12016/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.08.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Schutz von Gesundheitspersonal gegen Hass im Netz, insbesondere in Bezug auf Corona-Maßnahmengegner*innen

Am 29. Juli 2022 wurde die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr tot in ihrer Praxis in Seewalchen am Attersee aufgefunden. Die Allgemeinmedizinerin war in den vergangenen Monaten mehrmals in den Medien als Expertin aufgetreten, hatte sich
für die Corona-Impfung eingesetzt und war gegen Demonstrationen vor Krankenhäusern aufgetreten.

Die Folgen waren über Monate hinweg Angriffe im Internet, sowie Morddrohungen gegen die Ärztin und deren Praxis von Seiten von lmpfgegner*innen und Corona- Leugner*innen. So hatte beispielsweise ein Mann angekündigt, mit einer Schrotflinte
in ihre Praxis zu kommen.

Frau Kellermayr sah sich gezwungen, einen privaten Wachdienst zu engagieren, um den Schutz von Mitarbeiter*innen und Patient*innen zu gewährleisten. Mehr als 100.000,00 Euro aus privaten Mitteln habe sie dafür ausgegeben. Im Juli musste sie die Praxis dann schließen.

Die Medien berichteten, dass die Praxis trotz der Bedrohungslage von der Polizei lediglich einmal täglich bestreift worden sei und weitere konkrete Schritte nicht
gesetzt worden seien.

Der Standard berichtet in seiner Ausgabe vom 29.7.2022 dazu:

Kellermayr hatte der oberösterreichischen Polizei vorgeworfen, maßgeblichen Anteil an ihrer Situation zu haben. Ein Pressesprecher der Behörde habe sie nach der von ihr kritisierten Teilblockade des Klinikums in Wels durch Impfgegner quasi als Lügnerin hingestellt. Das habe den radikalen Aktivisten signalisiert, dass man sie attackieren könne. Als die Bedrohungen Zunahmen, blieben die Ermittlungen der Behörde erfolglos.

Kellermayr hatte daran erinnert, dass mehrere Politiker wie Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bei ihren Rücktritten die Drohungen gegen sie hervorgehoben hatten. Kellermayr sagte, der Staat müsse bedrohte Bürger beschützen, egal, ob sie berühmt sind oder nicht.

In ihrem Fall hätten die Behörden versagt. "Was mir passieren kann, das kann jedem Bürger passieren, der kein Promi ist oder über besondere Verbindungen verfügt", sagte Kellermayr in Bezug auf die Drohungen gegen sie.[1]

Wie schon in der Zeitung Österreich und auf OE24[2] berichtet wurde, sind nach dem tragischen Tod von Dr. Kellermayr zahlreiche Fragen offen, unter anderem weshalb mehrere Verfahren eingestellt wurden und ob Verschärfungen im Bereich „Hass im Netz“ geplant sind. Die unterzeichneten Abgeordneten richten an die Bundesministerin für Justiz daher nachstehende:

Anfrage

1.    Welche konkreten Konsequenzen zieht Ihr Ressort angesichts der tot in ihrer Praxis aufgefundenen Ärztin?

2.    Welche Schritte setzen Sie zur Aufarbeitung des konkreten Falles bzw. welche haben Sie bereits gesetzt?

3.    Waren Sie schon im Vorfeld des Ablebens der Ärztin in den gegenständlichen Fall hinsichtlich Bedrohungen aus dem Netz involviert? Wenn ja, wie und welche Maßnahmen wurden gesetzt?

4.    Waren Sie - abgesehen von Bedrohungen aus dem Netz - in anderer Weise schon im Vorfeld des Ablebens der Ärztin in den gegenständlichen Fall involviert? Wenn ja, wie und welche Maßnahmen wurden gesetzt?

a)    Betreffend beharrlicher Verfolgung?

b)    Betreffend Nötigung?

c)    Betreffend gefährlicher Drohung?

d)    Betreffend sonstige strafrechtlicheTatbestände?

5.    Wurde der konkrete Fall von der Staatsanwaltschaft Wels behandelt?

a)    Wenn nein: Warum nicht und von welcher Strafverfolgungsbehörde wurde der Fall dann behandelt?

b)    Wenn ja: Was waren die Ermittlungsergebnisse?

c)    Wird/wurde bei der zuständigen Staatsanwaltschaft eine Überprüfung
des Anlassfalles hinsichtlich allfälliger Missstände oder Fehlern in der Handhabung des Falles eingeleitet?

d)    Wurden im konkreten Fall Ermittlungen gegen bekannte oder allenfalls auch unbekannte potentielle Straftäter eingestellt? Wenn ja: Mit welcher Begründung?

6.    Sind die Staatsanwaltschaften mit mehr Fällen von Todesdrohungen bzw. Drohungen durch radikalisierte Corona-Maßnahmengegner*innen betraut?

a)    Wenn ja: Mit wie vielen? Konnten in anderen Fällen Ermittlungserfolge erzielt werden?

b)    Wenn nein: Warum nicht?

c)    Welche Schritte setzen Sie, um zukünftig Fälle wie den von Frau Dr. Kellermayr besser abzuwickeln?

7.    Wie viele Anzeigen gab es seit Inkrafttreten des „Hass im Netz Paketes“? Wurden diese in Unterkategorien aufgeschlüsselt und wenn ja, in welche und
wie hoch war jeweils die Zahl der Anzeigen? Bitte um Aufschlüsselung der Zahlen nach Geschlecht der Betroffenen und der Angezeigten.

8.    Wie wurde mit den angezeigten Fällen weiter verfahren? Bspw. nach welchen Tatbeständen wurden Strafen verhängt etc.?

9.    Sehen Sie angesichts des aktuellen Falles gesetzlichen und organisatorischen Nachbesserungsbedarf im Bereich „Hass im Netz“? Wenn ja, inwiefern und wurden diesbezüglich bereits Schritte eingeleitet? Wenn nein, warum nicht?

10. Sind Projekte hinsichtlich Prävention von „Hass im Netz“ geplant? Wenn ja, welche und wie hoch ist das Budget? Wenn nein, warum nicht?

11. Sind Frauen von Hass im Netz besonders betroffen? Wenn ja, planen Sie spezielle Präventionsprojekte dazu?



[1] Vgl.: https://www.derstandard.at/story/2000137876127/von-coronaleugnern-bedrohte-aerztin-in-

oberoesterreich-gestorben

[2] Vgl.: https://www.oe24.at/oesterreich/politik/tote-aerztin-fall-fuer-justiz-und-parlament/526250512