11318/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.06.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Hannes Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Islamistischer Terror ist und bleibt eine akute Gefahr

 

„Der Leiters des neuen Staatsschutzes (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, hat vor einer erstarkten jihadistischen Szene gewarnt. Wie er im Ö1-‚Morgenjournal‘ erklärte, hätten islamistische Extremisten die Zeit während der Corona-Pandemie genutzt, ‚um online Propaganda im Internet zu konsumieren‘. Die Radikalisierung sei dadurch massiv gestiegen.

 

‚Und die Auswirkungen davon bekommen wir jetzt im realen Leben wieder nach der Pandemie, oder in einer Zwischenphase der Pandemie, wieder akut zu spüren‘, so Haijawi-Pirchner. Mit Wegfall der Ausgangsbeschränkungen habe die Islamisten-Szene wieder aktiv begonnen, zu rekrutieren und Zusammenkünfte auch außerhalb des Internets zu veranstalten. Die Sicherheitsbehörden stünden damit vor neuen Herausforderungen.

 

Nach dem Tod eines IS-Führers habe die Terrormiliz zuletzt dazu aufgerufen, Racheakte zu verüben. Zudem hätten viele Jihadisten die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan als eine Art Sieg über den Westen interpretiert, sagt der Verfassungsschutzchef. Das habe dazu geführt, dass die Strukturen in Österreich erwacht sind. Islamistischer Extremismus stelle wieder zusehends eine ‚akute Bedrohung‘ in Österreich dar.

 

Anzeichen für konkrete Anschlagspläne in Österreich gebe es keine. Der Terror sei aber weltweit eine reale Bedrohung. Überhaupt seien die letzten Terroranschläge im Bereich des islamistischen Extremismus in Europa von sogenannten ‚Lone Actors‘ durchgeführt wurden, also Tätern, die ‚irgendwo im Hintergrund natürlich Anhänger von einem Islamischen Staat oder einer anderen Terrororganisation sind, aber für sich selbst die Entscheidung treffen, Anschläge durchzuführen‘,“ berichtete die APA am 15. Juni 2022 bezugnehmend auf ein Interview des DSN-Leiters Omar Haijawi-Pirchner.

(Quelle: APA0110 2022-06-15/9:44)

 

Dem Voraus gingen am Vortag, dem 14. Juni 2022, mediale Berichterstattungen über eine vom Verfassungsschutz identifizierte mutmaßliche IS-Zelle in Österreich. Diese Berichterstattungen sorgen aufgrund gewisser Widersprüchlichkeiten für Verwirrungen, die „Der Standard“ am Nachmittag wie folgt analysierte:

 

„[…] Laut Innenministerium (BMI) habe man ‚aufgrund der internationalen Zusammenarbeit‘ eine ‚mutmaßliche Zelle‘ in Österreich identifizieren können. Nun werde gegen mehrere Personen in ganz Europa ermittelt, auch einen ‚Österreich-Bezug‘ gebe es. Hierzulande stehe mindestens eine Person im Fokus, heißt es offiziell. […] In Haft kam zumindest in Österreich niemand. Auch von etwaigen Razzien war keine Rede. […]“

 

Weiters warf man im Artikel die Fragen auf, wer sich hinter diesem Terrornetzwerk verbergen würde und was es mit dem geplanten Anschlag auf den City-Marathon auf sich hätte. Dazu recherchierte „Der Standard“ folgendes:

 

„Auch das ist unklar. Das Innenministerium gibt sich dazu auf Anfrage des STANDARD zugeknöpft. Die APA schreibt allerdings mit Bezug auf das Ressort: ‚Bei den in Österreich festgestellten IS-Anhängern handelt es sich um aus dem Irak stammende Personen, welche in der Hochzeit des IS führende Rollen eingenommen haben sollen und nun für die Durchführung der Aufträge zu neuerlichen Anschlägen der obersten IS-Führung in Europa rekrutiert wurden.‘ Die Zelle soll laut Innenministerium ‚selbstverständlich‘ überwacht werden. Stellt man in einschlägigen Anwaltskreisen Fragen, so wird klar: Zumindest dort scheint bislang niemand von dieser Terrorzelle gehört zu haben. […] Dazu gehen die beiden Medienberichte, die das Thema aufbrachten, auseinander. Die ‚Krone‘ schrieb recht konkret von einem Sprengstoffanschlag auf den Wien-Marathon. Vorbild soll ein terroristischer Angriff auf einen Marathon in Boston im Jahr 2013 gewesen sein. In der Meldung der Nachrichtenagentur APA, die zeitgleich mit der ‚Krone‘ einen Text veröffentlichte, hieß es allerdings, die Wiener Sportveranstaltung sei nicht konkret im Blickpunkt des Terrornetzwerks gewesen. Nachdem der Lauf aber eine Großveranstaltung sei, sei die Bedrohung sehr ernst genommen worden. Der Veranstalter des Marathons berichtet aber, man sei vorab wie üblich mit dem Verfassungsschutz in Kontakt gestanden, bei dem sei aber keine Rede von einem konkreten Anschlagsszenario gewesen.“

 

Besonders spannend ist die abschließend aufgeworfene Frage, ob sich nachvollziehen lasse, woher die Informationen stammen. Dazu schreibt „Der Standard“ folgende Antwort:

 

„Auffällig ist, dass die Berichte der ‚Kronen Zeitung‘ und der APA beinahe zeitgleich veröffentlicht wurden und dennoch der Inhalt unterschiedlich war. Auch wenn das Innenministerium die Geschichte nicht besagten Medien gesteckt haben sollte, kommt dennoch ein Zitat von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in den Texten vor, laut dem die Causa als Erfolg verbucht wird. Die Ex-Leiterin des Extremismusreferats im Verfassungsschutz, Sibylle Geißler, wunderte sich auf Twitter vor allem darüber, dass scheinbar die Kommunikation letztlich vor konkreten Maßnahmen erfolgte.“

(Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000136570650/was-bisher-ueber-die-ominoese-is-zelle-rund-um-den)

 

Am selben Tag sprach Terrorismus-Experte Nicolas Stockhammer von der Donau-Uni Krems in einem Interview mit „PULS 24“ Anchor René Ach über den gegenständlichen Fall. Er sprach davon, dass es „jetzt gerade aktuell“ Verhaftungen in Deutschland und der Schweiz gegeben habe, die in diesem Zusammenhang stehen könnten. Konkrete Anschlagsziele in Österreich seien, seinem Kenntnisstand nach, nicht dabei gewesen. Wien dürfte allerdings eine „Drehscheibe und eine operative Basis“ für diese Zelle gewesen sein.

(Quelle: https://www.puls24.at/video/puls-24/terrorismus-experte-zur-is-zelle-es-gab-offenbar-konkrete-ziele/v-ckoricb763k1)

 

Etwaige Berichte über die Verhaftungen von Radikalislamisten fanden sich in deutschen Medien, allerdings wurde in diesen kein Bezug zu Österreich hergestellt.

(Quelle: https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/extremismus-islam-is-festnahme-101.html)

 

Jedenfalls wirkt die Kommunikation aus dem Bundesministeriums für Inneres in dieser brisanten Causa nicht sehr professionell. Es gibt keine OTS-Aussendungen oder Informationen auf der Homepage des Innenministeriums, trotzdem berufen sich die widersprüchlichen Medienberichte auf Informationen aus dem BMI und Sie werden darin auch entsprechend zitiert.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Inneres folgende

 

Anfrage

 

1.    Wie viele sogenannte „Foreign Terrorist Fighters“ sind den österreichischen Staatsschutzbehörden mit Stand Juni 2022 isgesamt bekannt?

2.    Wie viele dieser „Foreign Terrorist Fighters“ halten sich aktuell auf österreichischem Staatsgebiet auf?

3.    Wie viele dieser „Foreign Terrorist Fighters“, die sich aktuell in Österreich aufhalten, sind österreichische Staatsbürger?

4.    Wie viele dieser „Foreign Terrorist Fighters“, die sich aktuell in Österreich aufhalten, befinden sich in österreichischen Gefängnissen?

5.    Wie viele dieser bekannten „Foreign Terrorist Fighters“ sind laut Informationen der Staatsschutzbehörden ums Leben gekommen?

6.    Wie viele von diesen bekannten „Foreign Terrorist Fighters“ halten sich laut Informationen der Staatsschutzbehörden noch in Kriegsgebieten auf?

7.    Bei wie vielen von diesen bekannten „Foreign Terrorist Fighters“ die laut Informationen der Staatsbehörden noch leben, sich nicht auf österreichischen Staatsgebiet oder in einem Kriegsgebieten aufhalten, ist der aktuelle Aufenthaltsort bekannt und inwieweit können Sie über diese Aufenthaltsorte Auskünfte erteilen?

8.    Bei wie vielen von diesen bekannten „Foreign Terrorist Fighters“ haben die Staatsschutzbehörden überhaupt keine Informationen über Status oder Aufenthaltsort?

 

9.    Gab es im Zusammenhang mit der identifizierten mutmaßlichen IS-Terrorzelle in Österreich bis zum 14. Juni 2022 Verhaftungen?

10. Wenn ja, wie viele Verhaftungen?

11. Wenn ja, welche Nationalitäten hatten die Festgenommenen?

12. Wenn ja, aufgrund welcher Paragrafen wurden diese Personen verhaftet?

13. Wenn ja, wann haben diese Festnahmen stattgefunden?

 

14. Gab es im Zusammenhang mit der identifizieren mutmaßlichen IS-Terrorzelle in Österreich bis zum 14. Juni 2022 Razzien bzw. Hausdurchsuchungen?

15. Wenn ja, wie viele Razzien bzw. Hausdurchsuchungen haben stattgefunden?

16. Wenn ja, wann haben diese Razzien bzw. Hausdurchsuchungen stattgefunden?

17. Wenn ja, was waren die Erkenntnisse aus diesen Razzien bzw. Hausdurchsuchungen?

 

18. Gab es im Zusammenhang mit der identifizierten mutmaßlichen IS-Terrorzelle in Österreich bis zum 14. Juni 2022 andere oder weitere polizeiliche Maßnahmen?

19. Wenn ja, welche polizeilichen Maßnahmen waren das?

20. Wenn ja, wann haben diese polizeilichen Maßnahmen stattgefunden?

 

21. Gab es im Zusammenhang mit der identifizierten mutmaßlichen IS-Terrorzelle in Österreich nach dem 14. Juni 2022 Verhaftungen?

22. Wenn ja, wie viele Verhaftungen?

23. Wenn ja, welche Nationalitäten hatten die Festgenommenen?

24. Wenn ja, aufgrund welcher Paragrafen wurden diese Personen verhaftet?

25. Wenn ja, wann haben diese Festnahmen stattgefunden?

 

26. Gab es im Zusammenhang mit der identifizieren mutmaßlichen IS-Terrorzelle in Österreich nach dem 14. Juni 2022 Razzien bzw. Hausdurchsuchungen?

27. Wenn ja, wie viele Razzien bzw. Hausdurchsuchungen haben stattgefunden?

28. Wenn ja, wann haben diese Razzien bzw. Hausdurchsuchungen stattgefunden?

29. Wenn ja, was waren die Erkenntnisse aus diesen Razzien bzw. Hausdurchsuchungen?

 

30. Gab es im Zusammenhang mit der identifizierten mutmaßlichen IS-Terrorzelle in Österreich nach dem 14. Juni 2022 andere oder weitere polizeiliche Maßnahmen?

31. Wenn ja, welche polizeilichen Maßnahmen waren das?

32. Wenn ja, wann haben diese polizeilichen Maßnahmen stattgefunden?

 

33. Ist Ihnen bekannt, wie diese Informationen am 14. Juni 2022 in die entsprechenden Medien gelangt ist?

34. Wenn ja, auf welchen Wegen sind diese Informationen an die Medien gelangt?

35. Wenn ja, war das mit Ihnen bzw. Ihrem Kabinett abgestimmt?

36. Wenn ja, warum wurden diese Informationen an Medien kommuniziert, obwohl ggf. keine oder noch keine polizeilichen Maßnahmen stattgefunden haben zu diesem Zeitpunk?

37. Wenn nein, warum wurden Sie dann in diesen Medienberichten entsprechen eindeutig bezugnehmend auf diesen konkreten Fall zitiert?

 

38. Stehen die Verhaftungen in Deutschland und der Schweiz, auf die in der Begründung der gegenständlichen Anfrage Bezug genommen wurde, in einem Zusammenhang mit der identifizieren mutmaßlichen IS-Terrorzelle in Österreich?

39. Wenn ja, warum erfolgten in Österreich ggf. keine Verhaftungen oder andere polizeiliche Maßnahmen, wenn hier ein entsprechender Zusammenhang besteht?

 

40. Sind die entsprechenden Medienberichte vom 14. Juni 2022 über die identifizierte mutmaßliche IS-Terrorzelle ungewollt bzw. unbeabsichtigt an die Öffentlichkeit gelangt?

41. Wenn ja, wurden dadurch etwaige geplante Festnahmen, Razzien, Hausdurchsuchungen oder andere polizeiliche Maßnahmen in diesem Zusammenhang verhindert, erschwert oder beeinflusst und wenn dem so ist, inwiefern?

42. Wenn ja, warum wurden Sie dann in diesen Medienberichten entsprechend eindeutig bezugnehmend auf diesen konkreten Fall zitiert?

43. Wenn nein, was war der Grund für die Veröffentlichung der Informationen zu diesem Zeitpunkt?

44. Wenn nein, warum wurden diese exklusiv an Medien übermittelt und nicht offiziell seitens des Bundesministeriums für Inneres in Form einer Presseaussendung oder Pressekonferenz kommuniziert?