12033/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.08.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

betreffend Standortentwicklung in der Krise: totes Recht, fehlende Strategien und viele Fragen in Richtung Zukunft

 

Das Standortentwicklungsgesetz ist seit 1.1.2019 in Kraft. Die ÖVP/FPÖ-Bundesregierung hatte sich damals das Ziel gesetzt, „die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes hochzuhalten und gezielte Maßnahmen zur Deregulierung, Entbürokratisierung und Verfahrensbeschleunigung zu setzen“. Von Anfang an haben Rechtsexperten davor gewarnt, dass dieses Gesetz gegen die österreichische Verfassung bzw. gegen EU-Recht verstoßen würde. Vor allem die anvisierte Verkürzung von Verfahren wurde in der vorgelegten Form kritisiert.
Über drei Jahre später bestätigen die Zahlen, dass das Vorhaben gescheitert ist. Diese Rechtsunsicherheit hat dazu geführt, dass das Gesetz nicht angewendet wird.
Die Verfahren sind in Österreich ohnehin lang und kompliziert. Niemand möchte
sich da noch auf ein Gesetz beziehen, das potenziell aufgehoben wird.
Des Weiteren ist nichts vom damals eingeführten Beirat bekannt. Gesetzlich ist dieser dazu verpflichtet, jährlich Berichte bzw. Empfehlungen über mögliche Deregulierungs- und Entbürokratisierungspotenziale vorzulegen. Weder die pandemiebedingte Wirtschaftskrise noch hohe Energiepreise haben den Standortentwicklungsbeirat bisher dazu bewogen, dem Gesetzesauftrag nach Verbesserungspotenziale aufzuzeigen.

Gerade in der aktuellen Situation und insbesondere vor dem Hintergrund eines möglichen Gaslieferstopps vonseiten Russlands braucht es Standortpolitik, die möglichst rasch die Rahmenbedingungen für Unternehmen attraktiver gestaltet.
Im Wirtschaftsministerium läuft dazu seit dem Jahr 2020 ein Prozess zur Erarbeitung einer Standortstrategie, der bereits 300.000 Euro verschlungen hat, ohne jegliche Ergebnisse zu liefern. Ende 2021 hatte die Bundesregierung, insbesondere Bundesministerin Schramböck, konkrete Vorgaben versprochen, über ein halbes Jahr später liegt noch immer nichts vor. Erstaunlich ist, dass in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage von NEOS (10898/J) Bundesminister Kocher festhält, dass die Strategie bereits vor dem Ukrainekonflikt erstellt wurde, ohne jegliche Angaben zum Ergebnis zu machen. Erwähnt wird auch, dass darin bereits stark gestiegene Energiepreise behandelt und Schwerpunkte auf Dekarbonisierung und erneuerbarer Energie gesetzt werden und dennoch liegen keine öffentlichen Informationen dazu vor. 

Dringend erforderlich sind Reformen der Verfahren von Anlagengenehmigungen, um beispielsweise Projekte zum Ausbau erneuerbarer Energie rascher voranzubringen und die Abhängigkeit von russischem Gas zu senken. Gerade der Wirtschaftsminister sollte die Weiterentwicklung der österreichischen Wirtschaft durch entsprechende Entbürokratisierungsschritte vorantreiben, sei es im eigenen Zuständigkeitsbereich (z.B. gewerberechtliche Hürden, Fachkräftemangel, etc.),
sei es durch Änderungen gemeinsam mit anderen Bundesministern (z.B. Be-schleunigung von UVP-Verfahren).

(Hinsichtlich des Umfangs des Interpellationsrechts darf auf die Ausführungen des RLW-Dienstes des Parlaments vom 27.6.2022 verwiesen werden.)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Standortentwicklungsgesetz:
    1. Wie viele Anregungen nach § 3 StEntG wurden seit In-Kraft-Treten eingereicht? Bitte einzelne Projekte nach Jahren, Bundesländern und Branchen gliedern.
    2. Wie viele Entscheidungen nach § 7 StEntG wurden seit In-Kraft-Treten eingereicht? Bitte einzelne Projekte nach Entscheidungsart (positiv/negativ), Datum, Bundesländern und Branchen gliedern.
    3. Standortentwicklungsbeirat:

                                          i.    Wer sind die Mitglieder und stehen personelle Wechsel an?

                                        ii.    Wie viele Sitzungen des Standortentwicklungsbeirats haben seit In-Kraft-Treten stattgefunden? 

                                       iii.    Wie viele Empfehlungen nach § 6 Abs. 2 StEntG hat der Standortentwicklungsbeirat seit In-Kraft-Treten eingereicht? Bitte einzelne Projekte nach Empfehlungsart (positiv/negativ), Datum, Bundesländern und Branchen gliedern.

                                       iv.    Berichte bzw. Empfehlungen über mögliche Deregulierungs- und Entbürokratisierungspotenziale nach § 6 Abs. 6 StEntG:

1.    Wie viele Berichte über mögliche Deregulierungs- und Entbürokratisierungspotenziale wurden vom Standortentwicklungsbeirat vorgelegt? Bitte Zahl, Inhalt und Zeitpunkt angeben.

2.    Welche konkreten Empfehlungen über mögliche Deregulierungs- und Entbürokratisierungspotenziale wurden vom Standortentwicklungsbeirat vorgelegt?  Bitte Inhalt und Zeitpunkt angeben.

3.    Wenn keine Berichte bzw. Empfehlungen vorgelegt wurden:

a.    Warum wurde die gesetzlich vorgesehene Berichterstattung nicht eingefordert?

b.    Angesichts der Notwendigkeit des raschen Ausbaus erneuerbarer Energien: Werden Berichte noch in diesem Jahr eingefordert?

    1. Werden Änderungen des Standortentwicklungsgesetzes vorbereitet?

                                          i.    Wenn ja: Welche und wann sollen diese vorgelegt werden? Bitte konkrete Änderungen und damit verbundene Ziele angeben.

                                        ii.    Wenn nein: Aus welchen Gründen wird nicht an einer praxistauglichen Ausgestaltung gearbeitet?

    1. Bedenken zu Verfassungs- und EU-Rechtskonformität des Gesetzes:

                                          i.    Wurden seit In-Kraft-Treten Gutachten dazu in Auftrag gegeben? 

                                        ii.    Wie ist der Stand des Vertragsverletzungsverfahrens?

                                       iii.    Inwiefern wurden seit In-Kraft-Treten dazu Gespräche mit der EU-Kommission geführt?

  1. Standortstrategie:
    1. Wann wurde die Standortstrategie fertiggestellt?
    2. Wann sollen die konkreten Ergebnisse vorgestellt werden?
    3. Welche konkreten Maßnahmen werden in der Standortstrategie vorgeschlagen? Bitte konkrete Maßnahme auflisten.

                                          i.    Welche konkreten Maßnahmen werden in der Standortstrategie hinsichtlich des rascheren Ausbaus erneuerbarer Energie festgehalten? 

    1. Welche Vorschläge wurden bei der Erarbeitung der Standortstrategie von Stakeholdern hinsichtlich des rascheren Ausbaus erneuerbarer Energie eingemeldet? Bitte konkrete Maßnahme und einbringende Organisation auflisten.
    2. Kosten: Zuletzt hat BM Kocher auf die Anfragebeantwortung 7530/J verwiesen: Sind seit dem 21.9.2021 keine weiteren als die erwähnten Kosten im Zusammenhang mit der Standortstrategie angefallen?
  1. Vorbereitung hinsichtlich des rascheren Ausbaus erneuerbarer Energie in Österreich:
    1. Welche Maßnahmen werden in diesem Bereich im eigenen Wirkungsbereich erarbeitet und wann sollen diese vorgestellt werden? Bitte konkrete Maßnahmen, involvierte Stellen und Stakeholder sowie Zeitplan anführen.
    2. Welche Maßnahmen werden hinsichtlich des Facharbeitermangels im Bereich des Ausbaus erneuerbarer Energie vorbereitet?
    3. Welche Reformen werden bei der Rot-Weiß-Rot-Karte geprüft bzw. vorbereitet?
    4. Welche Reformen werden bei der Gewerbeordnung geprüft bzw. vorbereitet?