Eingelangt am 18.05.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Fiona
Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Anbaumonopol der AGES
Das Suchtmittelgesetz (1) und die
Suchtgiftverordnung (2) beschränken beide den Anbau von Cannabis, sodass
die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit in diesem Bereich
ein bundesweites Monopol innehat. Je nach Interpretation scheinen diese
Gesetze auch als Auftrag ausgelegt zu werden (3), sodass die AGES als gesetzlich
zum Anbau von Cannabis verpflichtet gesehen werden kann. Die AGES selbst baut
seit 2010 Cannabis für medizinische Zwecke an und nutzt dieses im Rahmen
von gewerblichen Kooperationen (4). Soweit man weiß, hat die produzierte
Menge in den folgenden Jahren von 38 Kilogramm im Jahr 2010 über 142
Kilogramm im Jahr 2013 (5) bis zu 250 Kilogramm im Jahr 2017 rasch
zugenommen (6). In logischer Konsequenz ist davon auszugehen, dass auch die Erträge
der AGES aus dieser Produktion massiv zugenommen haben, besonders da neuere
wissenschaftliche Erkenntnisse den Umgang mit Cannabis-Produkten (THC-Produkte,
CBD-Produkte sowie Kombinationspräparate) international stark
liberalisiert haben. Eindeutige Informationen zur Geschäftsgebarung der
AGES in Bezug auf die Cannabisproduktion gibt es allerdings nicht, da die AGES
sich in Bezug auf Cannabis in diesem Bereich regelmäßig auf ihre
privatwirtschaftliche Tätigkeit beruft und sich dem Interpellationsrecht
zu entziehen versucht (7).
Dieser Rückzug auf eine privatwirtschaftliche
Tätigkeit stellt allerdings eine problematische Erklärung dar.
Immerhin führt die AGES diesen Anbau mit einer gesetzlichen
Legitimation eines Monopols durch und hat als staatliche Agentur kaum
Spielraum für privatwirtschaftliche Unternehmungen, die nicht im Interesse
der Steuerzahler sein können. Besonders, da ebenjene Tätigkeiten mit
Steuergeldern finanziert werden und die AGES auch der Kontrolle des
Rechnungshofes unterliegt (8). Im Bedarfsfall könnte durch eine seitens
des Nationalrats beantragte Prüfung des Rechnungshofs also auch eine
Einschau in die wirtschaftlichen Tätigkeiten der AGES erfolgen. Weiters
ist eine Argumentation mit der Wettbewerbsfähigkeit der AGES schwierig
nachzuvollziehen, immerhin finden die Tätigkeiten der AGES nicht im freien
Wettbewerb statt. Die Position als staatliche Agentur führt
schließlich dazu, dass die AGES kein wirtschaftliches Risiko
trägt und europäische Konkurrenten so leicht unterbieten kann.
Fraglich ist lediglich, ob beispielsweise EU-Einrichtungen dieses staatliche
Monopol wirklich als wettbewerbskonform beurteilen würden. Immerhin
unterbinden das Suchtmittelgesetz und die zugehörige Verordnung das
wirtschaftliche Potenzial einer ganzen Pharmasparte. 2016 scheiterte der
Versuch einer Marktliberalisierung per Gesetzesurteil noch am
Verfassungsgerichtshof (9), seitdem hat sich allerdings einiges
geändert.
So haben sich beispielsweise die Einstellung
der EU zu CBD-Produkten (10), die Kategorisierung von Cannabis im
Suchtmittelkatalog der WHO (11) und auch die Haltung Deutschlands als
klassisches Vorbild für Österreich zu Cannabis (12) grundlegend
geändert. In Deutschland wird aufgrund der angekündigten
Legalisierung von Cannabis ein wirtschaftlicher Nutzen erwartet, Deutschland
hat aber schon zuvor für medizinisches Cannabis
wettbewerbsrechtlich weitaus unverfänglichere Vorgehensweisen
gewählt. So wurde 2019 seitens der deutschen Cannabisagentur europaweit
ausgeschrieben, welche Unternehmen für die medizinische Produktion
Cannabis anbauen dürfen (13). Schon alleine, weil die Frage der
Legalisierung von Cannabis zumindest unter Evaluierung des
Verfassungsgerichtshofes ist (14), wäre es daher relevant einen Einblick
über die bisherigen wirtschaftlichen Aktivitäten im Bereich von
Cannabis in Österreich zu erhalten.
- https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011040
- https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011053
- https://www.zeit.de/2022/17/cannabis-oesterreich-besitz-konsum-drogenpolitik
- https://www.diepresse.com/5463487/lupenreines-cannabis-aus-staatlicher-oesterreichischer-produktion
- https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_02824/imfname_379956.pdf
- https://www.sn.at/panorama/oesterreich/cannabis-aus-staatlicher-oesterreichischer-produktion-31953619
- https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_10316/index.shtml
- https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001896
- https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH_G_61-2016_Suchtmittelgesetz_Entscheidung_anonym.pdf
- https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=233925&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=17101655
- https://www.unodc.org/unodc/en/commissions/CND/Mandate_Functions/current-scheduling-recommendations.html
- https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/cannabis-legalisierung-wie-sich-die-cannabis-branche-auf-das-neue-milliardengeschaeft-vorbereitet/28121464.html
- https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis-als-Medizin/Cannabisagentur/_node.html
- https://www.derstandard.at/story/2000133210677/vfgh-hat-verfahren-zur-pruefung-des-cannabis-verbots-eingeleitet
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Welche Mengen an Cannabis wurden und werden
durch die AGES produziert? (aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2010)
- Welche Teile der Pflanzen verarbeitete und
verkaufte die AGES in diesen Jahren (Blüten, Blätter,
Stängel, Wurzeln, Harz …)?
- Welche Sorten/Genetiken/Phänotypen
werden für die Zucht verwendet?
- Wie hoch ist deren Anteil an THC und CBD?
- Wird an der Erforschung neuer Sorten
gearbeitet, um die Effizienz der Pflanzen zu erhöhen?
- Falls ja, werden die Samen für diese
neuen Sorten in Europa zertifiziert und in die EU-Sortenliste
eingetragen?
- Falls ja, wer erhält die
Lizenz-Einnahmen aus dem Verkauf der eingetragenen Samen?
- Welchen mengenmäßigen Umfang
erreichte der Absatz von pflanzlichen Ausgangsstoffen für
Cannabinoid-Arzneien durch die AGES? (aufgeschlüsselt nach Jahren
seit 2010)
- Welche Anteile des produzierten Cannabis
werden zur Produktion von Cannabinoid-Arzneien verkauft?
(aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2010)
- Wie hoch war der Mitteleinsatz der AGES
für Herstellung und Vertrieb von pflanzlichen Ausgangsstoffen
für Cannabinoid-Arzneien? (aufgeschlüsselt nach Jahren seit
2010)
- Wie hoch war der erzielte Gewinn/Verlust der
AGES durch den Absatz von pflanzlichen Ausgangsstoffen für
Cannabinoid-Arzneien? (aufgeschlüsselt nach Jahren seit 2010)
- Wer sind befugte Arzneimittelhersteller die
mit der AGES kooperieren und in welchen Ländern haben diese ihren
Hauptsitz?
- An welche Arzneimittelhersteller bzw.
Forschungseinrichtungen hat die AGES bisher welche Mengen an Cannabis pro
Jahr abgegeben? (bitte um Auflistung pro Jahr seit 2010)
- Hat die AGES vertragliche
Liefervereinbarungen gegenüber Arzneimittelherstellern bzw.
Forschungseinrichtung, wenn ja, wer sind die Partner und welcher Art sind
diese Vereinbarungen?
- Kam es bereits vor, dass die AGES
Liefervereinbarungen nicht einhalten konnte?
- Falls ja: Wie oft, unter welchen
Umständen und welche Folgen hatte dies?
- Welche Preissetzungsverfahren werden beim
Absatz von pflanzlichen Ausgangsstoffen für Cannabinoid-Arzneien
angewandt?
- Wie viele MitarbeiterInnen der AGES sind
für den Anbau von Cannabis zuständig?
- Laut Suchtmittelgesetz dürfen nur
Unternehmen Cannabis für die Herstellung von Arzneimitteln anbauen,
wenn die AGES mindestens 75 Prozent der Geschäftsanteile inne hat.
Kam es bereits vor, dass Unternehmen bei der AGES um Kooperation angesucht
haben, um Cannabis für medizinische Zwecke produzieren können?
- Falls ja: Bitte um Erläuterung, was
sich aus diesen Ansuchen entwickelt hat.
- Wie viele Unternehmen bauen gemäß
Informationsstand der AGES Cannabis-Nutzpflanzen
- für die Produktion von
Nahrungsergänzungsmitteln,
- als Nahrungsmittel (zB Hanftee),
- als THC-Stecklinge,
- für Kosmetikprodukte,
- als CBD-Pflanzen (also mit einem THC-Gehalt
unter 0,3%),
- oder etwaige andere Produkte an? (Bitte um
Aufschlüsselung der Unternehmensanzahl nach Verwendung der Pflanzen
und Jahren seit 2010)
- Wie viele dieser Unternehmen sind in der
Produktion von CBD-Produkten tätig? (Bitte um Aufschlüsselung
der Unternehmensanzahl nach Verwendung der Pflanzen und Jahren seit 2010)
- Wie viele in der Produktion von
THC-Produkten? (Bitte um Aufschlüsselung der Unternehmensanzahl nach
Verwendung der Pflanzen und Jahren seit 2010)
- Wie viele Kontrollen von CBD- und/ oder
THC-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln bzw. bei
CBD-Produkte-Händlern führte die AGES durch? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Jahren und kontrollierter Substanz seit 2010)
- Wie viele Beanstandungen von
Nahrungsergänzungsmitteln in Zusammenhang mit Bestandteilen von
Cannabis gab es? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und
Beanstandungsgrund seit 2010)
- Wie viele Kontrollen von CBD- und/ oder
THC-haltigen Kosmetikprodukten führte die AGES durch und welchen
Einfluss hatte der Eintrag von CBD in der CosIng-Datenbank auf diese?
(Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und kontrollierter Substanz
seit 2010)
- Wie viele Beanstandungen von
Kosmetikprodukten in Zusammenhang mit Bestandteilen von Cannabis gab es?
(Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und Beanstandungsgrund seit
2010)
- Die strengen Regulatorien zur Produktion von
Cannabis führen dazu, dass Unternehmen in Österreich nur
eingeschränkt in der Produktion von CBD- und/ oder THC-haltigen
Produkten tätig sein können. Auch, wenn die österreichische
Rechtsansicht auf einer strengeren Handhabung von Cannabis besteht, hat
sich in Europa ein Markt mit CBD- und THC-haltigen Cannabisprodukten
entwickelt. Wie rechtfertigt die AGES ihre Handhabung unter dem Aspekt der
Grundfreiheiten der EU?
- Gab es bereits Prüfungen, ob das
Anbaumonopol der AGES für Cannabis EU-konform ist?
- Falls ja: Was war das Ergebnis dieser
Prüfung und welche Rolle spielte das EuGH-Urteil über die
Klassifizierung von CBD?
- Falls nein: Warum nicht?
- Gab es bereits Prüfungen, ob die
Interpretation, dass nur die AGES je nach Auslegung für THC- oder in
bestimmten Produktkategorien (wie beispielsweise Medizinprodukten) auch
CBD-haltige Produkte produzieren darf, EU-konform ist?
- Falls ja: Was war das Ergebnis dieser
Prüfung und welche Rolle spielte das EuGH-Urteil über die
Klassifizierung von CBD?
- Falls nein: Warum nicht?