11201/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.06.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
betreffend
Ende der Modernisierung des Energiecharta-Vertrags

 

Aktuellen Plänen zufolge sollen die Verhandlungen zur Modernisierung des Energiecharta-Vertrags am 24.6. zu einem Agreement of Principle führen. Dem Chefverhandler Lukas Stifter zufolge konnte eine Einigung zu den meisten der 25 Themenfelder bereits gefunden werden.[1] Auch wenn diese Ergebnisse leider nicht öffentlich bekanntgegeben werden dürfen, müsste es der Bundesregierung und Ihrem Bundesministerium bereits möglich sein, die Verhandlungen und deren Erfolgsaussichten abschätzen zu können. Daher muss es auch bereits möglich sein, eine Einschätzung zu treffen, ob ein modernisierter Energiecharta-Vertrag in Übereinstimmung mit den Pariser-Klimazielen stehen wird oder nicht.

Davon kann nach aktuellem Stand nicht ausgegangen werden, denn die Verhandlungen inkludieren beispielsweise die Schiedsgerichte (ISDS = Investor-state dispute settlement) überhaupt nicht, die Konzernen die Macht geben, Staaten zu verklagen, wenn sie ihre Investitionen oder künftigen Gewinne durch demokratisch legitimierte Gesetze gefährdet sehen. Selbst bei Punkten, die verhandelt werden, ist bereits die Verhandlungsgrundlage der EU-Kommission nicht ambitioniert genug, um den Energiecharta-Vertrag tatsächlich so umzubauen, dass er den Klimaschutz- Anforderungen genügt. Ein am Ende der Verhandlungen erzielter Kompromiss wird anzunehmenderweise nochmals hinter diese Ziele zurückfallen. Die Notwendigkeit zum Ausstieg wird damit immer offensichtlicher. Entsprechende Schritte sind daher rasch einzuleiten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.       Was ist der aktuelle Stand betreffend Verhandlungen zur Modernisierung des Energiecharta-Vertrags?

2.       Wenn zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung bereits ein Agreement of Principle vorliegt, wie wird dieses Seitens Ihres Ministeriums bewertet?

a.        Sehen Sie die Klima-Anforderungen erfüllt?

i. Wenn ja, wie?

b.       Sehen Sie im Ausstieg den einzigen Klimagerechten Weg?

i. Wenn ja, warum?

c.        Haben Sie das Agreement of Principle bereits mit dem Wirtschaftsminister besprochen?

i.       Was war das Ergebnis dieser Besprechung?

ii.       Wenn nein, wann werden Sie dies nachholen?

d.         Haben Sie das Agreement of Principle bereits in der Bundesregierung thematisiert?

i.      Was ist der Standpunkt der Bundesregierung dazu?

ii.     Wenn nein, wann werden Sie dies nachholen?

3.       NGOs wie Climate Action Network fordern, dass Österreich bereits vor Abschluss der Verhandlungen Position bezieht, da einerseits selbst die ambitionierteste Verhandlungsposition der EU für die Pariser-Klimaziele unzureichend ist und sich andererseits abzeichnet, dass die Verhandlungsergebnisse selbst hinter diesen Positionen Zurückbleiben werden. Eine solche zeitgerechte Bekanntgabe der Österreichischen Position ist auch wichtig, da sich die EU-Position wesentlich aus den Ansichten der Mitgliedsstaaten ergeben wird. Haben Sie gegenüber EU-Institutionen bereits die Position Österreichs betreffend Modernisierung oder Ausstieg kundgetan?

a.        Wenn ja, wie lautet diese?

b.       Wenn ja, wann erfolgte dies?

c.        Wenn ja, war dies, sofern zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung vorliegend, vor oder nach dem Agreement of Principle?

d.       Wenn es erst nach dem Agreement of Principle war, warum erst danach?

e.        Wenn Sie dies noch gar nicht taten, wann werden Sie dies nachholen?

4.       Einem Leak zufolge haben sich angesichts der Verhandlungen die EU-Mitgliedsstaaten Spanien, Deutschland, Niederlande und Polen mit der Bitte an die EU-Kommission gewandt, einen möglichen koordinierten Ausstieg aller EU-Mitgliedsstaaten aus dem Energiecharta-Vertrag zu erörtern. Ist Ihnen dies bekannt?

a.        Waren Sie dazu in Kontakt mit den 4 Mitgliedsstaaten?

b.        Hat Österreich sich in ähnlicher Art und Weise an die EU-Kommission gewandt?

c.        Wenn Sie sich nicht an die EU-Kommission wandten, warum nicht?

5.       Anscheinend gibt es ein Paper des Juristischen Dienstes des EU-Rates zum Energiecharta-Vertrag, welches jedoch nicht an die Mitgliedsstaaten weitergegeben wird. Welche Schritte hat Ihr Ministerium unternommen, um Zugang zu diesem Paper zu erhalten?

a.        Haben Sie mittlerweile Zugang dazu?

b.       Wenn ja, was ist der Inhalt des Papers?

c.        Wenn nein, was sind Ihre nächsten Schritte?

6.       Wie verläuft der Austausch betreffend ECT mit anderen EU-Mitgliedsstaaten?

a.     Welche Treffen fanden in den vergangenen 12 Monaten diesbezüglich statt?

b.       Was wurde besprochen?

c.        Welche Position vertrat Österreich in diesem Austausch?

d.       Wie verlief der Austausch insbesondere mit Deutschland und der dortigen neuen Regierung?

7.       Wie verläuft der Austausch betreffend ECT mit dem Wirtschaftsministerium?

a.        Wie oft sind Sie als Ministerin direkt involviert?

8.       Es ist zu hören, dass im Zuge der Verhandlungen mit allen ECT-Staaten von der ursprünglichen EU-Position den Investitionsschutz für bestehende Investitionen in fossile Energie erst nach 10 Jahren auslaufen zu lassen, abgewichen wird und diese Frist sogar verlängert wird. Ist Ihnen dies bekannt?

a.        Wäre eine solche Verlängerung für Sie ausschlaggebend einen Austritt vorzuziehen?

b.       Wenn nein, warum nicht? Wo liegt die Grenze?

9.       Da ISDS nicht Teil dieser Modernisierungs-Verhandlungen sind, wie kann der ECT überhaupt Klimaschutz-konform werden?

10.    Im Sommer 2019 sprachen Sie sich klar gegen Sonderklagsrechte für Konzerne aus.[2] Warum warteten Sie trotzdem betreffend Entscheidung für oder gegen den Ausstieg den Verhandlungsverlauf ab, wenn ISDS gar nicht Teil der Verhandlungen sind?

a.        Warum haben Sie sich nicht bereits für einen Ausstieg ausgesprochen, nachdem klar wurde, dass ISDS nicht zu den 25 zu verhandelnden Themenfeldern gehört und damit weiterhin erhalten bleiben wird?

11.    Da auch ein modernisierter ECT weiterhin ISDS beinhalten wird, unter welchen Gesichtspunkten können Sie einem solchen unzureichend modernisierten Vertrag zustimmen?

a.        Wie passt das mit Ihrer in Frage 10 erwähnten Haltung gegenüber Sonderklagsrechten für Konzerne zusammen?

12.   Angesichts der unveränderten ISDS, werden Sie sich nun klar für einen Ausstieg aussprechen?

a.        Wenn nein, warum nicht?

13.    Gibt es neben diesem, sich einem Ende nähernden Modernisierungs-Verfahren zu 25 Themenfeldern noch weitere Verhandlungen betreffend ECT, die auch ISDS zum Thema haben?

a.        Wenn ja, um welche Verhandlungen handelt es sich?

b.       Wenn ja, was ist der Stand dieser Verhandlungen?

c.        Wenn ja, wer ist daran beteiligt?

d.       Wenn ja, wer hat die Initiative dafür ergriffen?

e.        Wenn ja, wann ist mit einem Abschluss dieser Verhandlungen zu rechnen?

f.         Wenn ja, was ist die Position der EU bzw. Österreichs in diesen Verhandlungen?

14.    Wenn es Verhandlungen wie in Frage 13 thematisiert gibt, planen Sie auch deren Ergebnisse für eine Entscheidung Ausstieg oder Verbleib abzuwarten?

a.        Wenn ja, wie können die Klimaschutzziele angesichts einer weiteren Verzögerung eingehalten werden?

15.    Haben Sie bereits Planungen für einen koordinierten Austritt aus dem ECT begonnen?

a.        Wenn ja, begannen diese, sofern zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung bereits vorliegend, vor oder nach dem Agreement of Principle?

b.       Wenn ja, wie sehen diese aus?

c.        Wenn nein, warum nicht?

16.    Wie sehen die nächsten Schritte betreffend ECT aus?

a.        Innerhalb der Verhandlungen?

b.       In der Abstimmung zwischen Ihrem Ministerium und dem Wirtschaftsministerium?

c.        Innerhalb der Bundesregierung?

d.       Im Austausch mit den betreffenden EU-Institutionen?

e.        Im Austausch mit anderen EU-Mitgliedsstaaten?

17.    Wenn Sie und Ihr Ministerium zum Schluss kommen, dass die Modernisierung nicht klimaschutzkonform ist und damit am Austritt kein Weg vorbeiführt, welche nächsten Schritte werden Sie setzen?

a.        Im Austausch mit dem Wirtschaftsministerium?

b.       Innerhalb der Bundesregierung?

c.        Im Austausch mit den betreffenden EU-Institutionen?

d.       Im Austausch mit anderen EU-Mitgliedsstaaten?

18.    Wenn Sie und Ihr Ministerium zum Schluss kommen, dass die Modernisierung klimaschutzkonform ist, welche Schritte werden Sie setzen?

a.        Im Austausch mit dem Wirtschaftsministerium?

b.       Innerhalb der Bundesregierung?

c.        Im Austausch mit den betreffenden EU-Institutionen?

d.       Im Austausch mit anderen EU-Mitgliedsstaaten?

19.    Wenn innerhalb der Bundesregierung keine einheitliche Position betreffend Austritt oder Verbleib getroffen werden kann, welche Schritte werden Sie setzen?

20.   Wenn sich Österreich für einen Austritt einsetzt, wie sehen die nächsten Schritte auf EU- Ebene aus?

a.        Bis wann kann der gemeinsame koordinierte Ausstieg gelingen?

21.    Wenn sich Österreich für einen Verbleib einsetzt, wie sehen die nächsten Schritte auf EU- Ebene aus?

a.        Bis wann kann die Modernisierung abgeschlossen sowie ratifiziert werden?

b.       Ab wann können allenfalls vorgesehene Flexibilisierungsmöglichkeiten innerhalb der EU genutzt werden?



[1] Aus der Veranstaltung „Fehlschlag oder Volltreffer? Die Modernisierung des ECT“ durch AK Wien, Attac und ÖGB am 23. Mai 2022

[2]   https://www.anders-handeln.at/menschen-und-umwelt-vor-profitinteressen-von-konzernen/