12037/J XXVII. GP

Eingelangt am 23.08.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Türkische Spionageaktivitäten in Österreich

 

Es ist seit langem bekannt, dass die türkische Regierung auch Türk_innen in Österreich politisch anzusprechen versucht. Wahlkampf wird auch international geführt; Zwistigkeiten zwischen regierungsfreundlichen und regierungskritischen Gruppen durch Regierung und Botschaft werden befeuert und unterstützt. Aus Österreich gab es in der Vergangenheit Unmutsäußerungen über türkischen Instrumentalisierung der türkischen Community in Österreich durch die Erdogan Regierung.

Mitte August sorgte ein Medienbericht (https://www.derstandard.at/story/2000138271692/guengoer-die-drohung-der-tuerkei-lautet-glaubt-ja-nicht-dass) für Aufsehen. Gegen einen in Österreich lebenden Soziologen mit deutschem Pass und kurdischen Wurzeln gibt es in der Türkei einen Haftbefehl wegen Präsidentenbeleidigung. Wie in vielen anderen Fällen auch wurde er über die Anschuldigungen nicht in Kenntnis gesetzt. Der bekannte Soziologe Kenan Güngör gibt weiters an, dass Mitarbeiter der türkischen Botschaft vor einiger Zeit versucht hätten, die Salzburger Vizebürgermeisterin dazu zu bringen, Güngör aus einer Veranstaltung auszuschließen. (Die Vizebürgermeisterin lehnte eine derartige Einmischung mit Verweis auf die in Österreich gültige Meinungsfreiheit ab.) Die Botschaftsmitarbeiter brachten Ordner mit "Beweismaterial" mit, die allerdings dem "Beschuldigten" nicht zugänglich gemacht wurden. 

Besonders problematisch ist, dass es in der Türkei mittlerweile etwa 160.000 Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung und Terrorismusunterstützung (beides Code für Oppositionelle) gibt und dass derartige Haftbefehle gegen im Ausland lebende Personen meist geheim bleiben, bis der oder die Beschuldigte in die Türkei einreist und dann verhaftet wird und in der türkischen Staatsjustiz verschwindet. 

Derartige Prozesse werden oft von regimetreuen Menschen türkischen Ursprungs im Ausland angezettelt. Das Erdogan Regime hat sogar eine App geschaffen, mithilfe derer man weltweit Menschen, die sich regimekritisch äußern, unbürokratisch und rasch denunzieren kann. Auch in Österreich lebende türkischstämmige Personen kommen mit dieser App in Berührung, entweder als Denunzianten oder als Opfer. Die App kann mühelos aus bekannten App-Stores gratis heruntergeladen werden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht offen von regierungstreuen Türk_innen im Ausland als verlängerter Arm der Behörden. Der im spezifischen Fall Betroffene, Kenan Güngör, kritisiert eine zu unterwürfige Politik Österreichs vis-à-vis der Türkei und verlangt ein härteres Vorgehen gegen türkische Einmischung mittels Kontrolle und Bedrohung von Communities im Ausland.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Hat das BMEIA nach Bekanntwerden von geheimen Haftbefehlen gegen in Österreich lebende Personen Schritte gegenüber der türkischen Regierung bzw. Botschaft gesetzt?
    1. Wenn ja welche?
    2. Wurde der Botschafter einbestellt oder die Botschaft anderweitig kontaktiert? Was war die österreichische Position? Was war die türkische?
    3. Wenn nein, ist eine Einbestellung angedacht? Wann wird diese erfolgen?
  1. Seit wann sind der österreichischen Bundesregierung geheime Haftbefehle gegen in Österreich lebende Personen sowie die Bespitzelung von in Österreich lebenden Personen (spezifisch die EMG App) durch die türkischen Behörden bekannt?
  2. Was ist die Position des BMEIA zu ausländischen (und spezifisch den bekanntgewordenen türkischen) politischen, grundrechtseinschränkenden Aktivitäten gegenüber in Österreich lebenden Communities?
  3. Gibt es zwischenstaatliche Abkommen, die derartige Bespitzelung und Einschüchterung aufgrund in Österreich legaler, von Grundrechten gedeckten Aktivitäten (wie politsicher Positionierung, Besuch einer Veranstaltung oder Kritik an Regierungspolitik) regulieren?
  4. Die lange Zeit angespannte Beziehung zwischen Wien und Ankara hat sich in letzter Zeit gebessert. Im Juni traf sich Bundeskanzler Karl Nehammer mit Recep Tayyip Erdogan beim NATO Gipfel in Madrid, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig reisten in die Türkei. Auch Außenminister Alexander Schallenberg traf seinen türkisches Pendant, Mevlüt Cavusoglu. Wurde das Problem von Bespitzelung und Drohungen gegen in Österreich lebende Personen für in Österreich legale Aktivitäten angesprochen?
    1. Wenn ja, bei welchen Treffen?
    2. Was war die Reaktion?
    3. Wenn nein, warum nicht? Wird dieses Thema bei zukünftigen Treffen auf der Agenda stehen?
  1. In welcher Weise koordiniert das BMEIA mit dem BMI, um sich einen Überblick über die Aktivitäten von türkischen Diensten in Österreich zu verschaffen und diesen entgegenzuwirken?
    1. Welche Maßnahmen wurden spezifisch im Fall der EMG App gesetzt, die sich auch gegen in Österreich lebende Personen richtet?
  1. Das Außenministerium teilte dem Standard mit (https://www.derstandard.at/story/2000138265131/tuerkische-haftbefehle-gegen-integrationsforscher-kenan-guengoer) man würde den Fall Güngör (und wahrscheinlich das Problem generell) verfolgen und sich mit den deutschen Behörden vor Ort austauschen.
    1. Was wurde/wird mit den deutschen Behörden besprochen?
    2. Was bedeutet "vor Ort" – in Deutschland oder in der Türkei?
    3. Da das BMEIA dieses Problem als ein internationales betrachtet, wird die Bundesregierung die Thematik auf europäischer Ebene zur Sprache bringen?
  1. In Anbetracht der Existenz von geheimen Haftbefehlen gegen Österreicher_innen oder in Österreich lebende Menschen, welche Maßnahmen trifft die österreichische Regierung um Österreicher_innen oder hier lebende Menschen vor den Folgen geheimer Haftbefehle zu schützen? 
  2. Die Türkei schreibt Oppositionelle und Regierungskritiker_innen (wie auch China und andere autoritäre Staaten) über die Interpol unter fadenscheinigen Vorwürfen zur Fahndung aus. Gibt es von Seiten Österreichs innerhalb der Interpol Versuche, den Missbrauch von red notices zur Unterdrückung von legaler, politischer Aktivität zu beenden oder zumindest zu erschweren?
    1. Wenn ja, welche?