1112/J XXVII. GP
Eingelangt am 27.02.2020
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Anfrage
des Abgeordneten Amesbauer
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Verbesserungspotentiale beim Entlassungsprozedere von psychisch kranken Personen
Anfang Februar erschütterte eine schreckliche Bluttat in Graz-St. Peter die Steiermark. Eine 33-jährige Mutter zweier Kinder wurde auf offener Straße von einem ihr völlig unbekannten Mann mit einem Messer attackiert. Die schwer verletzte Frau erlag wenige Stunden später ihren Verletzungen. Bei dem für den schrecklichen Angriff mutmaßlich verantwortlichen Täter handelte es sich laut Medienberichterstattung um einen psychisch kranken 27 Jahre alten Grazer. Besonders erschütternd mutet der Umstand an, dass der Beschuldigte offensichtlich nur einen Tag vor seiner Tat aus einer psychiatrischen Einrichtung entlassen wurde:
„[…] Der Beschuldigte wohnte in unmittelbarer Nähe des Tatortes bei seinen Eltern. Nachdem er am 21. Dezember 2019 einen Suizidversuch unternommen hatte, soll er sich in psychiatrischer Behandlung befunden haben. Erst am Tag vor der Tat wurde er aus dem Spital entlassen. Seit gestern wird er wieder in einer Anstalt ‚vorläufig angehalten‘. Es wird ein Gutachten erstellt, das zur Einweisung (Unzurechnungsfähigkeit bei der Tat) führen könnte. Bei der Einvernahme gab er die Tat gegenüber den Mordermittlern des Landeskriminalamtes zu. Er wisse, was er getan habe. Er habe irgend jemanden töten wollen. Die Grazerin, die in Tatortnähe in einer Arztpraxis arbeitete, war ihm zufällig begegnet. ‚Die Frau war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Das hätte jedem anderen Passanten passieren können‘, so ein Ermittler. […]“ (Quelle: Printausgabe der „Kleinen Zeitung“ vom 6. Februar 2020, Seiten 16 und 17)
Gerade der Umstand, dass sich der Angreifer nur wenige Stunden vor seiner Bluttat noch in stationärer psychiatrischer Behandlung befand, wirft zahlreiche Fragen über die Umstände seiner Unterbringung bzw. seiner Entlassung auf, die im Zuge der gegenständlichen Anfrage Aufklärung finden sollen. An dieser Stelle gilt es festzuhalten, dass es den Anfragestellern nicht um kollektive Schuldzuweisungen gegenüber Personal im medizinischen oder juristischen Dienst geht, sondern darum, wie derartige Vorfälle künftig besser verhindert werden können bzw. inwiefern Verbesserungen im Bereich der Entlassungsabläufe und der gesetzlichen Rahmenbedingungen angebracht erscheinen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Wie oft wurden Gerichte gemäß § 17 Unterbringungsgesetz (UbG) – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – verständigt, dass eine Person ohne Verlangen in eine psychiatrische Abteilung aufgenommen wurde?
2. In wie vielen Fällen gelangte das Gericht – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – gemäß § 20 UbG bei der anschließenden Anhörung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen (Abs. 1)?
3. In wie vielen Fällen gelangte das Gericht – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – gemäß § 20 UbG bei der anschließenden Anhörung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Unterbringung nicht vorliegen (Abs. 2)
4. In wie vielen Fällen wurde – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – gegen die Entscheidung des Gerichts, wonach die Voraussetzungen der Unterbringung nicht vorliegen, gemäß § 20 Abs. 2 Rekurs erhoben?
5. In wie vielen Fällen wurde diesen Rekursen in weiterer Folge stattgegeben?
6. In wie vielen Fällen traf das Gericht – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – gemäß § 26 UbG am Ende der mündlichen Verhandlung die Entscheidung, dass die Unterbringung zulässig ist?
7. In wie vielen Fällen traf das Gericht – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – gemäß § 26 UbG am Ende der mündlichen Verhandlung die Entscheidung, dass diese nicht zulässig ist?
8. In wie vielen Fällen – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – wurde gegen die Entscheidung des Gerichts, wonach die Unterbringung unzulässig ist, gemäß § 26 Abs. 3 Rekurs erhoben?
9. In wie vielen Fällen wurde diesen Rekursen in weiterer Folge stattgegeben?
10. In wie vielen Fällen – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – wurde gegen die Entscheidung des Gerichts, wonach die Unterbringung zulässig ist, seitens des Patienten bzw. durch dessen Vertreter gemäß § 28 Abs. 1 Rekurs erhoben?
11. In wie vielen Fällen wurde diesen Rekursen in weiterer Folge stattgegeben?
12. Welche Unterbringungsfristen wurden seitens des Gerichts – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – gemäß § 26 Abs. 2 UbG durchschnittlich festgesetzt?
13. In wie vielen Fällen kam es – aufgegliedert nach Jahren 2016 bis 2019 und zuständigen Bezirksgerichten – gemäß § 30 UbG in weiterer Folge zu einer Verlängerung dieser Fristen?
14. Handelte es sich im gegenständlichen Fall in Graz um eine Unterbringung (lt. medialer Berichterstattung im Dezember 2019 wegen eines Suizidversuches eingeliefert) ohne Verlangen?
a. Wenn ja, wann langte die Verständigung gemäß §17 UbG beim zuständigen Bezirksgereicht ein?
b. Wenn ja, wurde die Unterbringung seitens des Gerichts bestätigt?
c. Wenn ja, welche Unterbringungsfrist wurde in der mündlichen Verhandlung festgesetzt?
d. Wenn ja, wurde die Unterbringungsfrist gemäß § 30 UbG verlängert?
e. Wenn ja, gab es eine Aufhebung der Unterbringung seitens des zuständigen Bezirksgerichts?
15. Wie viele Fälle im Zeitraum 2016 bis 2019 sind Ihnen bekannt, wo es nach Aufhebung oder Beendigung einer Unterbringung zu Vorfällen kam, welche Gesundheit oder Leben der betroffenen oder anderer Personen gefährdet haben?
16. Ist seitens Ihres Ressorts eine Novellierung des Unterbringungsgesetzes in Planung oder Ausarbeitung?
a. Wenn ja, welche Novellierungen sind in Planung oder Ausarbeitung?
b. Wenn nein, sollte eine Anpassung oder Änderung im Hinblick auf den tragischen Vorfall in Graz nicht überprüft werden?