Eingelangt am 23.08.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Helmut
Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Türkische
Spionageaktivitäten in Österreich
Es ist seit langem bekannt, dass die
türkische Regierung auch Türk_innen in Österreich politisch anzusprechen
versucht. Wahlkampf wird auch international geführt; Zwistigkeiten
zwischen regierungsfreundlichen und regierungskritischen Gruppen durch
Regierung und Botschaft werden befeuert und unterstützt. Aus
Österreich gab es in der Vergangenheit Unmutsäußerungen
über türkischen Instrumentalisierung der türkischen Community in
Österreich durch die Erdogan Regierung.
Mitte August sorgte ein Medienbericht (https://www.derstandard.at/story/2000138271692/guengoer-die-drohung-der-tuerkei-lautet-glaubt-ja-nicht-dass)
für Aufsehen. Gegen einen in Österreich lebenden Soziologen mit
deutschem Pass und kurdischen Wurzeln gibt es in der Türkei einen
Haftbefehl wegen Präsidentenbeleidigung. Wie in vielen anderen Fällen
auch wurde er über die Anschuldigungen nicht in Kenntnis gesetzt. Der
bekannte Soziologe Kenan Güngör gibt
weiters an, dass Mitarbeiter der türkischen Botschaft vor einiger Zeit
versucht hätten, die Salzburger Vizebürgermeisterin dazu zu bringen,
Güngör aus einer Veranstaltung auszuschließen. (Die Vizebürgermeisterin
lehnte eine derartige Einmischung mit Verweis auf die in Österreich
gültige Meinungsfreiheit ab.) Die Botschaftsmitarbeiter brachten Ordner
mit "Beweismaterial" mit, die allerdings dem
"Beschuldigten" nicht zugänglich gemacht wurden.
Besonders problematisch ist, dass es in der
Türkei mittlerweile etwa 160.000 Verfahren wegen
Präsidentenbeleidigung und Terrorismusunterstützung (beides Code
für Oppositionelle) gibt und dass derartige Haftbefehle gegen im Ausland
lebende Personen meist geheim bleiben, bis der oder die Beschuldigte in die
Türkei einreist und dann verhaftet wird und in der türkischen
Staatsjustiz verschwindet.
Derartige Prozesse werden oft von regimetreuen
Menschen türkischen Ursprungs im Ausland angezettelt. Das Erdogan Regime
hat sogar eine App geschaffen, mithilfe derer man weltweit Menschen, die sich
regimekritisch äußern, unbürokratisch und rasch denunzieren
kann. Auch in Österreich lebende türkischstämmige Personen
kommen mit dieser App in Berührung, entweder als Denunzianten oder als
Opfer. Die App kann mühelos aus bekannten App-Stores gratis
heruntergeladen werden.
Der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdogan spricht offen von regierungstreuen Türk_innen im Ausland als
verlängerter Arm der Behörden. Der im spezifischen Fall Betroffene,
Kenan Güngör, kritisiert eine zu unterwürfige Politik
Österreichs vis-à-vis der Türkei und verlangt ein
härteres Vorgehen gegen türkische Einmischung mittels Kontrolle und
Bedrohung von Communities im Ausland.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Hat das BMEIA nach Bekanntwerden von
geheimen Haftbefehlen gegen in Österreich lebende Personen Schritte
gegenüber der türkischen Regierung bzw. Botschaft gesetzt?
- Wenn ja welche?
- Wurde der Botschafter einbestellt oder die
Botschaft anderweitig kontaktiert? Was war die österreichische
Position? Was war die türkische?
- Wenn nein, ist eine Einbestellung
angedacht? Wann wird diese erfolgen?
- Seit wann sind der österreichischen
Bundesregierung geheime Haftbefehle gegen in Österreich lebende
Personen sowie die Bespitzelung von in Österreich lebenden Personen
(spezifisch die EMG App) durch die türkischen Behörden bekannt?
- Was ist die Position des BMEIA zu
ausländischen (und spezifisch den bekanntgewordenen türkischen)
politischen, grundrechtseinschränkenden Aktivitäten
gegenüber in Österreich lebenden Communities?
- Gibt es zwischenstaatliche Abkommen, die
derartige Bespitzelung und Einschüchterung aufgrund in
Österreich legaler, von Grundrechten gedeckten Aktivitäten (wie
politsicher Positionierung, Besuch einer Veranstaltung oder Kritik an
Regierungspolitik) regulieren?
- Die lange Zeit angespannte Beziehung
zwischen Wien und Ankara hat sich in letzter Zeit gebessert. Im Juni traf
sich Bundeskanzler Karl Nehammer mit Recep Tayyip Erdogan beim NATO Gipfel
in Madrid, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Wiens
Bürgermeister Michael Ludwig reisten in die Türkei. Auch
Außenminister Alexander Schallenberg traf seinen türkisches
Pendant, Mevlüt Cavusoglu. Wurde das Problem von Bespitzelung und
Drohungen gegen in Österreich lebende Personen für in
Österreich legale Aktivitäten angesprochen?
- Wenn ja, bei welchen Treffen?
- Was war die Reaktion?
- Wenn nein, warum nicht? Wird dieses Thema
bei zukünftigen Treffen auf der Agenda stehen?
- In welcher Weise koordiniert das BMEIA mit
dem BMI, um sich einen Überblick über die Aktivitäten von
türkischen Diensten in Österreich zu verschaffen und diesen
entgegenzuwirken?
- Welche Maßnahmen wurden spezifisch im
Fall der EMG App gesetzt, die sich auch gegen in Österreich lebende
Personen richtet?
- Das Außenministerium teilte dem
Standard mit (https://www.derstandard.at/story/2000138265131/tuerkische-haftbefehle-gegen-integrationsforscher-kenan-guengoer)
man würde den Fall Güngör (und wahrscheinlich das Problem
generell) verfolgen und sich mit den deutschen Behörden vor Ort
austauschen.
- Was wurde/wird mit den deutschen
Behörden besprochen?
- Was bedeutet "vor Ort" – in
Deutschland oder in der Türkei?
- Da das BMEIA dieses Problem als ein
internationales betrachtet, wird die Bundesregierung die Thematik auf
europäischer Ebene zur Sprache bringen?
- In Anbetracht der Existenz von geheimen
Haftbefehlen gegen Österreicher_innen oder in Österreich lebende
Menschen, welche Maßnahmen trifft die österreichische Regierung
um Österreicher_innen oder hier lebende Menschen vor den Folgen
geheimer Haftbefehle zu schützen?
- Die Türkei schreibt Oppositionelle und
Regierungskritiker_innen (wie auch China und andere autoritäre
Staaten) über die Interpol unter fadenscheinigen Vorwürfen zur
Fahndung aus. Gibt es von Seiten Österreichs innerhalb der Interpol
Versuche, den Missbrauch von red notices zur
Unterdrückung von legaler, politischer Aktivität zu beenden oder
zumindest zu erschweren?
- Wenn ja, welche?