11781/J XXVII. GP

Eingelangt am 08.07.2022
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Anfrage

 

der Abgeordneten Silvan, Muchitsch, Kucher, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend eines Berichts im Nachrichtenmagazin Profil über einen vernichtenden Rechnungshofrohberichtes zur türkis-blauen Krankenkassenreform, die weder Verbesserungen für die österreichischen Versicherten noch die versprochene Patientenmilliarde mit sich gebracht hat

 

Der ehemalige ÖVP Bundeskanzler Sebastian Kurz verspricht im Dezember 2018 in einem Pressegespräch den Österreicher*innen eine Patientenmilliarde:

 

Screenshot von der Homepage des Bundeskanzleramtes

 

Mehr Details zu weiteren Versprechungen die den österreichischen Versicherten seinerzeit gemacht wurden, sind auf der nachstehenden Seite des Bundeskanzleramtes nachzulesen:

Bundeskanzler Kurz: Sozialversicherungsreform bringt "Patientenmilliarde" - Nachrichten aus der Bundesregierung - Bundeskanzleramt Österreich

 

Das Nachrichtenmagazin Profil berichtet nun jedoch in einem Online-Artikel vom 02. Juli 2022 über einen vernichtenden Rechnungshofrohbericht hinsichtlich der türkis-blauen Kassenreform. So sollen statt der versprochenen Patientenmilliarde also anstatt eine Milliarde durch die Reform einzusparen, Mehrkosten von 215 Millionen Euro angefallen sein. Die versprochene Leistungsharmonisierung am obersten Niveau lässt zu dem weiterhin auf sich warten.

 

Unter anderem zitiert Profil aus dem Rechnungshofrohbericht: „Nun ist es amtlich, die Patientenmilliarde existiert nicht, nicht einmal ein Cent wurde eingespart!“

Weiters ist in dem Artikel zu lesen: „Es wurde also Logo getauscht und der laufende Betrieb gesichert – aber nicht gespart.

 

Oder: Die Coronakrise taugt übrigens nicht als Ausrede für die Kostenexplosion: Da die Patienten während der Pandemie weniger medizinische Leistungen in Anspruch nahmen, fiel das Ergebnis der ÖGK für das Jahr 2020 sogar besser aus als geplant.

 

Den vollständigen Artikel zum türkis-blauen Supergau der Kassenfusion finden sie hier: Rechnungshof-Bericht: Die Patientenmilliarde war ein Schmäh | profil.at

 

 

Im Sinne der österreichischen Versicherten und da ihr Ministerium über die Sozialversicherungen aufsichtspflichtig ist, stellen die unterfertigten Abgeordneten daher an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende

 

 

Anfrage

 

1.     Können Sie das kolportierte Prüfergebnis des Rechnungshofes hinsichtlich der Kassenfusion, das statt der versprochenen Patientenmilliarde, die den österreichischen Versicherten zu Gute kommen sollte, Mehrkosten durch die Fusion i.d. Höhe von über 215 Millionen Euro aufweist, nachvollziehen?

 

2.     Wenn durch die Kassenreform keine Einsparungen zum Wohle der Patient*innen aber auch keine Harmonisierung der Leistungen am obersten Niveau erzielt werden können, welchen Sinn und Zweck hatte die Kassenreform ihrer Meinung nach dann?

 

3.     Gibt es in Ihrem Ressort Berechnungen zur Patienten-Milliarde oder sind ihnen Berechnungen anderer Ressorts (insbesondere aus dem Bundeskanzleramt) bekannt?

 

4.      Gibt es in Ihrem Ressort in den Akten des Ministerbüros (Hartinger-Klein und auch der Nachfolger*innen) Akten, die die wahre Berechnung der Patienten-Milliarde erklären?

 

5.      Wurden durch Ihr Ressort (Hartinger-Klein und Nachfolger*innen) dem Bundeskanzler (Kurz und Nachfolger*innen) diesbezügliche Berechnungen zur Verfügung gestellt?

 

6.      Ist es richtig, dass Ernst & Young ein Gefälligkeitsgutachten geschrieben hat, das die vermeintlichen Einsparungen der Verwaltungskosten unterstrich, um sodann als Wirtschaftsprüfer in der ÖGK eingesetzt zu werden?

 

7.      Welche Konsequenzen hat das offensichtlich unrichtige Gefälligkeitsgutachten von E&Y Partner Hoffmann, das das Sozialministerium bezahlt hat? In welcher Form plant Ihr Ressort Schadenersatz geltend zu machen?

 

8.      Welche anderen Aufträge hat E&Y von Ihrem Ressort, dem Dachverband oder den Sozialversicherungsträgern erhalten? Bitte um Aufstellung seit 1.1.2019.

 

9.      Welche sachliche Begründung gibt es im Behördenakt dafür, E&Y Hoffmann als Gutachter zu wählen? Was war seine Qualifikation?

 

10. Welche Kosten sind für dieses Gutachten entstanden?

11. Halten Sie an der Harmonisierung der Leistungen am obersten Niveau für alle Patient*innen, die eines der Hauptziele der Kassenreform ausgegeben worden ist weiterhin fest?
a) Wenn ja, mit welchen Kosten ist hier zu rechnen?
b) Wenn ja, mit welchem Fortschritt rechnen Sie in den nächsten beiden Jahren?
c) Welche Leistungen wurden bis dato am obersten Niveau harmonisiert?

 

12. Kritik soll es auch den der Darstellung bzw. Sicherung der regionalen Versorgung je Bundesland geben, welche Maßnahmen wollen Sie hier in Zukunft setzen?

 

13. Bei der Auflösung einzelner Betriebskrankenkassen soll mehr Geld in Privatstiftungen und weniger Geld in die ÖGK übertragen worden sein. Können Sie dies bestätigen?

 

14. Mit dem kürzlich im Parlament beschlossenen Teuerungs-Entlastungspaket entzieht die Bundesregierung der ÖGK infolge Absenkung des „besonderen Pauschbetrags“ (§ 319a ASVG) weitere € 69 Millionen pro Jahr ab 2023. Wie rechtfertigen Sie diesen weiteren Anschlag auf die Finanzierung des allgemeinen Gesundheitssystems (ÖGK) vor dem Hintergrund des Rohberichts des Rechnungshofes über die SV Fusion?

 

15. Durch die Erhöhung der Mittel für den PRIKRAF sind der ÖGK zusätzlich 14,7 Millionen Euro entzogen worden. Wie sollen diese Millionen der ÖGK, also den österreichischen Versicherten, ersetz werden?

 

16. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der PRIKRAF generell anfällig für eine missbräuchliche Verwendung von Geldern der Versicherten ist. Bis wann planen Sie den PRIKRAF aufzulösen?

 

17. Weiters wurden die Mittel aus dem Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz um 30 Millionen gekürzt. Wie sollen diese zukünftig der ÖGK ersetzt werden?

 

18. Seit der Durchführung der Kassenreform gibt es in Österreich neben der neuen Österreichischen Gebietskrankenkasse (ÖGK), die mit Abstand die meisten Versicherten versorgt, auch die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) sowie die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB). In diesen drei Kassen gibt es eine jeweils eine unterschiedliche Risikostruktur, d.h. dass sich in einzelnen Kassen gewisse Risiken sammeln (niedrigere Einkommen, Krankheiten, Alter, usw..). Dies führt für die Versichertengemeinschaft zu einer ungleichen Belastung. Bis wann wollen Sie dieses finanzielle Risiko durch einen finanziellen Risikostrukturausgleich bereinigen? Gibt es dazu in ihrem Ministerium Berechnungen und wenn ja welche?

 

19. Die sogenannten Hebesätze – das sind Mittel, die die Krankenversicherung aus der Pensionsversicherung für die Krankenversicherung der Pensionist*innen bekommt – sind zwischen den drei KV-Träger, ÖGK, BVAEB und SVS deutlich unterschiedlich geregelt. Die landwirtschaftlich Versicherten erhalten am meisten Geld, der größte Unselbstständigen-Träger ÖGK deutlich weniger. Wie begründen Sie diese Ungleichbehandlung, wann werden die Hebesätze harmonisiert?

 

20. In der Gesundheitspolitik sind Finanzziele verdeckte Sparpakte zu Lasten der Versicherten, wie garantieren Sie den Versicherten weiterhin angemessene Gesundheitsversorgung ohne Behandlungsbeiträge und Zuzahlungen?

21. Das im Verfahren vor dem VfGH vorgebrachte richtige Gutachten zu den Verwaltungskosten muss auch von Ihrem Ressort bewertet worden sein: was war der Inhalt des Behördenaktes dazu, mit welchen Begründungen ist Ihr Ressort dagegen vorgegangen?

 

22. Warum haben Sie das VfGH Erkenntnis zu § 133 B-KUVG noch nicht umgesetzt?

 

23. Gibt es diesbezüglich einen Entwurf Ihres Ressorts?

 

24. Haben Sie die diesbezügliche Rechtssituation bewertet?

 

25. Handelt es sich um Amtsmissbrauch, eine höchstgerichtliche Entscheidung durch Unterlassung nicht umzusetzen?

 

26. Zur Konferenz des Dachverbands: Warum ist VfGH-Entscheidung zu § 133 B-KUVG nicht in der Konferenz abgebildet? Warum sind hier die Mehrheiten nicht angepasst?

 

27. Was bedeutet das für getroffene Entscheidungen der BVAEB? Sind die Beschlüsse der Verwaltungskörper rechtswidrig? Und was bedeutet dies für die ausgesprochenen Bescheide?

 

28. Abschließend noch eine Frage zur Parität im Verwaltungsrat der ÖGK: Halten Sie diese für gerechtfertigt, obwohl Arbeitgeber nicht in der ÖGK versichert sind und Arbeitnehmer*innen einen Großteil der Beiträge zur ÖGK leisten?