11950/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.07.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,
an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Entschädigung für Opfer homophober Strafgesetze

Im Jahr 2021 jährte sich die Entkriminalisierung von homosexuellen Handlungen unter Erwachsenen durch die Kleine Strafrechtsreform der Regierung Kreisky I zum 50. Mal. Österreich war damals eines der letzten europäischen Länder, das diesen wichtigen Schritt zur Gleichstellung von Homosexuellen setzte. Doch mit dem Ende der §§ 129 I b (Tat) und 130 (Strafmaß) zum Verbot von "Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts" traten vier neue Strafrechtsparagraphen in Kraft, die die Rechte dieser Personengruppe noch für lange Zeit einschränkten. Der letzte dieser Paragraphen (§ 209) bez. der Festsetzung von unterschiedlichen Mindestaltern zwischen homo- und heterosexuellen Beziehungen blieb bis zu einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes im Jahr 2002 in Kraft.

Für die tausenden Menschen, die wegen einem dieser Paragraphen angezeigt und verurteilt, bedeutete eine Verurteilung nicht nur öffentliche Stigmatisierung, sondern oft auch den Verlust von Arbeitsplätzen, Einkommen und Existenzen. Am 7. Juni 2021 setzte die Bundesministerin für Justiz mit einer öffentlichen Entschuldigung der Justiz gegenüber den Opfern dieser homophoben Strafgesetze ein wichtiges Zeichen. Diesen Worten müssen aber auch Taten folgen. Dazu braucht es Gesetzgebung, mit der die Opfer homophober Strafgesetze rehabilitiert werden und die Möglichkeit geschaffen wird, Urteile, die gemäß § 129 I b StG sowie nach 1971 gemäß den §§ 209, 210, 220 und 221 StGB gefällt worden sind, offiziell für nichtig zu erklären und als Unrechtsurteile aufheben zu lassen, sowie die Opfer entsprechend zu entschädigen - sofern es sich im Einzelfall um keine Straftatbestände handelte, die auch heute strafbar wären. Diese Entschädigung muss vor allem die beitragsfreie Anrechnung der Haftzeiten als Ersatzzeit auf die Pensionsversicherungszeit, die entsprechend verzinste Rückzahlung verhängter Geldstrafen sowie die pauschale Abgeltung für allfällige Anwalts- und Gerichtskosten für jedes Haftmonat umfassen. Auch andere Sanktionen, von denen Verurteilte betroffen waren (Aberkennung akademischer Grade, Entzug von Gewerbeberechtigungen, Führerscheinverlust etc.), müssen aufgehoben und entschädigt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Arbeitet Ihr Ressort momentan an einem Gesetzesentwurf, mit dem die Entschädigung der Opfer homophober Strafgesetze geregelt werden soll?

2.    Wann wird eine dementsprechende Regierungsvorlage dem Parlament zur Beschlussfassung vorgelegt werden?

3.    Welche anderen Bundesministerien oder Betroffenen-Organisationen sind die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfes eingebunden?

4.    Welche Abteilung innerhalb Ihres Ressorts ist für die Ausarbeitung dieses Gesetzesentwurfes zuständig?

5.    Welche konkreten Ziele sollen mit einem entsprechenden Gesetzesentwurf aus Sicht Ihres Ressorts verfolgt werden?

a.    Soll insbesondere eine Nichtigerklärung aller Urteile nach § 129 I b (bis 1971) erreicht werden?

b.    Soll insbesondere eine Nichtigerklärung aller Urteile nach §§ 209, 210, 220 und 221 StGB erreicht werden?

6.    Wie sollen aus Sicht Ihres Ressorts gerechte Entschädigungsleistungen für die Opfer der §§ 129 I b (bis 1971), sowie 209, 210, 220 und 221 StGB in einem entsprechenden Gesetzesentwurf geregelt werden?

a.    Soll insbesondere die beitragsfreie Anrechnung der Haftzeiten als Ersatzzeit auf die Pensionsversicherungszeit Teil eines entsprechenden Gesetzesentwurfes sein?

b.    Soll insbesondere die verzinste Rückzahlung verhängter Geldstrafen Teil eines entsprechenden Gesetzesentwurfes sein?

c.     Soll insbesondere die pauschale Abgeltung allfälliger Anwalts- und Gerichtskosten für jedes Haftmonat Teil eines entsprechenden Gesetzesentwurfes sein?

7.    Wie sollen aus Sicht Ihres Ressorts andere Sanktionen, unter denen die genannte Gruppe zu leiden hatte - Aberkennung akademischer Grade, Entzug von Gewerbeberechtigungen, Führerscheinverlust etc. - in einem entsprechenden Gesetzesentwurf konkret geregelt werden?

8.    Wie soll aus Sicht Ihres Ressorts bei der Gestaltung allfälliger Entschädigungen sichergestellt werden, dass es sich bei den zugrundeliegenden Verurteilungen im Einzelfall um keine Straftatbestände handelte, die auch heute strafbar wären.

9.    Sollen auch juristische Personen - beispielsweise Vereine, die nach § 221 StGB aufgelöst wurden und sich erst später erneut gründen konnten - in allfällige Entschädigungs- oder Kompensationsleistungen einbezogen werden?

10.  Sind Sie mit den Präsident*innen des Nationalrats oder Bundesrats bzw. mit der Parlamentsdirektion hinsichtlich eines allfälligen Zeichens der Entschuldigung gegenüber den Opfern homophober Strafgesetzes seitens des Parlaments, wie es auch in Deutschland gesetzt wurde, in Kontakt?

a.    Wenn ja, welche Ziele werden dabei konkret verfolgt?

b.    Wenn nein, warum sehen Sie dazu keine Notwendigkeit?

11.  Bereits in der Anfragebeantwortung 6537/AB vom 12.7.2021 haben Sie hinsichtlich allfälliger Budgetmittel für die Umsetzung von Entschädigungszahlungen festgestellt, dass Sie sich „bei den kommenden Budgetverhandlungen (...) für die dafür notwendigen Ressourcen einsetzen“ wollen - entsprechende Mittel waren aber nicht Teil des derzeitigen Bundesbudgets: Wie konkret planen Sie, die notwendigen Mittel für Ihre dahingehenden Ankündigungen im kommenden Budgetentwurf zu verankern?

12. Welche Budgetmittel sind aus Ihrer Sicht für die Umsetzung der von Ihnen geplanten Entschädigungszahlungen notwendig und wie wurde diese Höhe konkret ermittelt? Bitte um detaillierte Antwort.

13.  Gab es hinsichtlich dieser Budgetmittel bereits Verhandlungen mit Ihrem Koalitionspartner?

a.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.    Wenn nein, wann sind diese Gespräche geplant?