11396/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.06.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Einschränkungen des parlamentarischen Interpellationsrechts

 

Der Nationalrat hat das Recht, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Das betrifft auch Unternehmen im Mehrheitseigentum des Bundes. Das Interpellationsrecht ist verfassungsrechtlich in Art 52 B-VG verankert. 

Zum Thema der parlamentarischen Anfragen wird von der Website zu Fachinfos des Parlaments folgende Information geliefert: „Das Interpellationsrecht ermöglicht den Mitgliedern des Nationalrates wie des Bundesrates, Anfragen an die Bundesregierung oder einzelne ihrer Mitglieder zu richten und Auskünfte über die in deren Verantwortungsbereich liegenden Angelegenheiten zu verlangen. Auf diesem Weg können der Nationalrat bzw. dessen Abgeordnete Kenntnis von der Tätigkeit der Bundesregierung im Bereich der Vollziehung erlangen. Das parlamentarische Fragerecht zählt somit – neben dem Resolutionsrecht sowie dem Enqueterecht - zu den wichtigsten parlamentarischen Kontrollrechten" (siehe "Wesen und Reichweite des parlamentarischen Fragerechts"). 

Gleichzeitig wird aber auch auf die Grenzen dieses Rechts hingewiesen. So werden Verwaltungshandeln im alleinigen Vollzugsbereich der Länder sowie zu Angelegenheiten der Gesetzgebung wie der Gerichtsbarkeit ausgeschlossen. Ebenso ausgeschlossen sind: „Anfragen zu rein privaten Handlungen, Meinungen und Einschätzungen des befragten Regierungsmitglieds, die in keinem Zusammenhang mit der Amtsausübung stehen, fallen somit nicht unter das parlamentarische Fragerecht“(siehe "Wesen und Reichweite des parlamentarischen Fragerechts"). Meinungen oder Einschätzungen zu einer Frage, sofern diese Frage im Zusammenhang mit der Amtsausübung steht, sind demnach nicht ausgenommen. Des weiteren können "sofern ein Zusammenhang mit Verwaltungshandeln hergestellt werden kann, (...) auch politische Absichten und das persönliche Verhalten von Mitgliedern der Bundesregierung Anfragegegenstand sein" (siehe Kahl, Khakzadeh, Schmid "Bundesverfassungsrecht" S. 782).

Stellt man die Anfragebeantwortungen der XXVII. Gesetzgebungsperiode jenen Beantwortungen gegenüber, die darauf verweisen, dass Meinungen und Einschätzungen nicht dem Interpellationsrecht unterliegen, so zeigt sich sehr klar, dass das Bundesministerium für Inneres diese Praxis überproportional oft anwendet: In den insgesamt 10.745 Anfragebeantwortungen wird in 157 Dokumenten eine derartige Antwort gefunden. Von diesen 157 Beantwortungen entfallen allein 103 auf das Bundesministerium für Inneres (Stand April 2022). Besonders der ehemalige Innenminister Karl Nehammer hat davon häufig Gebrauch gemacht, nämlich in rund 7,3% seiner Beantwortungen. Demnach wird der Bundesminister für Inneres ersucht, auch jene Fragen zu beantworten, denen zuvor unzulässigerweise ausgewichen wurde. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. 783/AB vom 30.03.2020 zu 670/J betreffend Amtsübergabe im Innenministerium, Frage 1: Über welche Entscheidungen des ehemaligen Innenministers Wolfgang Peschorn wurden Sie in dessen Bericht an Sie informiert?
  2. 783/AB vom 30.03.2020 zu 670/J betreffend Amtsübergabe im Innenministerium, Frage 2: Über welche Maßnahmen des ehemaligen Innenministers Wolfgang Peschorn wurden Sie in dessen Bericht an Sie informiert?
  3. 783/AB vom 30.03.2020 zu 670/J betreffend Amtsübergabe im Innenministerium, Frage 3: Über welche Überlegungen des ehemaligen Innenministers Wolfgang Peschorn wurden Sie in dessen Bericht an Sie informiert?
  4. 923/AB vom 14.04.2020 zu 866/J betreffend Abschiebezentrum in Serbien, Frage 25: Wie hoch werden die Kosten pro Bewohner_in und Tag in dem geplanten Zentrum für abgelehnte Asylwerber_innen in Serbien sein? Ist dies vertraglich geregelt?
  5. 923/AB vom 14.04.2020 zu 866/J betreffend Abschiebezentrum in Serbien, Frage 27: Wird erwartet, dass die Kosten pro Bewohner_in und Tag in dem geplanten Zentrum für abgelehnte Asylwerber_innen in Serbien höher oder niedriger werden, als die bei einer Unterbringung in Österreich der Fall wäre?
  6. 1321/AB vom 26.05.2020 zu 1316/J betreffend Grenzkontrollen und Maßnahmen im Umgang mit Migrant_innen und Flüchtlingen, Frage 5: Was passierte, wenn eine Person vom Bundesheer aufgegriffen wurde? Was war der weitere Ablauf?
    1. Wurden die aufgegriffenen Personen an nachgeordnete Behörden des BMI übergeben? Wenn ja, wann?
    2. Was passierte, wenn eine vom Bundesheer aufgegriffene Person beim Bundesheer zum Ausdruck brachte, einen Asylantrag stellen zu wollen? Wo konnte diese Person den Asylantrag dann tatsächlich stellen? Wurde diese Person an nachgeordnete Behörden des BMI übergeben?
    3. Planen Sie, diesen Ablauf zu ändern?

                                          i.    Wenn ja, wann inwiefern?

  1. 1321/AB vom 26.05.2020 zu 1316/J betreffend Grenzkontrollen und Maßnahmen im Umgang mit Migrant_innen und Flüchtlingen, Frage 7: Nach welchen Kriterien und auf welcher rechtlichen Grundlage wurden Menschen an der Grenze zurückgewiesen?
    1. Planen Sie, diese Kriterien zu ändern?

                                          i.    Wenn ja, wann inwiefern?

  1. 1321/AB vom 26.05.2020 zu 1316/J betreffend Grenzkontrollen und Maßnahmen im Umgang mit Migrant_innen und Flüchtlingen, Frage 9: Gibt es ein Verfahren, in dem festgestellt wird, ob eine Person zurückgewiesen werden soll?
    1. Wenn ja, was beinhaltete das Verfahren bisher und wie lief es ab?

                                          i.    Planen Sie, dieses Verfahren zu ändern?

  1. 1321/AB vom 26.05.2020 zu 1316/J betreffend Grenzkontrollen und Maßnahmen im Umgang mit Migrant_innen und Flüchtlingen, Frage 11: Wie sind Zurückweisungen an der Grenze im Detail abgelaufen?
    1. Wer führte Zurückweisungen durch?
    2. Wurde dabei gegebenenfalls Zwang angewendet und wenn ja, inwiefern?
    3. Inwieweit wurden Zurückweisungen an der Grenze mit den Behörden des
    4. jeweiligen Nachbarstaates akkordiert?
    5. Wurden die betroffenen Personen den Behörden des Ziellandes bzw.
    6. Nachbarstaates übergeben?
    7. Planen Sie, diesen Ablauf zu ändern?

                                          i.    Wenn ja, wann inwiefern?

  1. 1321/AB vom 26.05.2020 zu 1316/J betreffend Grenzkontrollen und Maßnahmen im Umgang mit Migrant_innen und Flüchtlingen, Frage 12: Wurden auch Personen, die sich bereits auf österreichischem Boden befinden, gegebenenfalls wieder über die Grenze zurückgeschickt?
    1. Planen Sie, dieses Vorgehen zu ändern?

                                          i.    Wenn ja, wann inwiefern?

  1. 1321/AB vom 26.05.2020 zu 1316/J betreffend Grenzkontrollen und Maßnahmen im Umgang mit Migrant_innen und Flüchtlingen, Frage 18: Welche konkreten "Grenzschutzmaßnahmen" sehen Sie in Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen an der türkisch-griechischen Grenze vor?
    1. Worin besteht Ihrer Meinung die konkrete Gefährdung in diesem Fall? Auf welche Summe belaufen sich die voraussichtlichen Kosten der angedachten Maßnahmen? Bitte um Aufschlüsselung der Personalkosten, Sachaufwandskosten sowie weiterer in diesem Zusammenhang anfallender Kosten.
  1. 2023/AB vom 15.07.2020 zu 2010/J betreffend Folgeanfrage Todesfall im Polizeianhaltezentrum Wien Rossauer Lände am 12.06.2019, Frage 1: Inwiefern hat ihr Ressort seit der letzten Anfrage zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen?
  2. 2023/AB vom 15.07.2020 zu 2010/J betreffend Folgeanfrage Todesfall im Polizeianhaltezentrum Wien Rossauer Lände am 12.06.2019, Frage 2: Welche konkreten Untersuchungsschritte und Handlungen wurden mittlerweile gesetzt?
  3. 2054/AB vom 17.07.2020 zu 2030/J betreffend Widersprüchliche Informationen aus dem BMI, Frage 8: Auf welchen Informationen von wem genau beruht Ihre Aussage vom 08.05.2020, dass die Zahl der Corona positiv getesteten in Wien Ihnen "seit einer Zeit" Sorgen bereiten?
  4. 2054/AB vom 17.07.2020 zu 2030/J betreffend Widersprüchliche Informationen aus dem BMI, Frage 10: Seit wann ist Ihnen die in der Anfragenbegründung angeführte Aussage von Daniela Schmid bekannt?
  5. 2054/AB vom 17.07.2020 zu 2030/J betreffend Widersprüchliche Informationen aus dem BMI, Frage 11: Seit wann ist diese Aussage Ihrem Ressort bekannt?
  6. 2054/AB vom 17.07.2020 zu 2030/J betreffend Widersprüchliche Informationen aus dem BMI, Frage 12: lst diese Aussage die offizielle Meinung des BMI?
    1. Wenn nein, was ist dann die offizielle Meinung des BMI?
    2. Auf der Meinung welcher ExpertInnen fußt die offizielle Position des BMI?
  1. 2054/AB vom 17.07.2020 zu 2030/J betreffend Widersprüchliche Informationen aus dem BMI, Frage 13: Wurde diese Aussage in einer Sitzung des Krisenstabes am 09.05. auf die Frage, ob die in Wien zuletzt gestiegenen Zahlen bedenklich sein, als Antwort angeführt?
    1. Wenn ja, warum weichen Sie in Ihren öffentlichen Statements von den Aussagen Ihres Ressorts im Krisenstab ab?
    2. Falls nein: Welche abweichende Sichtweise auf die Infektionszahlen wurde vom BMI präsentiert?
  1. 4277/AB vom 20.01.2021 zu 4300/J betreffend Push-Backs an der österreichischen Südgrenze, Frage 52: Haben Sie vor, die temporären Grenzkontrollen nach Mai 2021 ein weiteres Mal zu verlängern?
    1. Wenn ja, mit welcher rechtlichen Begründung?
  1. 4390/AB vom 02.02.2021 zu 4399/J betreffend Zusammensetzung der Untersuchungskommission zum Terroranschlag von Wien, Frage 10: Ist Ihnen bekannt, dass Anderl laut medial bekannten Mails zu einem „ÖVP-Zirkel“ im BM.I gehörte, der sich regelmäßig im Büro von Minister a.D. Strasser traf?
    1. Wenn ja: seit wann?
    2. Wenn ja: sehen Sie dies nicht als problematisch hinsichtlich einer möglichst neutralen Aufarbeitung von behördeninternen Fehlern an?
  1. 4390/AB vom 02.02.2021 zu 4399/J betreffend Zusammensetzung der Untersuchungskommission zum Terroranschlag von Wien, Frage 11: Ist Ihnen die gemeinsam Tätigkeit Anderls mit Stefan Steiner und Ex-ÖVP LR Wolfgang Waldner im Aufsichtsrat des österr. Integrationsfonds (ÖIF) bekannt, in welchem zuvor auch die Minister Raab und Schallenberg saßen? 
    1. Wenn ja: seit wann?
  1. 4390/AB vom 02.02.2021 zu 4399/J betreffend Zusammensetzung der Untersuchungskommission zum Terroranschlag von Wien, Frage 12: Warum wurden Parlament (wenn auch nur etwa im Rahmen des „Geheimdienst- ausschusses") bzw. Opposition nicht in die Auswahl der Kommissionsmitglieder eingebunden? 
    1. Wer entschied dies wann?
  1. 4983/AB vom 15.03.2021 zu 4985/J betreffend Unterbringung und Asylverfahren minderjähriger Asylsuchender in Österreich, Frage 11: In der Statistik der parlamentarischen Anfragebeantwortung 3337/AB vom 11.11.2020 sind 888 UMF Anträge von 1. Jänner bis 30. September 2020 registriert. Laut derselben Anfragebeantwortung wurden 164 UMF in die GV der Länder überstellt, 47 zurückgewiesen und 164 befinden sich noch in der GVS Bund. Etwa 25 % werden geschätzt für volljährig erklärt. Das ergibt eine Differenz von 326 UMF. Aus dem Jahr 2019 ergibt die gleiche Rechnung (laut Zahlen der Anfragebeantwortung 38/AB vom 19.12.2019) zwischen Jänner und Oktober 2019 eine Differenz von 471 UMF. Wie erklären Sie sich diese Differenz bzw. was ist der Grund für diese Differenz?
    1. Wo sind diese Kinder? Abgängig gemeldet bzw. verschwunden?
    2. Wie viele UMF sind während der Zuständigkeit der Grundversorgung Bund 2020 verschwunden/abgängig gemeldet? Bitte um Aufschlüsselung nach Monat und Herkunftsland.
  1. 7581/AB vom 29.10.2021 zu 7722/J betreffend Legale Fluchtwege für besonders gefährdete Personen aus Afghanistan, Frage 1: Seit wann war nach Ihren internen Informationen absehbar, dass die Taliban in Afghanistan die Macht übernehmen würden?
    1. Von wem erhielten Sie wann diese Informationen?
  1. 7892/AB vom 24.11.2021 zu 8046/J betreffend Stellenbesetzungen in der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Frage 15: Bei der DSN soll sich der Personalstand in den nächsten Jahren deutlich erhöhen, wenn nicht sogar verdoppeln. Wie im Kurier vom 17.6.2021 bereits berichtet wurde, rechnet man seitens des BMI beim bestehenden BVT-Personal wegen der Skepsis vor der involviert bzw. unterstützend mit einer Teilnahme von nur 75%. Worauf begründet sich diese erwartete Ausfallsquote?
  2. 7892/AB vom 24.11.2021 zu 8046/J betreffend Stellenbesetzungen in der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Frage 19: Durch Neuaufstellung, Neuausschreibung udgl. werden sich künftig zahlreiche MitarbeiterInnen auch innerhalb der DSN verändern und andere Aufgaben wahrnehmen können. Wie wird dem damit verbundenen Verlust von Fachexpertisen kurz-, mittel- und langfristig entgegengewirkt?
  3. 8283/AB vom 29.12.2021 zu 8421/J betreffend Ministeriumsaufträge für ehemalige Mitarbeiter von Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser mit fragwürdigen Verbindungen zu Wirecard und BVT, Frage 4: Haben Sie bzw. Ihr Ressort Kenntnisse über die dubiosen geschäftlichen Beziehungen zwischen ehemaligen Mitarbeiter_innen des früheren Kabinetts von Ernst Strasser, ranghohen Mitarbeiter_innen der Wirecard AG sowie Vertreter_innen des BVT?
    1. Wenn ja: Sind diese Kenntnisse in die Entscheidungsprozesse, die dazu führten, Unternehmen dieser ehemaligen Mitarbeiter_innen des früheren Kabinetts von Ernst Strasser mit öffentlichen Aufträgen Ihres Ressorts zu betrauen, eingeflossen? Wenn ja: Inwiefern?
    2. Wenn nein: Wie erklären Sie es sich, dass über Unternehmen, die Aufträge Ihres Ressorts erhalten sollten, keine derartigen Informationen im Sinne eines Background-Checks eingeholt worden waren (immerhin sind viele dieser Informationen schon seit geraumer Zeit medienöffentlich, Anm.)?
  1. 9123/AB vom 14.03.2022 zu 9296/J betreffend Versorgung und Kosten von Asylwerber_innen in der Grundversorgung in Österreich, Frage 38: Die BBU ist seit dem 1. Dezember 2020 für die operative Durchführung der Grundversorgung zuständig, sofern sie dem Bund obliegt. Hat die Übernahme der BBU konkrete Verbesserungen im Management und in der Erbringung der Leistungen der Grundversorgung gebracht?
    1. Wenn ja, welche?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. 9123/AB vom 14.03.2022 zu 9296/J betreffend Versorgung und Kosten von Asylwerber_innen in der Grundversorgung in Österreich, Frage 39: Warum ist das BMI als Grundlage für die Budgetierung der Grundversorgung Anfang Oktober 2021 von 1.700 Personen in der Bundesbetreuung ausgegangen, obwohl der Jahresdurchschnitt für bundesbetreute Personen auf 1.980 liegt?
  2. 9123/AB vom 14.03.2022 zu 9296/J betreffend Versorgung und Kosten von Asylwerber_innen in der Grundversorgung in Österreich, Frage 40aii: Wird das BMI sich für die Umsetzung des VfGH Erkenntnis, sprich für die Angleichung der Grundversorgung subsidiär Schutzberechtigten an die Grundversorgung der Asylberechtigten, einsetzen?
  3. 9123/AB vom 14.03.2022 zu 9296/J betreffend Versorgung und Kosten von Asylwerber_innen in der Grundversorgung in Österreich, Frage 40aiii: Sollen laut BMI die Tagessätze künftig an die Inflation angepasst werden?