11984/J XXVII. GP
Eingelangt am 02.08.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Gesetzwidrige Ausschreibung und Sideletter zum BVwG
Durch die mehrfache Verschiebung der Zuständigkeiten für das Bundesverwaltungsgericht bzw. für den Öffentlichen Dienst (BVwG: 2018 von BKA zu BMVRDJ, dann 2020 Verwaltungsgerichtsbarkeit zurück in BKA, organisatorische Angelegenheiten verbleibend bei BMJ; Öffentlicher Dienst: 2018 von BKA zu BMÖDS, später BMKÖS) kam es offenbar in der Regierung zu weitreichenden Verwirrungen über die korrekte Durchführung der Bestellung des_der Präsidenten_in des BVwG. Hierbei sei auf folgenden Blogbeitrag des Senatspräsidenten am VwGH, Dr. Hans Peter Lehofer verwiesen: „Wie der "Beamtenminister" versehentlich für die Ausschreibung der Präsidentin/des Präsidenten des BVwG zuständig wurde (und warum die Ausschreibung dennoch falsch ist)“, 10. Juli 2022, https://blog.lehofer.at/2022/07/BVwG.html.
Die „falsche“ Ausschreibung, die eine Kommission mit zwei Vertreter_innen des BMKÖS vorgesehen hatte wurde seither korrigiert auf je eine_n Vertreter_in des BMJ und „eines weiteren Bundesministeriums“.
Angesichts der organisatorischen Zuständigkeit des BMJ und der im u.a. durch das Magazin profil veröffentlichten und im Blogbeitrag zitierten Sideletter („BVwG à Präsident (2022): Nominierungsrecht ÖVP“) bleiben weitere Fragen offen.
Ihre Antworten im "ÖVP-Korruption"-Untersuchungsausschuss als auch Ihre Unkenntnis bzgl. umprofessionellen Naheverhältnissen zwischen Personen in relevanten Positionen im Ministerium vertiefen die Sorge(https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/KOMM/KOMM_00465/index.shtml):
"Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ich darf Ihnen Vorlage 25 vorlegen. Da steht „BVwG“ auf Seite 1 von 1, da steht „BVwG“ „Präsident (2022): Nominierungsrecht ÖVP“. Was machen wir jetzt da?
Dr. Alma Zadić, LL.M.: Also gesetzlich - - Also wie gesagt, ich habe es im Konkreten nicht oder im Detail gerade nicht gekannt, es ist aber so, das ist die Frage: ob es einen Handlungsbedarf insofern gibt. Und es ist halt so, dass das BVwG, also das BVwGG, in dieser Gesetzgebungsperiode erstmals zur Anwendung kommt, und es ist auch noch nicht absehbar, ob die Personalkommission der Praxis, die derzeit leider noch freiwillig ist, folgen wird – nämlich freiwillige Praxis, dass die Kandidaten tatsächlich auch gereiht werden. Wie Sie vielleicht auch meinen medialen Ausführungen entnehmen konnten, bin ich schon bestrebt, hier auch gewisse Änderungen vorzunehmen, dass tatsächlich auch gesetzlich eine Reihung vorgenommen werden muss.
Sollte das nicht der Fall sein, nämlich dass die Personalkommission entgegen der Erwartungen keine Reihung vornimmt, dann braucht es innerhalb der Bundesregierung einen Streitlösungsmechanismus, sonst entsteht einfach eine Blockade, denn wenn sich die Regierungsmitglieder nicht darauf verständigen können, wird es schwierig, und das halt nur für den Fall, sollte keine Reihung vorgenommen werden.
Wenn eine Reihung vorgenommen wird, ist es klar, meines Erachtens und für mich, und das habe ich auch immer kommuniziert, dass der Erstgereihte dem Präsidenten vorgeschlagen werden sollte, und sollte von der Personalkommission keine Reihung vorgenommen werden, braucht es einen Streitlösungsmechanismus innerhalb der Regierung, sollte die Regierung sich nicht verständigen.
Es ist ein Vorschlag nicht der Justizministerin, sondern ein Vorschlag der Bundesregierung und somit: im Ministerrat, wissen Sie, herrscht Einstimmigkeit, und da braucht es einen Streitbeilegungsmechanismus.
Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Im Sideletter steht „Nominierungsrecht ÖVP“, thematisch schließen wir eigentlich an das Letzte an, nämlich die Frage: Wer entscheidet im Endeffekt? Wie wird sich die Kommission in diesem Sinne nach § 2 BVwGG zusammensetzen? Wer wird entscheiden, wer in der Kommission sitzt, die entscheidet?
Dr. Alma Zadić, LL.M.: Es ist gesetzlich festgelegt, wer dort sitzt. Es gibt auch zwei Ministerien, die eigene Vertreter nominieren. Aber wenn Sie mir das Gesetz vorlegen, kann ich es Ihnen auch vorlesen.
Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Welche zwei Ministerien werden das sein? Und wer sucht dann die Personen aus? Müsste ja dann die ÖVP sein. (Die Auskunftsperson berät sich mit der Verfahrensanwältin.)
Dr. Alma Zadić, LL.M.: Ich weiß jetzt nicht, ob zwei - - ob beide Ministerien konkretisiert sind, aber ich gehe stark davon aus, im Gesetz stehen ja zwei Ministerien. Zum einen ist das üblicherweise, wenn das so steht, das Beamtenministerium und auch, weil Zuständigkeit Justizministerium, schätze ich mal, aus dem Justizministerium. Aber das weiß ich noch nicht, ja. Aber vielleicht legen Sie mir das Gesetz vor, dort steht es wirklich ganz genau drinnen.
Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Auch das tun Sie bitte selbst (erheitert). Und wir hoffen, dass Sie sich - -
Dr. Alma Zadić, LL.M.: Ja, aber Sie stellen die Frage.
Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Wir hoffen, dass der Sideletter in diesem Punkt Geschichte ist und es zu einem wirklich objektiven Verfahren kommt und werden das beobachten. (Die Auskunftsperson nickt.)
Dr. Alma Zadić, LL.M.: Ja, und vielleicht um es zu konkretisieren, vielleicht für die ZuseherInnen, weil es ja doch eine medienöffentliche Sitzung ist: Im Gesetz steht ganz klar: der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, also es sind wirklich viele Personen, auch Professoren sollen quasi in diese Personalkommission ernannt werden, und ich gehe davon aus, auch Gleichheitsbeauftragte. Also es sind wirklich viele Personen, die dort in dieser Kommission sitzen, und ich gehe davon aus, dass die Personalkommission auch eine Reihung vornehmen wird, was das Ganze auch etwas vereinfachen würde.
Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Wir werden sehen."
In einer Stellungnahme gegenüber dem STANDARD hieß es Ende Juli, dass man die Kommission erst nach Bewerbungsschluss zusammensetze (https://www.derstandard.at/story/2000137876316/tuerkis-gruener-sideletter-besetzung-am-bundesverwaltungsgericht-wird-zur-probe).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Da diese Formulierung bereits bei der erstmaligen Einrichtung gewählt wurde, ist davon auszugehen, dass damals Bewerbungen aus jenen Bereichen ermöglicht werden sollten, die erst durch die Etablierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit überhaupt in die Zuständigkeit von Richter_innen kamen.
Warum wird auch zehn Jahre nach der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit und in dieser Zeit stetig gewachsenem Personalstand, weiterhin die Bewerbung ohne praktische Erfahrung als Richter_in ermöglicht?