11016/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.05.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Anbaumonopol der AGES

 

Das Suchtmittelgesetz (1) und die Suchtgiftverordnung (2) beschränken beide den Anbau von Cannabis, sodass die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit in diesem Bereich ein bundesweites Monopol innehat. Je nach Interpretation scheinen diese Gesetze auch als Auftrag ausgelegt zu werden (3), sodass die AGES als gesetzlich zum Anbau von Cannabis verpflichtet gesehen werden kann. Die AGES selbst baut seit 2010 Cannabis für medizinische Zwecke an und nutzt dieses im Rahmen von gewerblichen Kooperationen (4). Soweit man weiß, hat die produzierte Menge in den folgenden Jahren von 38 Kilogramm im Jahr 2010 über 142 Kilogramm im Jahr 2013 (5) bis zu 250 Kilogramm im Jahr 2017 rasch zugenommen (6). In logischer Konsequenz ist davon auszugehen, dass auch die Erträge der AGES aus dieser Produktion massiv zugenommen haben, besonders da neuere wissenschaftliche Erkenntnisse den Umgang mit Cannabis-Produkten (THC-Produkte, CBD-Produkte sowie Kombinationspräparate) international stark liberalisiert haben. Eindeutige Informationen zur Geschäftsgebarung der AGES in Bezug auf die Cannabisproduktion gibt es allerdings nicht, da die AGES sich in Bezug auf Cannabis in diesem Bereich regelmäßig auf ihre privatwirtschaftliche Tätigkeit beruft und sich dem Interpellationsrecht zu entziehen versucht (7). 

Dieser Rückzug auf eine privatwirtschaftliche Tätigkeit stellt allerdings eine problematische Erklärung dar. Immerhin führt die AGES diesen Anbau mit einer gesetzlichen Legitimation eines Monopols durch und hat als staatliche Agentur kaum Spielraum für privatwirtschaftliche Unternehmungen, die nicht im Interesse der Steuerzahler sein können. Besonders, da ebenjene Tätigkeiten mit Steuergeldern finanziert werden und die AGES auch der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegt (8). Im Bedarfsfall könnte durch eine seitens des Nationalrats beantragte Prüfung des Rechnungshofs also auch eine Einschau in die wirtschaftlichen Tätigkeiten der AGES erfolgen. Weiters ist eine Argumentation mit der Wettbewerbsfähigkeit der AGES schwierig nachzuvollziehen, immerhin finden die Tätigkeiten der AGES nicht im freien Wettbewerb statt. Die Position als staatliche Agentur führt schließlich dazu, dass die AGES kein wirtschaftliches Risiko trägt und europäische Konkurrenten so leicht unterbieten kann. Fraglich ist lediglich, ob beispielsweise EU-Einrichtungen dieses staatliche Monopol wirklich als wettbewerbskonform beurteilen würden. Immerhin unterbinden das Suchtmittelgesetz und die zugehörige Verordnung das wirtschaftliche Potenzial einer ganzen Pharmasparte. 2016 scheiterte der Versuch einer Marktliberalisierung per Gesetzesurteil noch am Verfassungsgerichtshof (9), seitdem hat sich allerdings einiges geändert.

So haben sich beispielsweise die Einstellung der EU zu CBD-Produkten (10), die Kategorisierung von Cannabis im Suchtmittelkatalog der WHO (11) und auch die Haltung Deutschlands als klassisches Vorbild für Österreich zu Cannabis (12) grundlegend geändert. In Deutschland wird aufgrund der angekündigten Legalisierung von Cannabis ein wirtschaftlicher Nutzen erwartet, Deutschland hat aber schon zuvor für medizinisches Cannabis wettbewerbsrechtlich weitaus unverfänglichere Vorgehensweisen gewählt. So wurde 2019 seitens der deutschen Cannabisagentur europaweit ausgeschrieben, welche Unternehmen für die medizinische Produktion Cannabis anbauen dürfen (13). Schon alleine, weil die Frage der Legalisierung von Cannabis zumindest unter Evaluierung des Verfassungsgerichtshofes ist (14), wäre es daher relevant einen Einblick über die bisherigen wirtschaftlichen Aktivitäten im Bereich von Cannabis in Österreich zu erhalten.

  1. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011040
  2. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011053
  3. https://www.zeit.de/2022/17/cannabis-oesterreich-besitz-konsum-drogenpolitik
  4. https://www.diepresse.com/5463487/lupenreines-cannabis-aus-staatlicher-oesterreichischer-produktion
  5. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_02824/imfname_379956.pdf
  6. https://www.sn.at/panorama/oesterreich/cannabis-aus-staatlicher-oesterreichischer-produktion-31953619
  7. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_10316/index.shtml
  8. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001896
  9. https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH_G_61-2016_Suchtmittelgesetz_Entscheidung_anonym.pdf
  10. https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=233925&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=17101655
  11. https://www.unodc.org/unodc/en/commissions/CND/Mandate_Functions/current-scheduling-recommendations.html
  12. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/cannabis-legalisierung-wie-sich-die-cannabis-branche-auf-das-neue-milliardengeschaeft-vorbereitet/28121464.html
  13. https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis-als-Medizin/Cannabisagentur/_node.html
  14. https://www.derstandard.at/story/2000133210677/vfgh-hat-verfahren-zur-pruefung-des-cannabis-verbots-eingeleitet

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Welche Mengen an Cannabis wurden und werden durch die AGES produziert? (aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2010)
  2. Welche Teile der Pflanzen verarbeitete und verkaufte die AGES in diesen Jahren (Blüten, Blätter, Stängel, Wurzeln, Harz …)?
  3. Welche Sorten/Genetiken/Phänotypen werden für die Zucht verwendet?
    1. Wie hoch ist deren Anteil an THC und CBD?
  1. Wird an der Erforschung neuer Sorten gearbeitet, um die Effizienz der Pflanzen zu erhöhen?
    1. Falls ja, werden die Samen für diese neuen Sorten in Europa zertifiziert und in die EU-Sortenliste eingetragen?
    2. Falls ja, wer erhält die Lizenz-Einnahmen aus dem Verkauf der eingetragenen Samen?
  1. Welchen mengenmäßigen Umfang erreichte der Absatz von pflanzlichen Ausgangsstoffen für Cannabinoid-Arzneien durch die AGES? (aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2010)
    1. Welche Anteile des produzierten Cannabis werden zur Produktion von Cannabinoid-Arzneien verkauft? (aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2010)
  1. Wie hoch war der Mitteleinsatz der AGES für Herstellung und Vertrieb von pflanzlichen Ausgangsstoffen für Cannabinoid-Arzneien? (aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2010)
  2. Wie hoch war der erzielte Gewinn/Verlust der AGES durch den Absatz von pflanzlichen Ausgangsstoffen für Cannabinoid-Arzneien? (aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2010)
  3. Wer sind befugte Arzneimittelhersteller die mit der AGES kooperieren und in welchen Ländern haben diese ihren Hauptsitz?
  4. An welche Arzneimittelhersteller bzw. Forschungseinrichtungen hat die AGES bisher welche Mengen an Cannabis pro Jahr abgegeben? (bitte um Auflistung pro Jahr seit 2010)
  5. Hat die AGES vertragliche Liefervereinbarungen gegenüber Arzneimittelherstellern bzw. Forschungseinrichtung, wenn ja, wer sind die Partner und welcher Art sind diese Vereinbarungen?
  6. Kam es bereits vor, dass die AGES Liefervereinbarungen nicht einhalten konnte?
    1. Falls ja: Wie oft, unter welchen Umständen und welche Folgen hatte dies?
  1. Welche Preissetzungsverfahren werden beim Absatz von pflanzlichen Ausgangsstoffen für Cannabinoid-Arzneien angewandt?
  2. Wie viele MitarbeiterInnen der AGES sind für den Anbau von Cannabis zuständig?
  3. Laut Suchtmittelgesetz dürfen nur Unternehmen Cannabis für die Herstellung von Arzneimitteln anbauen, wenn die AGES mindestens 75 Prozent der Geschäftsanteile inne hat. Kam es bereits vor, dass Unternehmen bei der AGES um Kooperation angesucht haben, um Cannabis für medizinische Zwecke produzieren können?
    1. Falls ja: Bitte um Erläuterung, was sich aus diesen Ansuchen entwickelt hat.
  1. Wie viele Unternehmen bauen gemäß Informationsstand der AGES Cannabis-Nutzpflanzen
    1. für die Produktion von Nahrungsergänzungsmitteln,
    2. als Nahrungsmittel (zB Hanftee),
    3. als THC-Stecklinge,
    4. für Kosmetikprodukte,
    5. als CBD-Pflanzen (also mit einem THC-Gehalt unter 0,3%),
    6. oder etwaige andere Produkte an? (Bitte um Aufschlüsselung der Unternehmensanzahl nach Verwendung der Pflanzen und Jahren seit 2010)
    7. Wie viele dieser Unternehmen sind in der Produktion von CBD-Produkten tätig? (Bitte um Aufschlüsselung der Unternehmensanzahl nach Verwendung der Pflanzen und Jahren seit 2010)
    8. Wie viele in der Produktion von THC-Produkten? (Bitte um Aufschlüsselung der Unternehmensanzahl nach Verwendung der Pflanzen und Jahren seit 2010)
  1. Wie viele Kontrollen von CBD- und/ oder THC-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln bzw. bei CBD-Produkte-Händlern führte die AGES durch? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und kontrollierter Substanz seit 2010)
    1. Wie viele Beanstandungen von Nahrungsergänzungsmitteln in Zusammenhang mit Bestandteilen von Cannabis gab es? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und Beanstandungsgrund seit 2010)
  1. Wie viele Kontrollen von CBD- und/ oder THC-haltigen Kosmetikprodukten führte die AGES durch und welchen Einfluss hatte der Eintrag von CBD in der CosIng-Datenbank auf diese? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und kontrollierter Substanz seit 2010)
    1. Wie viele Beanstandungen von Kosmetikprodukten in Zusammenhang mit Bestandteilen von Cannabis gab es? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und Beanstandungsgrund seit 2010)
  1. Die strengen Regulatorien zur Produktion von Cannabis führen dazu, dass Unternehmen in Österreich nur eingeschränkt in der Produktion von CBD- und/ oder THC-haltigen Produkten tätig sein können. Auch, wenn die österreichische Rechtsansicht auf einer strengeren Handhabung von Cannabis besteht, hat sich in Europa ein Markt mit CBD- und THC-haltigen Cannabisprodukten entwickelt. Wie rechtfertigt die AGES ihre Handhabung unter dem Aspekt der Grundfreiheiten der EU?
  2. Gab es bereits Prüfungen, ob das Anbaumonopol der AGES für Cannabis EU-konform ist?
    1. Falls ja: Was war das Ergebnis dieser Prüfung und welche Rolle spielte das EuGH-Urteil über die Klassifizierung von CBD?
    2. Falls nein: Warum nicht?
  1. Gab es bereits Prüfungen, ob die Interpretation, dass nur die AGES je nach Auslegung für THC- oder in bestimmten Produktkategorien (wie beispielsweise Medizinprodukten) auch CBD-haltige Produkte produzieren darf, EU-konform ist?
    1. Falls ja: Was war das Ergebnis dieser Prüfung und welche Rolle spielte das EuGH-Urteil über die Klassifizierung von CBD?
    2. Falls nein: Warum nicht?