11954/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.07.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Süleyman Zorba, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Öffentliches Warnsystem

BEGRÜNDUNG

Gemäß Art. 110 der Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für elektronische Kommunikation („EECC-RL“) sind alle EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, ein textbasiertes, öffentliches Notfall-Warnsystem einzuführen. Ziel ist es, im Falle drohender oder sich ausbreitender größerer Notfälle und Katastrophen, betroffene Bürger:innen durch Nachrichten an mobile Endgeräte vor den jeweiligen Auswirkungen zu warnen bzw. sie darüber zu informieren.

Die EECC-RL stellt zwei Optionen für ein öffentliches Warnsystem zur Verfügung:

1.    mobile nummerngebundene interpersonelle Kommunikationsdienste;

2.    alternative öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsdienste, oder über einen Internetzugangsdienst verfügbare mobile Anwendungen, sofern die Effektivität des öffentlichen Warnsystems in Bezug auf Abdeckung und Kapazität zur Erreichbarkeit der Endnutzer der 1. Option gleichwertig ist.

Die Frist zur Umsetzung eines derartigen Warnsystems ist kürzlich abgelaufen.

In den verschiedenen Mitgliedstaaten werden bereits unterschiedliche Technologien für die öffentlichen Warnsysteme genutzt: lokale SMS (z. B. in Schweden), Cell Broadcasting (z. B. in den Niederlanden), App-basierte Dienste (z. B. in Finnland) oder eine Kombination aus mehreren Systemen.[I]

Deutschland hatte zunächst auf Warn-Apps wie NINA oder KATWARN gesetzt. Die Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 führte jedoch zu einem Umdenken, da die Warn-Apps insgesamt nur auf eine Reichweite von 15% der Nutzer:innen kamen. Daher soll jetzt ein Cell Broadcast System zum Einsatz kommen.

Im österreichischen Recht wurde Art. 110 EECC-RL mit § 125 TKG 2021 umgesetzt.

Gemäß Abs. 5 leg cit hätte die - damals noch zuständige - Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres bis 21. Juni 2022 unter Berücksichtigung einschlägiger internationaler Normen und Standards durch Verordnung festlegen müssen, in welcher technischen Form die Warn-Nachrichten von Anbieter:innen den Endnutzer:innen zu übermitteln sind. Das ist soweit ersichtlich bisher nicht erfolgt. Mit 18.07.2022 wurden die Telekommunikationsagenden nunmehr dem Bundesministerium für Finanzen übertragen.

Zum Stand, sowie zu Art und Weise der Umsetzung eines öffentlichen Warnsystems iSd Art. 110 EECC-RL bestehen aus Sicht der Fragesteller:innen, insbesondere auch in Hinblick auf technische und datenschutzrechtliche Bedenken, noch einige offene Fragen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)   Wann ist die Inbetriebnahme eines öffentlichen Warnsystems geplant, das den Voraussetzungen des Artikel 110 EECC-RL entspricht?

2)    Wer ist in die Ausgestaltung des Warnsystems involviert (Telekommunikations- anbieter:innen, Forschungsinstitute etc.)?

3)    Welche textbasierten, öffentlichen Warnsysteme sind derzeit in Österreich bereits im Einsatz?

a.    Seit wann sind diese Warnsysteme in Österreich im Einsatz?

b.    Genügen diese Warnsysteme Ihrer Ansicht nach den Anforderungen der Verpflichtung aus Artikel 110 EECC-RL?

4)    Soll mit dem geplanten, öffentlichen Warnsystem nur eine Information der Bürger:innen erfolgen oder mittels einer Zwei-Wege-Kommunikation auch die Möglichkeit geschaffen werden, dass Endnutzer:innen direkt mit den Behörden, die Warnungen melden, in Kontakt treten? Wenn ja, wie wird dies technisch umgesetzt?

5)    Falls das bereits eingesetzte Warnsystem App-basiert ist:

a.    Ist diese Anwendung in Bezug auf Abdeckung und Kapazität zur Erreichbarkeit der Endnutzer:innen mobilen nummerngebundenen interpersonellen Kommunikationsdiensten gleichwertig?

b.    Wie häufig wurde nach Ihrer Kenntnis diese Anwendung heruntergeladen?

6)    Nach EG 294 der EECC-RL sollten die Endnutzer:innen sich nicht bei den Behörden oder dem Anbieter der Anwendung anmelden oder registrieren müssen. Ist dies bei den derzeit eingesetzten öffentlichen Warnsystemen der Fall?

7)    Können öffentliche Warnungen über die eingesetzten öffentlichen Warnsysteme von Endnutzer:innen, einschließlich Roaming-Kund:innen, leicht empfangen werden?

8)    Sind die eingesetzten öffentlichen Warnsysteme für Endnutzer:innen, einschließlich Roaming-Kund:innen, kostenlos verfügbar?

9)    Wie beabsichtigen Sie, Endnutzer:innen von Endgeräten ohne Internetzugang mit Warn-Meldungen zu erreichen?

10) Wie  viele Warn-Meldungen hat es in den letzten 5 Jahren in Fällen drohender oder sich ausbreitender größerer Notfälle und Katastrophen gegeben? (bitte nach Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene aufschlüsseln)

11) Welche Behörden haben die Möglichkeit, Meldungen über das öffentliche Warnsystem zu versenden?

12) Welche Stelle entscheidet, ob ein Fall eines drohenden oder sich ausbreitenden größeren Notfalls oder einer Katastrophe iSd § 125 TKG 2021 vorliegt?

13) Wie beabsichtigen Sie, zu verhindern, dass das öffentliche Warnsystem überstrapaziert wird und wegen Versendens zahlreicher Nachrichten in weniger gravierenden Fällen die Aufmerksamkeit der Endnutzer:innen im Endeffekt für lebensnotwendige Warnungen verloren geht?

14) Wie beabsichtigen Sie sicherzustellen, dass das öffentliche Warnsystem, im Falle einer Warnung an alle Nutzer:innen, die sich im Staatsgebiet der Republik Österreich aufhalten, die Last der zahlreichen gleichzeitig zu versendenden Nachrichten technisch problemlos bewältigen kann?

15) Welche Maßnahmen haben Sie implementiert, damit das öffentliche Warnsystem auch bei fehlender Stromversorgung aufrechterhalten wird?

16) Welche Maßnahmen haben Sie vorgesehen, um das Warnsystem vor Angriffen Dritter (etwa Hacker:innen) zu schützen? Wie wird verhindert, dass Dritte Zugriff auf das Warnsystem nehmen und darüber Falschmeldugen verbreiten, welche die Bevölkerung verunsichern könnten?

17) Wie wird sichergestellt, dass bei der Verwendung von Standortdaten der Endnutzer:innen im Rahmen des Einsatzes des öffentlichen Warnsystems datenschutzrechtlichen Anforderungen, insbesondere der Richtlinie 2002/58/EG entsprochen wird?

18) Können über

a.    das derzeit eingesetzte öffentliche Warnsystem,

b.    das geplante öffentliche Warnsystem

Bewegungsanalysen der Endnutzer:innen erstellt werden? Wenn ja, wer kann auf diese Daten zugreifen?

19) Gibt es auf EU-Ebene Absichten oder Pläne zur Einrichtung eines einzigen unionsweiten öffentlichen Warnsystems, mit dem die betroffene Bevölkerung im Falle von drohenden oder beginnenden Katastrophen oder größeren Notfällen in verschiedenen Mitgliedstaaten gewarnt werden kann?



[I] BEREC Guidelines on how to assess the effectiveness of public warning systems transmitted by different means, Annex 1 Punkt 2, abrufbar unter

https://www.berec.europa.eu/sites/default/files/files/document_register store/2020/6/BoR_%2820%29
115_BEREC_Guidelines_on_PWS.pdf.