11058/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.05.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz 

betreffend Nein zur Massenüberwachung

Überwachungsmaßnahmen jeder Art, die in die Privatsphäre der Bürger_innen eingreifen, sind auf Grund ihrer Eingriffsintensität mit großem Bedacht anzuordnen. Generell dürfen Eingriffe in die private Kommunikation von Personen nur auf der Grundlage eines individuellen Verdachts vorgenommen werden. Nichtsdestotrotz präsentierte die EU-Kommission am 11. Mai 2022 eine sehr umstrittene Maßnahme: die flächendeckende, automatisierte, präventive Analyse jeglicher privater Kommunikation und ebnet damit der Totalüberwachung den Weg. Ein spezifischer Verdacht ist laut diesem Entwurf für die Durchforstung privater Konversationen im digitalen Raum nicht mehr notwendig. Stattdessen stehen alle Nutzer_innen zukünftig unter Generalverdacht (DerStandard, 11.05.2022).  

Ab sofort sollen Messenger- und Email-Anbieter dazu verpflichtet werden, suspekte Inhalte, die über ihre Dienste verbreitet werden zu erkennen, zu melden und zu entfernen (Europäische Kommission, 11.05.2022). Um dies umzusetzen ist eine anlasslose Massenüberwachung durch eine vollautomatisierte Echtzeit-Chatkontrolle und damit die Abschaffung des digitalen Briefgeheimnisses notwendig, was sowohl der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs als auch den Grundrechten aller EU-Bürger_innen auf Achtung der Privatsphäre, auf Datenschutz und auf freie Meinungsäußerung widerspricht (Prof. Dr. Ninon Colneric, 2021). Unterstützt sollen private Dienstleistungsanbieter in der Umsetzung dieser neuen Verpflichtungen zukünftig von einem eigens dafür geschaffenen, unabhängigen EU-Zentrum werden. Dieses EU-Zentrum soll als Bindeglied zwischen privaten Online-Diensten und staatlichen Behörden fungieren, fehlerhafte Berichte der privaten Online-Dienste identifizieren und verhindern, dass diese die Strafverfolgungsbehörden erreichen, und relevante Berichte rasch an Strafverfolgungsbehörden weiterleiten (Europäische Kommission, 11.05.2022).

Die Erstverantwortung Straftäter im digitalen Raum zu identifizieren, wird damit auf private Anbieter übertragen. Die Zweitverantwortung soll bei einem EU-Zentrum liegen und erst in einem dritten Schritt kommt der Staat ins Spiel. Dabei gehört die Ermittlung von Straftaten in einem Rechtsstaat aber in die Hände unabhängiger Beamt_innen und unter gerichtliche Aufsicht. Damit wird die Verantwortung des Staates auf private Konzerne, die überhaupt nicht darauf ausgelegt sind Straftaten aufzuklären, abgewälzt.  

Natürlich ist der Staat dringend aufgefordert gegen Straftaten im Internet, insbesondere sexualisierte Gewalt und Kinderpornographie, vorzugehen. Dazu braucht es jedoch zielgerichtete Maßnahmen gegen Straftäter. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Inwiefern setzen Sie sich auf europäischer Ebene gegen den vorgeschlagenen Entwurf für die EU-Verordnung zur Chatkontrolle und das damit einhergehende Risiko der Massenüberwachung ein?
  2. Inwiefern werden Sie sicherstellen, dass es zu keiner flächendeckenden automatisierten, präventiven Analyse privater Kommunikation durch Messenger- und Email-Provider kommt?
  3. Inwiefern wird sich Ihr für den Datenschutz zuständiges Ressort genau für eine datenschutzkonforme Lösung für die EU-Verordnung zur Chatkontrolle einsetzen? 
  4. Inwiefern setzen Sie sich für den Schutz des durch den vorgeschlagenen Entwurf für die EU-Verordnung zur Chatkontrolle gefährdeten Rechts auf Privat- und Familienleben und Rechts auf Datenschutz ein?  
  5. Welches Ressort wird in Österreich für die Umsetzung der genannten unionsrechtlichen Vorgaben zuständig sein?
  6. Trifft sich Ihr Ressort zum Thema Chatkontrolle mit Stakeholdern?
    1. Wenn ja, mit welchen genau?
    2. Steht Ihr Ressort im Austausch mit Menschenrechtsorganisationen?
    3. Steht Ihr Ressort im Austausch mit Datenschutzexpert_innen?
    4. Steht Ihr Ressort im Austausch mit Unternehmen, die Überwachungstechnologien anbieten?
    5. Steht Ihr Ressort im Austausch mit Messenger- und Email-Providern, die von der EU-Verordnung betroffen wären?
  1. Wie bereitet sich Ihr Ressort auf die auf die geplante EU-Verordnung vor?