11953/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.07.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Fachfremder Unterricht in Mittelschulen und Gymnasien

 

Sowohl Lehrerinnen und Lehrer an Landesschulen (etwa an Mittelschulen) als auch Lehrerinnen und Lehrer an Bundesschulen (etwa an AHS) dürfen per Gesetz auch für den Unterricht in Gegenständen eingesetzt werden, für die sie nicht lehrbefähigt sind, die sie also nicht studiert haben. 

Bei Landeslehrpersonen ist dies "erforderlichenfalls" der Fall, bei Bundeslehrpersonen viel enger gefasst nur "aus wichtigen dienstlichen Gründen (...) vorübergehend":

Auch in der gängigen Praxis findet an Mittelschulen weitaus öfter fachfremder Unterricht statt, als an Gymnasien. Argumentiert wird dies üblicherweise mit der Schulgröße: AHS haben im Schnitt deutlich mehr Klassen und somit insgesamt mehr Lehrkräfte als Mittelschulen. 

Klar ist jedoch, dass diese seit langem bestehende Praxis zulasten der Unterrichtsqualität und somit vor allem zulasten der Bildungschancen der Mittelschüler_innen geht. So ist etwa mit einer eingeschränkten Methodenvielfalt im Unterricht von Fächern zu rechnen, deren Fachdidaktik die Lehrperson nicht erlernt hat (vgl. Raphaela Porsch, 2016: "Fachfremd unterrichten in Deutschland", siehe https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&id_artikel=ART101856&uid=frei, S. 26). Dies ist auch aus Sicht der Chancengerechtigkeit im Bildungssystem problematisch. 

Um mehr über das Ausmaß dieses Phänomens zu erfahren stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie viele Unterrichtsstunden (oder Wochenstunden, wenn dies leichter zu erheben ist) wurden im Schuljahr 2021/22 in Österreichs Mittelschulen von Lehrpersonen gehalten, die für das betreffende Fach nicht lehrbefähigt waren? Bitte um Aufschlüsselung in absoluten Zahlen und in Prozent, insgesamt und nach Bundesländern. 
    1. Im Gegenstand Religion
    2. Im Gegenstand Deutsch
    3. Im Gegenstand Lebende Fremdsprache
    4. Im Gegenstand Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung
    5. Im Gegenstand Geographie und Wirtschaftskunde
    6. Im Gegenstand Mathematik
    7. Im Gegenstand Biologie und Umweltkunde
    8. Im Gegenstand Chemie
    9. Im Gegenstand Physik
    10. Im Gegenstand Musikerziehung
    11. Im Gegenstand Bildnerische Erziehung
    12. Im Gegenstand Technisches und textiles Werken
    13. Im Gegenstand Bewegung und Sport
    14. Im Gegenstand Ernährung und Haushalt
    15. Verbindliche Übung Berufsorientierung
    16. Verbindliche Übung Digitale Grundbildung
  1. Wie viele Unterrichtsstunden (oder Wochenstunden, wenn dies leichter zu erheben ist) wurden im Schuljahr 2021/22 in Österreichs AHS-Unterstufen von Lehrpersonen gehalten, die für das betreffende Fach nicht lehrbefähigt waren? Bitte um Aufschlüsselung in absoluten Zahlen und in Prozent, insgesamt und nach Bundesländern. 
    1. Im Gegenstand Religion
    2. Im Gegenstand Deutsch
    3. Im Gegenstand Lebende Fremdsprache
    4. Im Gegenstand Latein
    5. Im Gegenstand Zweite lebende Fremdsprache
    6. Im Gegenstand Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung
    7. Im Gegenstand Geographie und Wirtschaftskunde
    8. Im Gegenstand Mathematik
    9. Im Gegenstand Geometrisches Zeichnen
    10. Im Gegenstand Biologie und Umweltkunde
    11. Im Gegenstand Chemie
    12. Im Gegenstand Physik
    13. Im Gegenstand Musikerziehung
    14. Im Gegenstand Bildnerische Erziehung
    15. Im Gegenstand Technisches und textiles Werken
    16. Im Gegenstand Bewegung und Sport
    17. Im Gegenstand Ernährung und Haushalt
    18. Verbindliche Übung Berufsorientierung
    19. Verbindliche Übung Digitale Grundbildung
  1. Was ist Ihnen über den langfristigen Trend hinsichtlich des fachfremden Unterricht bekannt?
    1. Hat das Ausmaß des fachfremden Unterrichts in den letzten 5 Jahren zugenommen? Wenn ja, warum?
    2. Hat das Ausmaß des fachfremden Unterrichts in den letzten 5 Jahren abgenommen? Wenn ja, warum?
    3. Liegen Ihnen Prognosen vor, wie sich das Ausmaß des fachfremden Unterrichts in den nächsten Jahren voraussichtlich entwickeln wird?

                                          i.    Wenn ja, bitte um Nennung der Zahlen insgesamt und, falls vorhanden, nach Schulart und Bundesländern.

                                        ii.    Wenn nein, planen Sie solche Prognosen in Zukunft zu erstellen?

  1. Welche Maßnahmen werden seitens des BMBWF und der Bildungsdirektionen gesetzt, um fachfremd unterrichtende Lehrpersonen zu unterstützen?
    1. Zusätzliche Fortbildung (z.B. fachliche und fachdidaktische Nachqualifizierungsmaßnahmen im fachfremd unterrichteten Gegenstand)

                                          i.    Wenn zutreffend, bitte um Beschreibung und Quantifizierung.

                                        ii.    Wenn nicht zutreffend, warum nicht?

    1. Supervision, Mentoring, Coaching 

                                          i.    Wenn zutreffend, bitte um Beschreibung und Quantifizierung.

                                        ii.    Wenn nicht zutreffend, warum nicht?

    1. Sonstige Maßnahmen

                                          i.    Wenn zutreffend, bitte um Beschreibung und Quantifizierung.

    1. Bitte um Nennung der Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesen Maßnahmen in den letzten beiden verfügbaren Schuljahren. 
  1. Sind Ihnen österreichische Studien über die Auswirkungen fachfremden Unterrichts (und ggf. die Wirkung begleitender Maßnahmen) bekannt?
    1. Wenn ja, welche? 
    2. Wenn nein, planen Sie solche in Auftrag zu geben?
  1. Gibt es seitens des BMBWF Strategien und Maßnahmen, die zum Ziel haben, das Ausmaß des fachfremden Unterrichts zu reduzieren?
    1. Wenn ja, welche?
    2. Wenn nein, sind solche zukünftig geplant?
  1. Gibt es seitens des BMBWF Strategien und Maßnahmen, die zum Ziel haben, die negativen Auswirkungen fachfremden Unterrichts zu reduzieren?
    1. Wenn ja, welche?
    2. Wenn nein, sind solche zukünftig geplant?
  1. Seit der Reform des Lehramtsstudiums werden Lehrerinnen und Lehrer für den Unterricht in der Sekundarstufe einheitlich ausgebildet und können, sofern entsprechende Stellen frei sind und sie im Bewerbungsverfahren erfolgreich sind, zwischen Mittelschulen und AHS wählen. Dies führt - in Verbindung damit, dass das Bewerbungszeitfenster der Bundesschulen vor dem Bewerbungszeitfenster der Allgemeinen Pflichtschulen gelagert ist - zu einem "Abwanderungsdruck" zulasten der Mittelschulen, obwohl aufgrund der größeren pädagogischen Herausforderungen gerade an Mittelschulen die besten Lehrkräfte benötigt würden.
    1. Gibt es seitens des BMBWF Überlegungen, mit welchen Anreizen oder anderen Maßnahmen dieser Entwicklung gegengesteuert werden soll? Wenn ja, welche?
    2. Warum gibt es unterschiedliche Bewerbungszeitfenster für Bundesschulen und für Allgemeine Pflichtschulen? Ist angedacht, die Bewerbungszeitfenster zukünftig zu vereinheitlichen?