11124/J XXVII. GP

Eingelangt am 31.05.2022
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Anfrage

 

des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

betreffend Ausbau des Öffentlichen Verkehrs in Graz

 

Am 24. Mai stellte die dunkelrot-grün-rote Grazer Rathauskoalition ihr Expertenpapier zum Ausbau des Öffentlichen Verkehrs in der Landeshauptstadt vor. Geprüft wurde von den sechs Fachleuten in dem knapp 280 Seiten starken Papier unter anderem die Konzepte für eine U-Bahn, eine S-Bahn sowie für einen reinen Straßenbahnausbau. Die Regierungspartner legten sich im Rahmen der Pressekonferenz auf die Variante eines S-Bahn-Tunnels fest, welche Konzeption genau erfolgen soll wird bis zum Jahresende geklärt. Konkret heißt es in einem Bericht der „Kleinen Zeitung“ dazu vom 24. Mai 2022: „Zwei S-Bahn-Varianten sind für die Politik noch im Rennen, jene mit einem kurzen (5,9 Kilometer) und einem langen (7 Kilometer) Tunnel. ‚Und dann haben wir noch das S-Bahn-Papier von Verkehrsplaner Willi Hüsler im Köcher, der ja vor Längerem von Stadt und Land beauftragt wurde‘, so Schwentner. Bis Jahresende sollen die städtischen Fachleute daraus ein Konzept machen. Und mit dem geht die Politik dann in die Verhandlungen mit Land und Bund.“ (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/6143852/Keine-Volksbefragung_DreierKoalition-legt-sich-fest_Graz-will)

 

Von der zuvor groß im Gemeinderat der Stadt Graz angekündigten Volksbefragung möchte man im Rathaus hingegen nichts mehr wissen. Bürgermeisterin Kahr und Vizebürgermeisterin Schwentner erteilen dieser eine klare Absage. Konkret heißt es dazu: „‘Sie sehen an dem Bericht, wie komplex diese Frage ist. Das würde für eine Ja/Nein-Frage überfordern‘, so Schwentner. Und Kahr, deren KPÖ-Klubchefin Christine Braunersreuther im Gemeinderat noch eine Befragung versprochen hatten? ‚Man muss zu dem Punkt kommen, wo man den Experten vertraut.‘ Außerdem sei es ohnehin ‚fünf nach 12‘ für eine Entscheidung.“

 

Die politische Zielvorgabe für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs war eine Steigerung des ÖV-Anteils bei den Alltagswegen auf 30 Prozent. Trotz der mittelintensiven Ausbaupläne ist dies jedoch unrealistisch, wie Experten festhalten. In einem weiteren Bericht der „Kleinen Zeitung“ vom 27. Mai 2022 heißt es dazu: „Werte um die 25 Prozent sind das Maximum. Die politische wie fachliche Schlussfolgerung: Nur mit dem Angebot (Pull-Faktor) ist es nicht getan, es braucht auch zusätzliche, einschränkende Maßnahmen (Push-Faktor).“ (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/6144626/Zehn-Antworten-zum-OeVKonzept-fuer-Graz_Was-den-SBahnTunnel-von) Wie diese Einschränkungen genau aussehen werden, darf von den täglichen Pendlern mit Spannung erwartet werden.

 

Klar ist jedoch, dass alle ÖV-Konzepte auf einem "Referenzfall" fußen, bei dem es bereits etwa eine Verdichtung des S-Bahn-Taktes, ein viergleisiger Ausbau Graz-Peggau sowie vier Nahverkehrsknoten (Gösting, Reininghaus, Seiersberg-Pirka, Neuholdaugasse) gibt. Dies ist insofern interessant, als zumindest für den Nahverkehrsknoten Gösting die Planungen seitens des Bundes bzw. der ÖBB derzeit auf Eis liegen. So heißt es in einer Beantwortung einer FPÖ-Anfrage durch das Umweltministerium vom 14. Dezember 2020 (3782/AB) dazu: „Konkrete Zeitpläne zur Umsetzung waren nicht Ziel der Machbarkeitsprüfung und liegen daher derzeit noch nicht vor. Der Ausbau eines Nahverkehrsknoten mit S-Bahn-Anbindung in Gösting ist im aktuell gültigen Zielnetz 2025+ nicht enthalten. Die Aufnahme soll im Zuge der Fortschreibung des Zielnetzes 2040 evaluiert werden. Für die Errichtung einer Nahverkehrsdrehscheibe in Graz Gösting wären umfangreiche Umbauten bzw. Optimierung der bestehenden Bahninfrastruktur erforderlich (z.B.: Errichtung von Inselbahnsteigen, Errichtung eines Personentunnels, infrastrukturelle Anpassungen an Hauptgleisen etc.).“

 

Darüber hinaus setzen die Planungsgrundlagen des Expertenpapiers auch weitere, umfassende Infrastrukturprojekte der Steiermark als bestehend voraus, um die vorgestellten Varianten realisieren zu können. So heißt es beispielsweise im Zusammenhang mit den S-Bahn-Tunneln: „Die Zulaufstrecke im Süden (Südbahn zur GKB) für den S-BahnTunnel verläuft im Gebiet der Gemeinde Seiersberg-Pirka. Aufgrund der Ausfädelung bei der Südbahn bei gleichzeitiger Errichtung der Güterzugspange Südbahn-Ostbahn muss das ganzheitlich geplant werden. Dies kann eine zeitliche Verzögerung bedeuten.“ (Quelle: ÖVS Graz

Endbericht, Seite 239 /

https://assets.kleinezeitung.at/images/downloads/f/6/c/oevs_graz_endbericht-mai_202220220524132956.pdf) Für eine derartige Errichtung liegen zwar bereits Planungskorridore im Bereich der Flächenwidmungen vor, von einer tatsächlichen Umsetzung ist man jedoch noch viele Jahre entfernt.

 

Da es sich bei den nunmehr durch die Stadt Graz angestellten Planungen im Rahmen der Präsentation des Expertenpapiers um Überlegungen handelt, welche einerseits einen enormen Mitteleinsatz verlangen und andererseits auf der Annahme von Voraussetzungen aufbauen, welche bei weitem nicht gegeben sind, richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zur Klärung des Sachverhaltes und im Sinne der Grazer Bevölkerung folgende

 

Anfrage

 

1.    Ist Ihnen oder Ihrem Ministerium das Expertenpapier „ÖSV Graz Endbericht“ bereits bekannt?

2.    Wenn ja, seit wann?

3.    Welche der vorgestellten Maßnahmen präferieren Sie bzw. die Experten aus Ihrem Ministerium?

4.    Gab es bereits Gespräche über die Kostenteilung für die vorgestellten Varianten eines S-Bahn-Tunnels?

5.    Wenn ja, wann fanden diese statt und was war deren konkreter Inhalt?

6.    Wenn ja, ist Ihr Ministerium bereit, die von der Stadt Graz erwarteten 80 Prozent der Kosten mitzufinanzieren?

7.    Gab es bereits Gespräche mit dem Land Steiermark über die Kostenteilung für die vorgestellten Varianten eines S-Bahn-Tunnels?

8.    Wenn ja, wann fanden diese statt und was war deren konkreter Inhalt?

9.    Wurden seitens der Stadt Graz bereits Gespräche mit dem Ministerium über die Herstellung des im Expertenpapier angenommenen „Referenzfalles“ geführt?

10. Wenn ja, wann fanden diese statt und was war deren konkreter Inhalt?

11. Wenn ja, mit welcher Beteiligung seitens des Bundes zu den veranschlagten weiteren 2,5 Milliarden Euro Ausbaukosten ist hierbei zu rechnen?

12. Im „Referenzfall“ wird auch die Schaffung von vier Nahverkehrsknoten angenommen, wie gestalten sich die Planungen zur Umsetzung dieser?

13. Gemäß einer vorangegangenen Anfragebeantwortung (3782/AB) ist der Verkehrsknotenpunkt Gösting nicht in den Planungen zum „Zielnetz 2025+“ enthalten. Ist eine Aufnahme des Verkehrsknotenpunktes aufgrund der Wichtigkeit im „Referenzfall“ für Graz angedacht?

14. Wenn ja, bis wann ist mit einer Weiterführung der konkreten Planungen zu rechnen?

15. Wenn nein, warum nicht?

16. Wenn nein, welche Auswirkungen hat dies auf den Umsetzungszeitrahmen für den geplanten S-Bahn-Tunnel in der steirischen Landeshauptstadt?

17. Wird der im Expertenpapier mehrfach geforderte Ausbau der steirischen Ostbahn und die Errichtung einer Güterzugspange zur Südbahn nunmehr vorangetrieben?

18. Wenn ja, wie gestalten sich die Planungen hinsichtlich dieses Ausbaus konkret?

19. Wenn ja, wann ist mit einer Umsetzung dieser Forderungen zu rechnen?

20. Wenn nein, wie können die Pläne der Stadt Graz bei einem Wegfall einer solch grundlegenden Maßnahme noch realisiert werden?

21. Welche Rolle spielt die starke CO-Intensivität eines Tunnelbaus bei der Entscheidung über eine mögliche Mitfinanzierung seitens der Bundesregierung?

22. Werden Sie sich im Sinne der Bürgerbeteiligung für eine Volksbefragung zu den präsentierten Ausbauplänen des Öffentlichen Verkehrs in Graz einsetzen?

23. Wenn ja, wie gedenken Sie dies zu tun?

24. Wenn nein, warum nicht?

25. Wie weit sind die Verhandlungen zur angekündigten 15a-Vereinbarung zum Ausbau des Straßenbahnverkehrs in der Landeshauptstadt Graz bereits fortgeschritten und was ist der derzeitige konkrete Stand?

26. Wie hoch sind die Finanzmittel, die der Stadt Graz und dem Land Steiermark im Rahmen dieser 15a-Vereinbarung zur Verfügung gestellt werden sollen?

27. Handelt es sich dabei um eine Drittel-Finanzierung, wie von der Stadt Graz erwartet?

28. Wann werden diese Gelder konkret zur Verfügung gestellt?

29. Werden die von der Stadt Graz vorgestellten Projekte auch seitens der ÖBB mitgetragen?

30. Wenn ja, wie genau finden die notwendigen Ausbaupläne in den kurz-, mittel- und langfristigen Planungen der ÖBB Niederschlag?

31. Wenn nein, werden derzeit Gespräche mit den ÖBB über die Implementierung der vorgestellten Pläne in die Planungen der Bundesbahnen geführt?

32. Wenn ja bei Frage 31, wie gestalten sich diese Gespräche konkret?

33. Wenn nein bei Frage 31, wie soll eine Umsetzung der vorgestellten Pläne ohne ein Mitwirken der ÖBB gelingen?