11765/J XXVII. GP

Eingelangt am 08.07.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Die Gewinner der Kassenfusion: Beratungsunternehmen

 

Die Debatte über die Reform der Sozialversicherung läuft besonders intensiv seit 2015. Seither wurden zahlreiche Studien, Beratungsleistungen und Gutachten seitens der Sozialminister und der Sozialversicherungsträger in Auftrag gegeben, wobei häufig dem Auftraggeber nahestehende Personen zum Zug gekommen sind. Die erste Studie dieser Art war die berühmte LSE-Studie, erstellt im Wesentlichen vom Wiener Büro EY Hoffmann, die über 600.000 Euro gekostet haben soll (1) und bei der Studienautoren beauftragt wurden, auf die sich der damalige Sozialminister Stöger verlassen konnte, dass sie Ergebnisse liefern, die seinen Vorstellungen entsprechen. Auch Ministerin Hartinger-Klein gab zahlreiche Gutachten in Auftrag, die unter anderem bestätigten, dass die "Patientenmilliarde" durch die Kassenzusammenlegung bis 2023 möglich wäre. Dabei wusste jeder unabhängige Experte von vornherein, dass die "Patientenmilliarde" in diesem kurzen Zeitraum nicht erzielbar war. Aber auch innerhalb der Sozialversicherung wurde die Reformdebatte und die SV-Neuorganisation für die Vergabe von zahlreichen Beratungsleistungen, Studien und Gutachten genutzt (3). Nachdem nun kürzlich ein RH-Rohbericht bestätigt hat, dass die Ziele SV-Neuorganisation völlig verfehlt wurden und sogar Mehrkosten entstanden sind (4), ist es nun höchst an der Zeit, ans Licht zu bringen, wer konkret in den letzten Jahren im Zuge der SV-Neuorganisationen durch Studien, Beratungsleistungen und Gutachten mitgenascht hat.

Schon 2017 gab es Aufregung, weil die SVA unter Generaldirektor Aubauer, der früher bei Accenture gearbeitet hat, einen Millionenauftrag an dessen Ex-Arbeitgeber Accenture vergab (5). Medienberichten zufolge soll auch 2019 der Auftrag für die Beratung zur Fusion von SVA und SVB an Accenture gegangen sein (6). Die Freude darüber, dass zufällig wieder das Unternehmen aus dem persönlichen Netzwerk des Generaldirektors zum Zug kam, dürfte auf allen Seiten groß gewesen sein.

Den Feststellungen des Rechnungshofes zufolge war der Geldverschwendung Tür und Tor geöffnet. So berichtet der Rechnungshof:
"Bei der ÖGK führte ein Beratungsunternehmen in den Jahren 2019 und 2020 Tätigkeiten im Projektmanagement durch. Eine Mitarbeiterin dieses Beratungsunternehmens nahm dabei auch Aufgaben der Rechnungskontrolle wahr. Sie überprüfte auch die rechnerische Richtigkeit von Rechnungen des Beratungsunternehmens, bei dem sie beschäftigt war. Weiters hatten Beschäftigte dieses Beratungsunternehmens eine E-Mail-Adresse der ÖGK, ihre E-Mails wiesen Logo und Adresse der ÖGK auf, weshalb ihre Tätigkeit nicht als die einer unternehmensfremden Person erkennbar war." Eine Mitarbeiterin des Beratungsunternehmens "kontrollierte" also die Rechnungen des Beratungsunternehmens.

Außerdem wurden laut Rechnungshof Leistungen wie Terminkoordination, Protokollführung, Seminarbewirtung, Unterstützung bei der Bestellung von Geschirr oder Austausch von Türschildern im Zuge dieser Beratungsleistungen zugekauft, wobei die Stundensätze für diese administrativen Hilfstätigkeiten von EUR 67 bis EUR 93 betrugen.

Weiters berichtet der Rechnungshof von einer mündlichen Auftragsvergabe durch den Büroleiter des Dachverbandes im Volumen von EUR 68.250 plus USt, ohne dass Vergleichsangebote gelegt wurden. Die gültigen Richtlinien hätten die Einholung von Vergleichsangeboten verlangt.

 

Quellen:

(1) https://medonline.at/216594/2017/lse-studie-eine-studie-fuer-jeden-geschmack/

(2) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_04052/index.shtml

(3) https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2017712-Kassenfusion-als-gutes-Geschaeft-fuer-Berater.html?em_cnt_page=2

(4) https://www.profil.at/oesterreich/rechnungshof-bericht-die-patientenmilliarde-war-ein-schmaeh/402059995

(5) https://www.derstandard.at/story/2000067608387/sva-sorgt-mit-beratervertrag-fuer-kritik

(6) https://www.derstandard.at/story/2000097283679/erste-kassenfusion-kostet-allein-heuer-10-5-millionen-euro

 

 


 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche finanziellen Aufwände für Beratungsleistungen, Studien und Gutachten fielen im Zuge der SV-Neuorganisation (Umsetzung des SV-OG) beim BMASGK bzw. BMSGPK und den SV-Trägern seit 2015 an? (nach Jahr, SV-Träger/Ministerium und Auftragnehmer)
    1. Wo sind diese Beratungsleistungen, Studien und Gutachten offengelegt? Wenn nicht offengelegt, bitte um Offenlegung.
  1. Wann und über welche Kommunikationskanäle wurden diese Beratungsleistungen ausgeschrieben
    1. für die beraterische Vorbereitung und Begleitung der Fusion der Gebietskrankenkassen zur ÖGK?
    2. für die beraterische Vorbereitung und Begleitung der Fusion von SVA und SVB zur SVS?
    3. für die beraterische Vorbereitung und Begleitung der Fusion von BVA und VAEB zur BVAEB?
    4. für die beraterische Vorbereitung und Begleitung der Umgestaltung des Hauptverbandes in den Dachverband?
  1. Wie viele Angebote wurden für die beraterische Vorbereitung und Begleitung der Fusion der Gebietskrankenkassen zur ÖGK gelegt?
  2. Wie viele Angebote wurden für die beraterische Vorbereitung und Begleitung der Fusion von SVA und SVB zur SVS gelegt??
  3. Wie viele Angebote wurden für die beraterische Vorbereitung und Begleitung der Fusion von BVA und VAEB zur BVAEB gelegt?
  4. Wie viele Angebote wurden für die beraterische Vorbereitung und Begleitung der Umgestaltung des Hauptverbandes in den Dachverband gelegt??
  5. Wie hoch waren die Kosten für die externe Durchführung des Vergabeverfahrens (der Vergabeverfahren je Träger)?
  6. Welche Stelle beurteilte die Angebote inhaltlich auf ihre Eignung, die Ziele des SV-OG (Vereinheitlichung von Leistungen, Reduktion der Verwaltungskosten, Reduktion des Personalstandes) zu erreichen?
  7. Welche Ergebnisse brachte die Beurteilung der Angebote auf ihre Eignung, die Ziele des SV-OG (Vereinheitlichung von Leistungen, Reduktion der Verwaltungskosten, Reduktion des Personalstandes) zu erreichen?
  8. Was war der genaue Inhalt der Vereinbarung über die Beratung und Projektbegleitung?
  9. War die Reduktion der Verwaltungskosten auch Teil der Ausschreibung der Beratungsleistung und Projektbegleitung?
    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. War die Reduktion der Verwaltungskosten auch Teil der Vereinbarung über die Beratung und Projektbegleitung?
    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. War die Vereinheitlichung von Leistungen auch Teil der Ausschreibung der Beratungsleistung und Projektbegleitung?
    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. War die Vereinheitlichung von Leistungen auch Teil der Vereinbarung über die Beratung und Projektbegleitung?
    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. War die Reduktion des Personalstandes auch Teil der Ausschreibung der Beratungsleistung und Projektbegleitung?
    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. War die Reduktion des Personalstandes auch Teil der Vereinbarung über die Beratung und Projektbegleitung?
    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. An welche(s) Unternehmen wurden die Beratungsleistungen für die Fusion der Gebietskrankenkassen zur ÖGK vergeben?
  2. An welche(s) Unternehmen wurden die Beratungsleistungen für die Fusion von SVA und SVB zur SVS vergeben?
  3. An welche(s) Unternehmen wurden die Beratungsleistungen für die Fusion von BVA und VAEB zur BVAEB vergeben?
  4. An welche(s) Unternehmen wurden die Beratungsleistungen für die Umgestaltung des Hauptverbandes in den Dachverband vergeben?
  5. Wie viele Beratungsstunden wurden für Beratungsleistungen rund um die Fusion der Gebietskrankenkassen zur ÖGK verrechnet?
  6. Wie viele Beratungsstunden wurden für Beratungsleistungen rund um die Fusion von SVA und SVB zur SVS verrechnet?
  7. Wie viele Beratungsstunden wurden für Beratungsleistungen rund um die Fusion von BVA und VAEB zur BVAEB verrechnet?
  8. Wie viele Beratungsstunden wurden für Beratungsleistungen rund um die Umgestaltung des Hauptverbandes in den Dachverband verrechnet?
  9. Wie erfolgte die Bemessung der Beratungshonorare?
  10. Durch wen erfolgte die Bemessung der Beratungshonorare?
  11. Wie erfolgte die Bemessung der erforderlichen Beratungsstunden?
  12. Welche Schritte setzte das Ministerium, um die Beratungshonorare im Rahmen zu halten?
  13. Welche Konsequenzen zieht das BMSGPK als Aufsichtsbehörde, wenn der Büroleiter des Dachverbandes richtlinienwidrig einen Auftrag ohne Vergleichsangebote mündlich vergibt?
  14. Welche Maßnahmen setzt das BMSGPK als Aufsichtsbehörde, um Auftragsvergaben auf Grund persönlicher Verbandelungen wie zwischen SVS und Accenture zu unterbinden?
  15. Welche Kontrollschritte hat das BMSGPK als Aufsichtsbehörde gesetzt, um die auffällige Häufung von Millionenaufträgen aus der SVA (SVS) an Accenture auf ihre sachliche Rechtfertigung zu überprüfen?
  16. Wie stellt das BMSGPK als Aufsichtsbehörde sicher, dass SV-Träger nicht Tätigkeiten wie Terminkoordination, Protokollführung, Seminarbewirtung, Unterstützung bei der Bestellung von Geschirr oder Austausch von Türschildern an Consultingunternehmen auslagern?
  17. Welche Konsequenzen zieht das BMSGPK als Aufsichtsbehörde, wenn SV-Träger, wie vom RH aufgedeckt, eben doch Tätigkeiten wie Terminkoordination, Protokollführung, Seminarbewirtung, Unterstützung bei der Bestellung von Geschirr oder Austausch von Türschildern an Consultingunternehmen auslagern?



Das Gesamtprojekt "Umsetzung SV-OG"

 

  1. Wer koordinierte die vier Projekte (Fusion ÖGK, Fusion SVS, Fusion BVAEB, Neugestaltung Dachverband) im Sinne des Gesamtprojekts "Umsetzung SV-OG"?
  2. Welche Beratungsleistungen wurden für die Koordination der vier Projekte ausgeschrieben?
  3. Welche Beratungsleistungen wurden für die Koordination der vier Projekte zugekauft?
  4. An welche(s) Unternehmen wurden die Beratungsleistungen vergeben für die Koordination der vier Projekte?
  5. Wie viel Geld wurde für Beratungsleistungen zur Koordination der vier Projekte ausgegeben?
  6. Hat das BMSGPK als Aufsichtsbehörde die Fusionserfolge aus den vier Projekten evaluiert?
    1. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Hat das BMSGPK als vollziehendes Ministerium evaluiert, inwiefern die Ziele des SV-OG (Leistungsharmonisierung, Reduktion der Verwaltungskosten, Personalreduktion) erreicht wurden?
    1. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
    2. Wenn nein, warum nicht?