12010/J XXVII. GP
Eingelangt am 05.08.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Schutzpflicht gegenüber Dr. Kellermayr
Im Falle des tragischen Suizides der Ärztin Dr. Kellermayr ist die Frage zu klären, ob tatsächlich alle zuständigen Behörden und staatlichen Einrichtungen ihrer Verantwortung nachkamen, und insbesondere die Sicherheit der Ärztin gewährleisteten als auch effiziente Ermittlungen rund um Bedrohungen ihrer Person tätigten.
Wie Corinna Milborn und Magdalena Punz in einer Würdigung von Dr. Kellermayr (https://www.puls24.at/meinung/dr-lisa-maria-kellermayr-eine-wuerdigung/271669, auch die weiteren Zitate sind der Würdigung entnommen) schreiben, gerät diese eher zufällig in das Visier einer gefährlichen Szene: "Am 16. November 2021 demonstrieren Impfgegner vor dem Krankenhaus Wels-Grieskirchen. Kellermayr teilt ein Video und schreibt: 'Heute in Wels: Eine Demo der Verschwörungstheoretiker verlässt den Pfad unter den Augen von Behörden und blockiert sowohl den Haupteingang zum Klinikum als auch die Rettungsausfahrt des Roten Kreuzes.' Das ist nicht falsch - auch wenn das Krankenhaus später klarstellt, dass die Rettung die Straße in die andere Richtung nützen konnte und der Zugang zum Krankenhaus möglich war. Doch die Polizei antwortet ihr mit einem Tweet, in dem sie von 'Falschmeldung' spricht. Darunter beginnen üble Beschimpfungen. Kellermayrs Tweet mit der Antwort der Polizei geht in den einschlägigen Telegram-Gruppen viral. Eine Flut an Hass bricht über die Ärztin herein. Es ist der erste Kontakt Kellermayrs mit der Polizei Oberösterreichs, und er bleibt beispielhaft. Kellermayr löscht ihren Tweet und bittet die Polizei, zunächst persönlich und dann öffentlich, ihre Antwort ebenfalls zu löschen: 'Dieser Tweet ist Grundlage für eine Flut an Beschimpfungen, Verleumdungen, Drohungen und größte Anstrengungen von Anhängern der Szene, mir größtmöglichen Schaden zuzufügen. Er dient als Begründung, mich eine Lügnerin zu nennen, eine Hexe.' Die Polizei reagiert nicht. Der Tweet wurde bis heute nicht gelöscht.
Ab dem Tag wird Kellermayr gejagt und dabei alleine gelassen - online, aber auch in ihrer Praxis, die sie im November eröffnet hat. Sie berichtet von Patienten, die sie nur aufsuchen, um den Ordinationsbetrieb zu stören, die sie mit dem Handy aufnehmen und Schnipsel davon in Impfgegner-Kreisen verbreiten. Besonders belastend sind Nachrichten eines Mannes, der sich Claas nennt, und der detailreich schildert, wie er sie und ihre Mitarbeiter:innen in ihrer Praxis foltern und ermorden wird. Trotz dieser expliziten Drohungen bekommt sie keinen Polizeischutz. Sie muss selbst für ihre Sicherheit und die ihrer Mitarbeiter:innen sorgen. Sie baut ihre Praxis um, richtet einen Panikraum ein, stellt Security ein. Die Kosten muss sie selbst tragen. Sie werden sich auf 100.000 Euro summieren. Mehrmals nimmt der Sicherheitsmann Patienten, die zu ihr kommen, Butterfly-Messer ab.
Einzelne Hasskommentare und Morddrohungen begleiten sie als Impfärztin seit Beginn der Pandemie. Kellermayr ist keine labile Person, sie nimmt die Postings und E-Mails mit Schulterzucken und Humor. Im November 2021 dreht sich die Lage, und ab da wird ihr Leben zur Hölle. Hasskommentare kennen alle, die in der Öffentlichkeit stehen, auch die eine oder andere verwirrte Morddrohung. Zu viele rieten ihr, es einfach abzuschütteln. Was Kellermayr widerfuhr - und auch viele von uns zu spät verstanden - war etwas anderes: Eine organisierte Gruppe hatte sich vorgenommen, sie zu vernichten.
Auch Menschen, die geübt im Umgang mit Anfeindungen sind, knicken unter dem Terror von Rechtsextremen und Impfgegnern ein und ziehen sich aus der Öffentlichkeit zurück - darunter bereits zwei Gesundheitsminister. Kellermayr tut das nicht, sie veröffentlicht die Drohungen und klärt weiter über Impfungen und Covid auf. Doch die Frau, die zwei Jahre ihres Lebens für die Bekämpfung der Pandemie geopfert hat, bekommt keine Unterstützung gegen die, die sie genau deshalb verfolgen". Dieses Durchhaltevermögen wird ihr aber von der Polizei verstörender Weise negativ ausgelegt, Unterstellungen inklusive: Im Zwischenbericht des LVT Oberösterreich vom 25.5.2022 wird ausgeführt: „Am 24.5.2022 ging in der Pressestelle der LPD OÖ eine Anfrage durch das ZDF zur gegenständlichen Sache ein, wobei sich der journalistische Fragesteller weniger dem Täter widmet als vielmehr ein Bestreben erkennbar wird, ein mögliches Polizeiversagen herbeizureden. Insgesamt wurden ho. zunehmend der Eindruck gewonnen, dass Frau Dr. Kellermayr sich über verschiedene 'Schienen' bemüht, die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person zu erweitern, indem sie Druck auf die Ermittlungsbehörden ausübt.“
"Der Verfassungsschutz meldet sich endlich bei ihr. Die Ärztekammer will sie dabei unterstützen, den Konkurs zu vermeiden. Am 7. Juli kündigt sie an, die Praxis bald wieder öffnen zu wollen. Doch die Pläne zerschlagen sich: "Es tut mir leid. Ich habe alles getan, was ich konnte, aber es hat nicht gereicht. Die Ordination wird nicht wieder aufsperren. Nach einem langen Gespräch des ganzen Teams ist klar geworden, dass ein Teil davon nicht wieder zurückkommen wird. Es war alles zu viel. Ich habe die Reißleine zu spät gezogen. Und ich kann ihnen keine Perspektive bieten, ob oder wann es für uns möglich sein wird, unter 'normalen' Umständen zu arbeiten. Solche Arbeitsbedingungen, wie wir sie die letzten Monate erlebt haben, sind niemandem zuzumuten. Ich kann nicht mehr sagen, als dass es mit leid tut", twittert sie am 13. Juli. Auch in den Tagen danach bleibt sie aktiv, sucht Hilfe, klärt auf. Den Sommer wollte sie nützen, um in Costa Rica oder auf einer Berghütte Energie zu tanken. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Zwei Tage vor ihrem Tod kritisiert sie die Aufhebung der Quarantäne. Am 29. Juli wird sie tot in ihrer Praxis aufgefunden. Fremdverschulden wird ausgeschlossen".
Am Sonntag, 31.7.2022 veröffentlichte die Krone auf https://www.krone.at/2773448 in einem Artikel Passagen aus dem Abschiedsbrief von Dr. Kellermayr an die Landespolizeidirektion Oberösterreich“ mit der Kommentierung wie „Der Rechtsstaat gelangte hier an seine Grenzen“ und „Mit ihren inneren Dämonen kämpfte die Landärztin aus Seewalchen am Attersee freilich schon länger. Bereits vor zwei Wochen wollte sie durch eine Infusion sterben, wurde aber gerettet“.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Wenn ja, wann durch welche Dienststelle auf durch wen wann ergangene Weisung mit welchem Inhalt?
ii. Wenn nein, hat die Staatsanwaltschaft Wahrnehmungen, dass dies seitens der Polizei nahegelegt wurde?