11157/J XXVII. GP

Eingelangt am 02.06.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Arbeit

betreffend Fragen zur Verlängerung der Kurzarbeit

 

Am 12. Mai twitterte AMS-Chef Kopf kritisch zur Kurzarbeit: "Kurzarbeit war notwendig, erfolgreich und teuer. Wie jedes gute Medikament hat sie aber auch Nebenwirkungen. Vor allem bei längerer Dauer. 1) Verhindert notwendige Strukturanpassungen, 2) hortet Arbeitskräfte, die wo anders gebraucht werden, 3) macht abhängig, 4) Missbrauchsgefahr" (1). Einige Tage später gab Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher allerdings bekannt, genau das Gegenteil zu machen: die Verlängerung der Kurzarbeit bis Ende des Jahres (2).

Auch das WIFO stellte kürzlich fest, dass die österreichische Kurzarbeit vergleichsweise üppig ausgestaltet ist: "Wie sich zeigt, sind die Kurzarbeitsregelungen in Österreich vergleichsweise großzügig. Zudem wird die Kurzarbeit hierzulande relativ breit in Anspruch genommen" (3). Was wenig überrascht, denn in diesem Zusammenhang bemerkte der Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht, dass die Regierung und das AMS praktisch 1:1 die Kurzarbeitseinigung der Sozialpartner (AK, ÖGB, WK) übernommen haben. Die Sozialpartner sind von Eigeninteressen geleitet, was sich folglich in höheren Kurzarbeitskosten niederschlug (4).

Problematisch ist hier leider auch, dass der Arbeits- und Wirtschaftsminister als ehemaliger IHS-Chef zwar äußerst kompetent ist, aber leider über keine politische Hausmacht verfügt und dementsprechend ein Handicap besitzt, günstige und bessere Kurzarbeitsregelungen durchzusetzen. So sah das IHS im Jahr 2020 unter Chef Martin Kocher die Kurzarbeit durchaus kritisch: "Die Kurzarbeit würde auch Strukturprobleme zudecken und zu negativen Beschäftigungseffekten führen" (5). Auch in seiner Anfangsphase als Minister wies Martin Kocher noch auf die Nachteile der Kurzarbeit hin: "Arbeitsminister Martin Kocher sieht die Dynamik am Arbeitsmarkt durch die Corona-Kurzarbeit gebremst und den steigenden Fachkräftemangel als wachsendes Problem" (6). 2022 scheint Martin Kocher aber nun wie ausgetauscht.

Kurzarbeit als Inflationstreiber

Mittlerweile verursacht die Kurzarbeit immer mehr Probleme. So kamen Anfang Mai 2022 von 4.700 Betrieben in Kurzarbeit 921 aus der Gastronomie (7). Gerade die Gastronomie beklagt allerdings einen Arbeitskräftemangel (8). Offensichtlich hält die Kurzarbeit mit Steuergeld Menschen in Jobs „ohne“ Arbeit, während genau diese Arbeitskräfte an anderer Stelle dringend gebraucht werden. Zusätzlich führt der Arbeitskräftemangel zu mangelnden Produktionsressourcen in vielen Wirtschaftssektoren. Diese wiederum führen zu einer Angebotsverknappung, die inflationstreibend wirkt. Die Verlängerung der Kurzarbeit trägt daher auch zu einer erhöhten Inflation bei.

Fachkräftemangel: Lukrative Ausgestaltung der Kurzarbeit setzt keine Anreize, sich neuen Vollzeitjob zu suchen

Hinzu kommt, dass laut aktuellen Informationen (Pressekonferenz und Medien) an den bestehenden KUA-Modalitäten kaum etwas geändert werden soll, obwohl die Corona-KUA-Regelung deutlich teurer ist als die KUA-Regelung vor der Pandemie, was den Steuerzahlern Milliarden kostet und den Fachkräftemangel zusätzlich verstärkt. So garantiert die aktuelle Kurzarbeitsvariante deutlich höhere und konstante Ersatzraten (je nach Einkommen 80% oder 90%) als die ursprüngliche Variante, die degressiv ausgestaltet war - höhere Arbeitsausfallzeiten, geringere Ersatzrate (siehe Grafik). Die ursprüngliche Variante hat somit den Anreiz gesetzt, dass Kurzarbeiter mit größeren Arbeitsausfallzeiten eher motiviert waren, in einen neuen Job mit Vollzeit zu wechseln, um das Einkommen entsprechend hochzuhalten. Gerade in Zeiten des akuten Fachkräftemangels müsste daher die KUA-Ersatzrate zumindest degressiv ausgestaltet sein – mal davon abgesehen, dass man sie in der aktuellen Situation komplett streichen könnte. Aber das ist nicht zu erwarten. Auch für Unternehmen ist die bestehende Kurzarbeitsregelung deutlich lukrativer als die Vor-Corona-Kurzarbeitsregelung, obwohl von der Kurzarbeitshilfe mittlerweile 15 Prozent abgezogen werden.

Enorme direkte und indirekte Kosten

Insgesamt hat die Kurzarbeit bereits 11 Mrd. Euro gekostet (9), wobei hier die indirekten Kosten noch nicht eingerechnet sind: Kosten durch Verstärkung des Fachkräftemangels und die zusätzlichen, künftigen Pensionskosten. Denn was die Pensionsbemessungsgrundlage betrifft, wird nämlich auch während der Kurzarbeit von der ursprünglichen, höheren PV-Bemessungsgrundlage ausgegangen, was längerfristig weitere Milliarden kostet. Ähnlich ist es bei den Arbeiterkammern, deren Beiträge sich weiterhin an der ursprünglichen Bemessungsgrundlage bemessen sollen, wodurch die Arbeiterkammern die Kurzarbeiter noch bis Ende des Jahres mit mehr als der erlaubten 0,5 Prozenten AK-Umlage belasten. Für die Wirtschaftskammer-Umlage 2 war hier zumindest immer das niedrigere Kurzarbeitsgehalt als Bemessungsgrundlage vorgesehen (10).

 

Vergleich der Ersatzraten der Kurzarbeitsvarianten nach Ausmaß des Arbeitsausfalls: vor Pandemie und aktuell

 

Quelle: WIFO, eigene Darstellung

Quellen:

 

(1) https://twitter.com/JohannesKopf/status/1524675246623793152

(2) https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2147712-Kurzarbeit-geht-in-die-Verlaengerung.html

(3) https://www.wifo.ac.at/publikationen/studien?detail-view=yes&publikation_id=67020

(4) https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/news/news/aktuelles/COVID-19-Kurzarbeit.html

(5) https://kurier.at/wirtschaft/ihs-kurzarbeit-nicht-nur-vorteilhaft/400979843

(6) https://www.trend.at/wirtschaft/martin-kocher-kurzarbeit-facharbeiter-mangel-12044189

(7) https://twitter.com/JohannesKopf/status/1524669872663322624

(8) https://orf.at/stories/3260317/ 

(9) https://www.derstandard.at/story/2000135684638/corona-kurzarbeit-kostete-bis-ende-maerz-rund-9-6-milliarden

(10) https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/?contentid=10007.863605&portal=oegkdgportal

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Das alte Kurzarbeitsmodell führte bei höheren Arbeitszeitausfällen zu niedrigeren KUA-Ersatzraten, wodurch mittelfristig ein stärkerer Anreiz gesetzt wurde, sich in einen neuen Job mit Vollzeit umzuorientieren:
    1. Wieso wird bei der KUA-Verlängerung dennoch auf die konstant hohe Nettoersatzrate von 80 bzw. 90 Prozent gesetzt, unabhängig vom Arbeitszeitausfall?
    2. Wie sehr verstärkt diese "Vollkasko"-KUA-Regelung den Fachkräftemangel zusätzlich (siehe Tweet Johannes Kopf vom 12.5.) und wie hoch sind die daraus resultierenden, KUA-bedingten Gesamtkosten des verstärkten Fachkräftemangels?
  1. Der Rechnungshof kritisierte erst kürzlich, dass sich die Corona-KUA-Regelung zu sehr den Eigeninteressen der Sozialpartner orientiert und die Experten des AMS und des Arbeitsministeriums praktisch nicht eingebunden wurden:
    1. Inwiefern braucht es die Sozialpartner für die KUA-Regelung, wenn es bei AMS und im Arbeitsministerium genug Experten für die Ausgestaltung einer KUA-Regelung gibt?
    2. Wird bei der KUA-Verlängerung eine von den Eigeninteressen-getriebenen Sozialpartnern unabhängige KUA-Regelung vorlegt werden?
  1. Wie sehr reduziert eine um ein Prozent höhere KUA-Ersatzrate die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kurzarbeiter in einen alternativ verfügbaren Vollzeitjob wechselt?
  2. Von welchen Aufwänden für die Kurzarbeit gehen Sie für 2022 aus? (je Monat)
  3. Von wie vielen Kurzarbeitern gehen Sie für 2022 aus? (je Monat)
  4. Wie hoch waren die Aufwände für Kurzarbeit seit 2009? (je Jahr)
  5. Wie viele Kurzarbeiter gab es seit 2009 im Monatsschnitt? (je Jahr)
  6. Wird sich bei der neuen Kurzarbeitsregelung weiterhin die AK-Umlage an der ursprünglichen Bemessungsgrundlage orientieren?
    1. Wenn ja, wie lässt sich das mit dem AK-Gesetz vereinbaren? Denn durch diese Regelung steigt die AK-Umlage für Kurzarbeiter (umgelegt auf den niedrigeren KUA-Bezug) über die gesetzlich erlaubte Höchstgrenze von 0,5 Prozent des Bruttobezuges.