11163/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.06.2022
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Anfrage

 

der Abgeordneten Litschauer, Schwarz, Hammer, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Finanzen 

 

 

betreffend Eigentümerinteressen in der ÖBAG in Verbindung mit Lieferverträge mit der OMV 

 

BEGRÜNDUNG 

 

Laut Medienberichten gibt es begründete Befürchtungen, dass in der Zeit von Rainer Seele als OMV-Chef Ungereimtheiten aufgetreten sind, wobei natürlich die Unschuldsvermutung auch hier gilt. Es habe Deals zwischen ihm und dem Compliance-Verantwortlichen der OMV, Robert Eichler, gegeben; in den Lieferverträgen zwischen der OMV und Gazprom sollen Rücktrittsklauseln gefehlt haben; die Dauer der Lieferverträge und Zahlungsverpflichtung Österreichs bei nicht-Abnahme des Gases aus Russland sollen ebenfalls branchenunüblich gewesen sein; die öffentlichen Interessen der Versorgungssicherheit und Bekämpfung des Klimawandels scheinen keine Rolle gespielt zu haben. Es ist unklar, ob alle relevanten Institutionen und Akteur*innen von diesen Vorgängen gewusst haben; nichtdestotrotz stellen sich einige Fragen in diesem Zusammenhang.

 

Der Bund hält über die Österreichische Beteiligungsaktiengesellschaft (ÖBAG) 31,5% an der OMV. Die ist ihrerseits in einem Syndikatsvertrag mit dem Staatsfonds Mubadala aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auf der Homepage der ÖBAG ist über die OMV zu lesen:

 

„Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil der OMV Unternehmensstrategie. Die OMV unterstützt den Übergang zu einer CO2-ärmeren Wirtschaft und hat messbare Ziele für die Reduzierung der CO2-Intensität und die Einführung neuer Energie- und petrochemischer Lösungen festgelegt.“

 

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage ob, sollte die mediale Darstellung stimmen, diese Darstellung der OMV mit diversen Behauptungen aber insb. dem Geschäftsverhältnis zwischen der OMV und der Gazprom vereinbar sind und ob die ÖBAG für eine Entlastung von Herren Seele in der Hauptversammlung der OMV am 03.06.2022 stimmen kann.

 

Die ÖBAG selbst steht in 100%igem Besitz des Bundes. Laut § 2 ÖIAG-Gesetz, die rechtliche Grundlage der ÖBAG, hat der Bundesminister für Finanzen in den Haupt- und Generalversammlungen die Eigentümerrechte auszuüben. Der Vorstand der ÖBAG hat den Bundesminister für Finanzen zudem laut § 6 Abs. 4 ÖIAG-Gesetz über alle wesentlichen Angelegenheiten zu informieren und hat überdies Aufforderungen für sämtliche Informationen Folge zu leisten.

 

Der Bundesminister für Finanzen ist seinerseits im Budgetvollzug und in der Verwaltung des Bundesvermögens, auch im Rahmen der ÖBAG, an das Bundeshaushaltsgesetz (BHG) gebunden. Dieses stellt in § 2 Abs. 3 BHG die, auf der Bundesverfassung basierenden, Grundsätze der Haushaltsführung dar. Dazu gehören unter anderem das Ziel der Preisstabilität, des sozialen Fortschritts und ein hohes Maß an Umweltschutz.

 

Das Risiko eines Wirtschaftseinbruchs und großem sozialen Schaden durch ein mögliches Gasembargo gegen oder durch Russland ist derzeit nicht von der Hand zu weisen und ein Resultat der verfehlten Verpflichtungen der OMV. Auch das Risiko, die ambitionierten österreichischen Klimaziele zu verfehlen oder völkerrechtliche Verpflichtungen zu verletzen, wie bspw. das Pariser Klimaschutzabkommen, scheint lastet schwer, bspw. durch die lange Lieferfrist. Auch der budgetäre Schaden am Bundesvermögen durch eine „take-or-pay“ Klausel, also eine Zahlungsverpflichtung der OMV an die Gazprom, auch bei nicht-Abnahme des Gases von österreichsicher Seite, wäre groß.

 

Es muss hier für Transparenz gesorgt werden, denn sollte der Aufsichtsrat der OMV nicht oder nicht ausreichend über die Verträge und Verpflichtungen der OMV informiert worden sein, ist eine Entlastung von Herrn Seele schwer zu argumentieren. Sollte die ÖBAG von den Entscheidungen gewusst haben und den Bundesminister für Finanzen nicht informiert haben, stellt sich die berechtigte Frage warum. Und sollte letztendlich auch der Bundesminister für Finanzen informiert worden sein, stellt sich die Frage, wie das Verhalten der OMV mit den Zielen laut BHG vereinbar ist.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende 

 

 

ANFRAGE 

 

1)    Welche Eigentümerinteressen wurden durch das BMF in den Hauptversammlungen und Generalversammlungen der ÖBAG und ihrer Vorgängerinnen in Verbindung mit der strategischen Ausrichtung der OMV eingebracht?

2)    Sieht das BMF strategische Interessen der öffentlichen Hand durch die Beteiligung an der OMV erreicht?

3)    Wurde die Aufnahme des Versorgungsauftrags in die Statuten der OMV vorgeschlagen? Falls nein, warum nicht?

4)    Wurde die Aufnahme der Erreichung der Klimaziele Österreichs in die Statuten der OMV vorgeschlagen? Falls nein, warum nicht?

5)    Liegen dem BMF die Lieferverträge zwischen der OMV und der Gazprom im Rahmen der Vertretung der Eigentümerinteressen bei der ÖBAG oder in einer anderen Funktion vor?

6)    Waren dem BMF Liefer- und Zahlungsmodalitäten zwischen Gazprom und OMV bekannt?

a)    Falls nein, warum nicht?

b)    Falls ja:

i)     Welche Position hat das BMF im Rahmen der Hauptversammlung der ÖBAG eingenommen?

ii)    Zu welchem Zeitpunkt wurden die Liefer- und Zahlungsmodalitäten dem BMF zur Kenntnis gebracht?

7)    Kann das BMF das Fehlen einer Ausstiegsklausel im Falle von kriegerischen Auseinandersetzungen bestätigen? Wie steht das BMF als Eigentümervertreter in der ÖBAG zu einer solchen Klausel?

a)    Falls das BMF das Fehlen einer Ausstiegsklausel nicht bestätigen oder widerlegen kann, warum nicht?

8)    Kann das BMF die Relevanz einer „take-or-pay“ Klausel bestätigen? Wie steht das BMF als Eigentümervertreter in der ÖBAG zu einer solchen Klausel?

a)    Falls das BMF die Relevanz einer „take-or-pay“ Klausel nicht bestätigen oder widerlegen kann, warum nicht?

9)    Wenn Östereich einer Analyse der AEA folgend bis 2027 seine Abhängigkeit von russischem Erdgas beendet und seine Erdgasmengen bis dahin entsprechend substituiert bzw. einspart, also ab dem Jahr 2027 kein Erdgas mehr aus Russland bezieht, auf welchen Betrag belaufen sich die Kosten, die bis 2040 laut den abgeschlossenen Lieferverträgen dennoch entstehen?

10) Hat das BMF Wahrnehmungen zu den genauen Zahlungsmodalitäten die vereinbart worden sind, bspw. Zahlungsprocedere oder Währung?

a)    Falls das BMF keine Wahrnehmungen hat, warum nicht?

b)    Falls ja, wer wusste zu welchem Zeitpunkt darüber Bescheid?

11) Kann das BMF die Dauer der Lieferverträge bis 2040 bestätigen?

a)    Welche finanziellen Risiken bestehen für die öffentliche Hand durch diese, selbst für die Branche sehr langen, Liefervereinbarungen, bspw. durch eine nicht-Einhaltung der Klimaziele und wie hoch sind die Klimazielverfehlungen und Strafzahlungen aus der gänzlichen Erfüllung der Lieferverträge?

b)    wurde eine derartige Kostenfolgeabschätzung vonseiten des BMF bei Abschluss der Verträge vorgenommen? Falls ja, was war deren Ergebnis und falls nein, warum nicht?

c)    Wie sind die langen Liefervereinbarungen mit dem Ziel eines hohen Maßes an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität laut § 2 Abs. 3 BHG vereinbar?

12)  Wurden bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge finanzielle und klimapolitische Kosten- und Folgeanalysen vom BMF durchgeführt?

13) Hatte das BMF 2018 von den Inhalten der Vertragsverlängerung Kenntnis?

a)    Falls nein, warum nicht?

b)    Falls ja, welche Position bzgl. der Liefervertragsverlängerung hat das BMF im Rahmen der Hauptversammlung der ÖBAG eingenommen?

14) Rainer Seele hat Österreich 2018 als einen der wichtigsten Abnehmer für russisches Gas bezeichnet, woraufhin Putin ihm einen Freundschaftsorden versprach? Betrachtete das BMF Rainer Seeles Tätigkeit als ausreichend objektiv für die Ausübung seiner Tätigkeit und falls nein, wieso wurden keine Schritte zur Wahrung der österreichischen Interessen in der OMV getätigt?

15) Wie ist die hohe Abhängigkeit von einer Quelle für Erdgas mit den Grundsätzen der Preisstabilität und wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft laut § 2 Abs. 3 BHG vereinbar?

16) Gab es in der Zeit unter der Führung von OMV-Chef Rainer Seele Interventionen durch ihn oder andere Vertreter*innen der OMV im BMF, die einer Reduktion des Erdgasverbrauches aus russischen Quellen in Österreich entgegenwirken sollten?

a)    Falls ja, waren diese erfolgreich?

17) Wurde das BMF von der ÖBAG über die Sondervereinbarungen zwischen Herrn Seele und dem damaligen Compliance-Chef der OMV, Herrn Eichler, informiert?

a)    Falls nein, warum nicht?

b)    Falls ja, wann?

c)    Falls ja, sieht das BMF hier einen Interessenskonflikt?

18) Wurde das BMF durch die ÖBAG, die im Rahmen ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat der OMV von Entscheidungen des OMV-Vorsitzes informiert werden muss, von den Entscheidungen des Vorsitzes bzgl. den Lieferverträgen zwischen Gazprom und der OMV von der OMV informiert?

a)    Falls ja, wann und wer wurde konkret informiert?

b)    Falls nein, warum nicht?

19) Wurde der Umfang dieser Lieferverträge und das finanzielle Volumen und das Gesamtrisiko in den Geschäftsberichten der OMV dargestellt? Erfüllen diese Darstellungen die Anforderungen zur ausreichenden Informationen der Aktionär*innen?

20) Wie wird das Sponsoring für den russischen Fußballclub Zenit St. Petersburg in Höhe von insgesamt 25 Mio. EUR bewertet? Ist diese Summe gerechtfertigt und wie berechnet sich der Werbewert für die OMV aus diesem Sponsering?

21) Sieht das BMF die Eigentümerinteressen gewahrt, wenn Herr Seele mit Zustimmung der ÖBAG durch den Aufsichtsrat der OMV entlastet wird?

a)    Wenn ja, warum?

b)    Wenn nein, warum nicht?