11101/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.05.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Struktur der psychotherapeutischen Versorgung

 

1992 wurden die Sozialversicherungsbeiträge erhöht, damit Psychotherapie und klinisch-psychologische Leistungen in den Pflichtleistungskatalog der Versicherungsträger aufgenommen werden können (1). In den folgenden zwanzig Jahren wurde der Zuschuss zur Psychotherapie allerdings nicht wertangepasst und verblieb damit auf einem für Patienten niedrigen Niveau von knapp 22 Euro (2). Die SVS erhöhte den Zuschussbetrag 2020 (3), bei der ÖGK können Patienten mit dem bisherigen Betrag durchschnittlich ein Fünftel des Preises für eine Behandlungseinheit von der Krankenkasse zurück erhalten - allerdings auch nur für zehn Einheiten und mit einer vorherigen Überweisung einer Medizinerin. Diese Zuschussregelung war zu Beginn lediglich als Übergangslösung bis zur Schaffung eines Gesamtvertrages gedacht - anstelle eines Gesamtvertrages wurde sie aber zu einer rund dreißig jährigen Dauerlösung. Sieht man sich die Statistiken der Versicherungsträger aber an, zeigt sich, dass die Anzahl der Patienten mit bezuschussten Therapieplätzen im Jahresvergleich leicht abgenommen hat, wobei nicht alle Bundesländer vollständige Daten für 2020 liefern konnten (4). Klar ersichtlich ist aber, dass nur ein sehr kleiner Teil der Versicherten Psychotherapie bei einem Vertragspartner nutzen kann oder einen Kostenzuschuss erhält.

 

 

Patienten bei Vertragspartnern

Patienten mit Kostenzuschüssen

Quote Vertragspartner

Quote Zuschüsse

ÖGK Burgenland

3502

2404

1,6

1,1

ÖGK Kärnten

5317

3648

1,2

0,8

ÖGK Niederösterreich

12224

8423

1

0,7

ÖGK Oberösterreich

10701

9723

0,8

0,8

ÖGK Salzburg

5783

3143

1,2

0,7

ÖGK Steiermark

10441

7325

1

0,7

ÖGK Tirol

 

4533

 

0,7

ÖGK Vorarlberg

2972

2576

0,9

0,8

ÖGK Wien

14079

15533

0,8

0,9

SVS

1854

7073

0,2

0,6

 

Wie genau diese Patienten abgewickelt werden und wie viel für deren Behandlung von den Versicherungsträgern bezahlt wird, ist allerdings unklar. Für die Versorgung bei Vertragspartnern gibt es mangels Gesamtvertrag keine Lösung wie bei Ärzten, sondern in fast allen Bundesländern wurden von den jeweiligen Landeskrankenkassen Versorgungsvereine mit der psychotherapeutischen Versorgung beauftragt. Trotz der Zusammenlegung der Krankenkassen zur ÖGK konnte diese aber nicht immer klar aufschlüsseln, wie viele Vereine diese Aufgabe übernommen haben und wie viele Therapeuten für diese arbeiten (4). Was verwunderlich ist, da zumindest die ÖGK eine Liste aller Vertragspartner und Clearingstellen veröffentlicht hat(5).

Stelle

Vereine

Psychotherapeuten

Wien

23

X

Niederösterreich

12

430

Oberösterreich

X

X

Steiermark

X

357

Burgenland

2

69 + X

Kärnten

10

X

Salzburg

X

350

Tirol

1

X

Vorarlberg

X

73

SVS

X

X

BVAEB

X

X

Indirekt ist man bei der Kasse aber mit der Lösung der Vereine zufrieden, da diese eine Clearingaufgabe in der Zuweisung von Patienten übernehmen. Unklar ist allerdings, wie in den verschiedenen Bundesländern von einheitlichen Angeboten die Rede sein kann, wenn Clearingstellen, Vertragsvereine, Vertragsinstitute oder Beratungshotlines die gleiche Leistung erbringen sollen. Welcher Patient welche Behandlung benötigt, sollte allerdings schon bei der Zuweisung durch den behandelnden Arzt evaluiert werden. Wer sich dabei für eine vollbezahlte Behandlung qualifiziert, hat allerdings oft Wartezeiten, bis es freie Plätze zur Behandlung gibt. In Folge der Pandemie und der anhaltenden Diskussion über psychische Gesundheit kündigte die ÖGK an, die Kassenplätze auszubauen, von 2015 bis 2020 sollen diese bereits von 60.000 auf 80.000 Plätze erhöht worden sein (6). Unklar ist allerdings, wie viele Patienten wie lange in Therapie sind und wie diese Vollzeittherapieplätze berechnet werden - denn von den einzelnen Behandlungsdauern wird es wohl abhängig sein, ob die Wartezeiten damit wirklich reduziert werden können. 

Auf Basis des teilweise mangelnden Überblicks über erbrachte Leistungen und besonders die Abrechnungsmodalitäten gibt es allerdings einige Punkte, die nicht konkret geklärt werden können. So ist nicht direkt nachvollziehbar, wie sich die Tätigkeit für einen Versorgungsverein auf das Einkommen von Psychotherapeuten auswirkt oder ob sich ähnlich wie bei Kassenärzten nicht die Frage stellt, ob eine Wahltätigkeit nicht die attraktivere Version der Berufsausübung ist. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob ein Ausbau der Kassenplätze überhaupt möglich ist und sich die nötigen Psychotherapeuten dafür finden lassen. 

In der Debatte über psychische Versorgung zeigte sich, dass zwar mittlerweile das ganze Land bereit ist, das Angebot für psychiatrische, psychotherapeutische und teilweise psychologische auszubauen. In der Psychiatrie können vom Bund zwar zumindest in Krankenhausstrukturen Vorgaben über den Ausbau gemacht werden, oft bleiben die Krankenhäuser aber hinter diesen Vorgaben zurück (7) und in der Versorgung über die Psychosozialen Dienste weiß niemand, wie hoch der Versorgungsanteil ist. In der niedergelassenen Versorgung sowie bei der Psychotherapie hat sich zusätzlich gezeigt, dass das Ministerium seine koordinierende Rolle nur bedingt wahrnimmt und nötige Maßnahmen zu einem überbrückenden Ausbau über einzelne Projekte und ebenso mithilfe von Vereinen abgewickelt werden müssen. Ein nachhaltiger Ausbau und eine dauerhafte Regelfinanzierung sind damit aber kaum möglich, weshalb es wichtig wäre, einen weiteren vertiefenden Überblick über das aktuelle Angebot zu erhalten.

  1. https://jasmin.goeg.at/1522/1/PT-Inanspruchnahme%20und%20Finanzierung%20Version%202020_bf.pdf
  2. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120110_OTS0021/1992-2012-recht-auf-kassenfinanzierte-psychotherapie-kein-grund-zum-feiern
  3. https://www.derstandard.at/story/2000117852883/psychotherapie-zuschuss-fuer-selbststaendige-verdoppelt
  4. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_05445/index.shtml
  5. https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/load?contentid=10008.765164&version=1646758058
  6. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2098698-Ergotherapie-auf-Kassenkosten-Psychotherapie-im-Ausbau.html
  7. https://www.addendum.org/kinderpsychiatrie/therapieplaetze/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

  1. Wie viele Vereine sind in Österreich mit der Bereitstellung von Psychotherapie als Sachleistung beauftragt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Kassen und Bezirken)
  2. Wie viel wurde diesen Vereinen jeweils für die Bereitstellung von Psychotherapie durch die Versicherungsträger bezahlt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Verein, Versicherungsträger und Bundesland für die vergangenen drei Jahre)
  3. Wie viele Patienten wurden in den vergangenen drei Jahren bei Vertragspartnern behandelt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Verein, Versicherungsträger, Bundesland und Jahren ebenso für alle Unterfragen)
    1. Wie viele dieser Patienten waren bereits davor in Psychotherapeutischer Behandlung (für die Kosten erstattet wurden)?
    2. Wie lange dauerte es jeweils durchschnittlich, bis nach Antragstellung ein Behandlungsplatz zur Verfügung stand?
    3. Wie viele Sitzungen wurden bei Vertragseinrichtungen durchgeführt? 
  1. Wie vielen Patienten wurde in den vergangenen drei Jahren eine Kostenerstattung für Psychotherapie genehmigt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Versicherungsträger, Bundesland und Jahre ebenso für alle Unterfragen)
    1. Für wie viele Sitzungen wurde um eine Kostenerstattung angesucht?
    2. Wie viele Patienten erhielten für bis zu zehn Therapieeinheiten einen Erstattungsbetrag?
    3. Wie viele Patienten erhielten für mehr als zehn Therapieeinheiten einen Erstattungsbetrag?

                                          i.    Wie lange dauerte es durchschnittlich von Antragstellung bis zur Genehmigung eines Antrags auf Kostenerstattung für mehr als zehn Therapieeinheiten? (je Bundesland und Versicherungsträger) 

                                        ii.    Für wie viele Therapieeinheiten wurde durchschnittlich eine Kostenerstattung genehmigt? (je Bundesland und Versicherungsträger)

    1. Wie hoch waren die Rechnungsbeträge für die um Erstattung angesucht wurde?
    2. Wie hoch ist aktuell der Erstattungsbetrag der jeweiligen Versicherungsträger?
    3. Wie hoch waren die Kostenerstattungen für psychotherapeutische Behandlungen?
  1. Wie viele Patienten waren in den vergangenen drei Jahren bei Einrichtungen der Länder wie etwa dem Psychosozialen Dienst in psychotherapeutischer Behandlung, ohne dass es seitens eines Versicherungsträgers eine Kostenerstattung dafür gab? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahren)
    1. Wie viele Sitzungen wurden in Einrichtungen der Länder durchgeführt?
    2. Wie viele dieser Patienten waren bereits zuvor in psychotherapeutischer Behandlung, für die eine Kostenerstattung genehmigt worden war?
    3. Wie lange dauerte es durchschnittlich, bis Patienten einen Behandlungsplatz in Landeseinrichtungen erhalten?
  1. Wie viele Patienten wurden in den vergangenen drei Jahren in Krankenhäusern psychotherapeutisch behandelt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahren)
    1. Wie viele  Sitzungen wurden in Krankenhäusern durchgeführt?
    2. Wie viele dieser Patienten waren bereits zuvor in psychotherapeutischer Behandlung, für die eine Kostenerstattung genehmigt worden war?
    3. Wie lange dauerte es durchschnittlich, bis Patienten einen Behandlungsplatz in einem Krankenhaus erhielten?