11750/J XXVII. GP
Eingelangt am 07.07.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Österreichische Unterstützung für das Lager Lipa in Bosnien-Herzegowina
Nach Angaben des UNHCR wurden zwischen Januar 2018 und Oktober 2021 in Bosnien und Herzegowina (BiH) rund 84.000 Migrant_innen, Flüchtlinge und Asylsuchende registriert. Kaum einer von ihnen beantragte in BiH in diesem Zeitraum internationalen Schutz, insgesamt stellten 2.731 Personen Anträge - lediglich 3,2% - obwohl viele von ihnen beabsichtigten, einen Asylantrag zu stellen (z.B.: 93% im Oktober 2021, 83% im November 2021). Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, warten z.T. heute noch auf eine Entscheidung. Im Jahr 2021 betrug die durchschnittliche Dauer des Asylverfahrens in BiH bis zur erstinstanzlichen Entscheidung nämlich 444 Tage. In den letzten 4 Jahren wurde nur 7 Asylwerber_innen der Flüchtlingsstatus zuerkannt, 109 Personen erhielten einen subsidiären Schutzstatus (siehe "UNHCR BiH Operational Update"). Das Asylsystem in BiH ist aufgrund institutioneller Mängel, begrenzter Kapazitäten in der zuständigen Behörde und einer hohen Anzahl an angestauten Fällen nicht funktionsfähig - es besteht kein effektiver Zugang zum Asylsystem (siehe "Bosnien und Herzegowina 2021", Amnesty International).
Die Aufnahmebedingungen der Schutzsuchenden stehen aufgrund menschenunwürdiger Zustände schon jahrelang in der Kritik, insbesondere in Lipa. Das erste Aufnahmezentrum in Lipa war das von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) verwaltete Notzeltlager. Es wurde offiziell am 21. April 2020 als vorbeugende Maßnahme gegen die Covid-19-Pandemie eröffnet und beherbergte bis zu 1.000 Personen. Das Lager wurde am 23. Dezember 2020 geschlossen, da es nicht winterfest war. Ein Brand zerstörte es am selben Tag fast zur Gänze. Die Verlagerung der dort aufhältigen Menschen scheiterte jedoch, weshalb sie in den Überresten des Lagers verblieben und die bosnischen Behörden entschieden mit IOM das Lager Lipa wieder in Betrieb zu nehmen - doch die Lebensbedingungen blieben zunächst katastrophal. Zwischen Januar und April 2021 lebten rund 900 Migrant_innen und Asylsuchende unter unmenschlichen Bedingungen und ohne Zugang zu Nahrung, Wasser und Strom im Notaufnahmelager Lipa in einem provisorischen Zeltlager. Zwischen Mai und Oktober 2021 verblieben rund 2.000 Menschen, darunter Familien und Kinder, unter freiem Himmel, in verlassenen Häusern, Fabrikhallen und Wäldern im Kanton Una-Sana.
Am 19. November 2021 eröffneten die bosnischen Behörden mit Unterstützung der EU und unter Beteiligung weiterer europäischer Staaten ein neues "temporäres Aufnahmezentrum" in Lipa (TRC Lipa). Es wird von bosnischen Behörden in Zusammenarbeit mit IOM, UN-Organisationen und anderen Hilfsorganisationen betrieben. Insgesamt können in dem Lager bis zu 1.500 Personen untergebracht werden. 1.000 Plätze sind für alleinstehende Männer, 300 Plätze für Familien und 200 Plätze für unbegleitete Minderjährige vorgesehen. Mit Stand 6. Dezember 2021 waren im TRC Lipa 382 Personen aufhältig.
Im Vergleich zu den von April 2020 bis November 2021 betriebenen Einrichtungen sind die Lebensbedingungen im neuen TRC Lipa zwar besser, jedoch ist auch dieses in vielerlei Hinsicht problematisch, vor allem aufgrund derAbschottung des Lagers: das TRC Lipa liegt 800 Meter über dem Meeresspiegel, befindet sich 2 Kilometer von der nächsten asphaltierten Staatsstraße und 24 Kilometer von der Stadt Bihać. Somit sind jegliche Einrichtungen (Krankenhäuser, Schulen, Bahnhöfe, Supermärkte usw.) nur schwierig zu erreichen - die Isolation ist vor allem für Familien oder unbegleitete Minderjährige problematisch, z.B. was den Zugang zu Bildungseinrichtungen angeht. Des Weiteren herrschen aufgrund der Höhenlage im Winter besonders harte Bedingungen - die Temperaturen sinken z.T. auf-15°C (siehe "Lipa, the camp where Europe fails"). Seit mehr als zwei Jahren ist offensichtlich, dass die Erhaltung von Lagern in Lipa eine Problembewirtschaftung darstellt - trotzdem beteiligte sich Österreich im hohen Ausmaß an der Errichtung des neuen TRC Lipa: Die Errichtung des TRC Lipa kostete 3 Millionen Euro, finanziert wurde es hauptsächlich von der Europäischen Union (54 %), gefolgt von Österreich (20,9 %), Deutschland (19,2 %), der Schweiz (6 %), Italien (2,5 %) und der Europäischen Zentralbank (2,25 %).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Vertreter_innen Bosniens?
ii. Akteur_innen auf EU-Ebene ?
iii. Vertreter_innen Deutschlands?
iv. Vertreter_innen der Schweiz?
v. Vertreter_innen Italiens?
vi. Vertreter_innen der EZB?
i. IOM?
ii. UN-Organisationen?
iii. welchen weiteren internationalen- und Hilfsorganisationen?
i. Inwieweit ist dies nach Auffassung Ihres Ressorts mit dem in der UN-Kinderrechtskonvention verankerten "best interest of the child" Prinzip vereinbar?
i. Wenn ja, wann, welche und mit welchem Ergebnis?
ii. Wenn nein, warum nicht?
i. Wenn ja, wie lange?
i. Wenn ja, was?
i. Wenn ja, wann haben Sie bzw. Ihr Ressort davon Kenntnis erlangt und bis wann ist der Betrieb des Lagers vorgesehen?
i. Wenn ja, inwieweit und mit welchem Ergebnis?
ii. Wenn nein, warum nicht?
i. Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen haben Sie dafür wann gesetzt?
ii. Wenn nein, warum nicht?
i. Wenn ja, wann und mit welchen?
ii. Wenn ja, mit welchem Inhalt?
iii. Wenn ja, welche Position haben Sie bzw. Ihr Ressort in welchen Gesprächen vertreten?