des Rates, nicht nachgewiesen zu haben, dass eine neue Bedrohung vorliegt, so dass die beiden Kontrollmaßnahmen gegenüber NW mit dem Schengener Grenzkodex unvereinbar wären, [...]"
Mit BGBl II 186/2022 hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz festgestellt, dass derzeit kein Staat oder Gebiet ein sehr hohes epidemiologisches Risiko besteht.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehende
ANFRAGE:
1. Für welche Zeiträume wurden Grenzkontrollen zwischen Slowenien und Ungarn seit der Teilnahme beider Nachbarländer am Schengener Grenzkodex verordnet?
2. Welche Gründe gibt es für die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen zur Republik Slowenien und Ungarn ab 12. Mai 2022?
3. Wie wird das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union C-368/20 und C369/20 umgesetzt?
4. Welche neuen ernsthaften Bedrohungsszenarien lagen am 12. Mai 2022 konkret vor?
5. Wurde über diese ernsthaften Bedrohungsszenarien im Ausschuss für innere Angelegenheiten oder im Unterausschuss für innere Angelegenheiten berichtet?
6. Wurde der Nationale Sicherheitsrat zu diesem Thema einberufen?
7. Wie viele Grenzkontrollstellen sind aktuell eingerichtet und wie viele waren es ab 2015 pro Jahr? Bitte listen Sie auch die Eröffnungen/Schließungen unter Nennung der Kontrollstelle pro Jahr auf.
8. Wie hoch ist der stündliche Personalbedarf für diese Grenzkontrollen? Mit welchen Kosten ist das pro Jahr verbunden?
9. Wie viele Stunden finden Grenzkontrollen auf Grund dieser Verordnung statt?
10. Wie hoch ist der Personaleinsatz für diese Aufgaben? Listen Sie diesen bitte pro Grenzkontrollstelle auf.
11. Wurde das notwendige Personal neu aufgenommen?
a. Wenn ja: Wie viele Personen wurden zu diesem Zweck aufgenommen?
b. Wenn nein: Von welchen Dienststellen wurde dieses Personal abgezogen? Bitte die Dienststellen einzeln anführen.
12. Wird das österreichische Bundesheer im Assistenzeinsatz zur Grenzkontrolle herangezogen?
a. Wenn ja: Wie viele Soldat*innen sind im Rahmen des Assistenzeinsatzes durchschnittlich im Dienst?
b. Wenn ja: Werden auch Grundwehrdiener für den Assistenzeinsatz herangezogen?
c. Wenn nein: Warum nicht?
13. Wie hoch sind die Kosten von Grenzkontrollen?