11033/J XXVII. GP
Eingelangt am 18.05.2022
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS
Genossinnen und Genossen,
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Umstände der Rückführung der 4-jährigen Diana
Trotz gerichtlicher Feststellung, dass es im Falle einer Rückführung zu einer "erheblichen psychischen Belastung des Mädchens" kommen werde, sowie zu einer "Traumatisierung und nachhaltigen Schädigung"[1], ist die 4-jährige Diana (Doppelstaatsbürgerschaft Österreich/USA) am 20.1.2022 zu ihrem Vater in die USA "rückgeführt" worden. Dianas Mutter, eine österreichische Staatsbürgerin, ist im August 2019 vor psychischer und physischer Gewalt durch den Noch-Ehemann und Vater der gemeinsamen Tochter zurück in ihr Heimatland Österreich geflüchtet.
Die Rückführung von Diana wurde nach den Regelungen des Haager Kindesentführungs- übereinkommens (HKÜ) getroffen, eines multilateralen Abkommens über zivilrechtliche Aspekte internationaler Kindesentführungen. Laut HKÜ hat die Mutter Diana aus den USA entführt. So hatte es der Vater eingeklagt, so haben US-amerikanische und österreichische Gerichte entschieden.[2] Das Kindeswohl hätte hier in den Vordergrund gerückt werden müssen.
Diana wurde am 20. Jänner 2022 in der Früh ihrer Mutter im Pyjama abrupt, gewaltsam und ohne die Möglichkeit, persönliche Gegenstände mitzunehmen, abgenommen. Sie wurde laut Angaben ihrer Mutter im nassen Pyjama, da sie sich aus Angst verständlicherweise eingenässt hat, ohne Frühstück, Kleidung, Spielsachen etc. von - vermutlich - Polizei und Gerichtsvollzieher*innen in ein Auto verfrachtet und zum Flughafen gebracht. Genaue Informationen sind bis jetzt nicht bekannt da sich die durchführenden Personen nicht ausgewiesen haben und bis heute noch kein Protokoll dieser Amtshandlung vorliegt. Das kleine Mädchen sei sehr verängstigt und im Schock gewesen. Die Rückführung wurde vollzogen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was Diana möchte und zum Wohl des Kindes ist, obwohl dem Gericht bekannt war, dass Diana wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in ständiger psychotherapeutischer Behandlung ist.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Wer waren die handelnden Personen vor Ort?
2. Welche Person/Personen hat/haben den Vollzug koordiniert?
3. Welche spezielle Ausbildung in der Rückführung von Kindern hatten die zwei verantwortlichen Gerichtsvollzieherinnen vor Ort?
4. Wie wurden die handelnden Personen vor Ort auf den Einsatz vorbereitet? Gab es eine Beratung durch psychologisch geschultes Personal für einen möglichst humanen und das Kindswohl nicht gefährdenden Vollzug?
a) Wenn nein, warum nicht?
5.
Wie haben Sie vor den Vorfall
zu untersuchen?
a) Wenn nicht, warum nicht?
6. Wer wird den Vorfall untersuchen?
7. Bis wann liegen Ergebnisse der Untersuchung vor?
8. Welche Konsequenzen wird es geben, wenn Nicht-Beachtung bzw. Verstöße gegen das Kindeswohl Ergebnis der Untersuchung sind?
9. Wie wurde in dieser Situation das Kinderrecht auf Gesundheit und Schutz vor körperlicher und seelischer Gewalt gewährleistet?
10. Welche Maßnahmen wurden getroffen, um Körperverletzung durch Traumatisierung des Kindes zu verhindern?
a) Wenn keine Maßnahmen getroffen wurden, warum nicht?
b) Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um eine mögliche Körperverletzung durch Traumatisierung in Zukunft zu verhindern?
11. Wird es Konsequenzen für die durchführenden Personen geben?
a) Wenn ja, welche und auf welcher Grundlage?
b) Wenn nein, warum nicht?
12. Wie wurde in dieser Situation das Grundrecht auf Menschenwürde gewährleistet?
a) Wenn nicht, warum nicht?
13. Wie wurde in dieser Situation das Kinderrecht auf Achtung vor der Meinung des Kindes gewährleistet? (Alle Kinder sollen als Personen ernst genommen, respektiert und in Entscheidungen einbezogen werden.)
a) Wenn nicht, warum nicht?
14. Gibt es Richtlinien für die handelnden Personen bei der Vollziehung solcher Rückführungen von Minderjährigen?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn nein, warum nicht?
15. Wie ist Ihre juristische Einschätzung der Vereinbarkeit von oben beschriebenen Kinderrechten mit der Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ)?
a) warum wurde §13 HKÜ negiert, das Kindeswohl nicht an erste Stelle gerückt?
b) Warum wurden Beweise und Vorlagen der Kindesmutter ignoriert, die eindeutig belegen, dass diese weder in die USA einreisen kann noch ihr zumutbar ist, wieder dorthin zu reisen?
c) warum wurde das Rückführungshindernis der alleinigen Obsorge des KV in den USA ignoriert, wenn es durch diese Entscheidung zur sofortigen Trennung von Mutter und Kind kommt, was durch ein Gericht als schwere Kindeswohlgefährdung gewertet wurde?
d) warum wurde nicht darauf eingegangen, dass durch eine Rückführung des Kindes der Ursprungszustand im Herkunftsland in jedem Fall nicht wiederhergestellt wird, so wie es das HKÜ eigentlich vorsieht, da dort in jedem Fall Mutter und Kind sofort voneinander getrennt worden wären?
16. Wurden Sie als Ministerin vorab über diese Rückführung informiert?
a) Wenn ja, an welchem Tag genau und von welcher Organisation des BMJ?
b) Wenn nein, warum nicht?
17. Wurden seitens des BMJ vor der Rückführung geprüft, ob das Kindeswohl gefährdet ist bzw. sichergestellt ist?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, wie genau?
18. Warum war es nicht möglich, dass persönliche Gegenstände noch gepackt werden und Diana warme Straßenkleidung anziehen konnte?
19. Eine Rückführung kann eine extreme psychische Belastung für ein Kind sein. Zwei der vier Grundprinzipien der Kinderrechtskonvention beruhen auf dem Recht auf Gleichbehandlung und dem Wohl des Kindes als höchstes Gut. Können Sie garantieren, dass diese Rechte von Diana gewahrt wurden?
a) Wenn ja, anhand welcher Indikatoren können Sie dies festmachen?
b) Wenn nein, womit rechtfertigen Sie dann Ihr Vorgehen?
20. Haben Sie im Vorfeld der Rückführung Gespräche mit der für Kinder zuständigen Ministerin Raab geführt?
a) Wenn ja, mit welchen Inhalten und welchem Ergebnis?
b) Wenn nein, warum nicht?
21. Wird bei Rückführungen von Kindern und Jugendlichen im Vorfeld Rücksprache mit dem für Kinder und Jugendliche zuständigen Ministerium geführt?
a) Wenn ja, wie oft war dies 2020 und 2021 der Fall?
22. Ist ein Vorgang wie der oben beschriebene der übliche Weg, ein Kind zu verbringen?
a) Wenn ja, warum?
b) Wenn nein, wie läuft eine solche Kindesabnahme sonst ab?
23. Warum wurde das Jugendamt nicht mit eingebunden? Warum bekam das Jugendamt am Tage der Kindesabnahme keinerlei Auskünfte vom Gericht über den Aufenthaltsort von Diana?
24. Warum wird im Beschluss nicht mit einem Wort das Kindeswohl erwähnt? Ein Jahr zuvor wurde gerichtlich festgestellt, dass das Kind nicht dem Vater übergeben werden kann, wenn keine sichere Bindung zu diesem besteht - warum wurde dies ignoriert?
25. Warum wurde eine Richterin für befangen erklärt die das Kindeswohl It. HKÜ berücksichtigt hat?
26. Wurde das Kindeswohl durch die zuständige Richterin nochmals geprüft?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn das Kindeswohl geprüft wurde, warum findet sich dann keinerlei Dokumentation darüber im HKÜ - Akt?
c) Wenn Vorkehrungen zur Sicherung des Kindeswohls getroffen wurden, warum wurden diese nicht im HKÜ - Akt dokumentiert?
27. Warum ist das Protokoll der Kindesabnahme nicht Teil des Gerichtsaktes?