12051/J XXVII. GP
Eingelangt am 25.08.2022
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff,
Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Landesverteidigung
betreffend Rechtsgrundlagen für Assistenzeinsätze des Bundesheeres
Am 28 Juli erteilte Bundesheersprecher Michael Bauer dem IHS eine Absage zum Vorschlag, Soldat_innen in Schnellkursen zu Photovoltaik-Installateuren auszubilden und damit den Facharbeitermangel in diesem Sektor auszugleichen. Er nannte den Vorschlag eine "Schnapsidee" die "die Ahnungslosigkeit über die gesetzlichen Grundlagen" von Bundesheereinsätzen zeigt. Bauer erklärte weiters: "Wir haben genug zu tun und sind auch keine Hilfskräfte, sondern Spezialisten. Ich lade jene, die auf solche Ideen kommen ein, die Ausbildungen der Militärakademie, des Jagdkommandos oder des Gebirgskampfzentrums zu besuchen."
Mit dieser Einschätzung der Rechtslage ist Bauer in bester Gesellschaft. Verfassungsrechtler Prof. DDr. Heinz Mayer steht auf dem Standpunkt, dass so manche Assistenzeinsätze des ÖBH rechtlich nicht gedeckt sind, da sie dem ultima ratio Prinzip unterliegen – also nur dann zulässig sind, wenn andere, zivile Institutionen diese temporär nicht ausführen können. Der Rechnungshof schließt sich an und kritisiert die lange andauernden Objekt- und Grenzschutzeinsätze als rechtswidrig, weil die zivilen Behörden schon längst Abhilfe hätten schaffen können und müssen. Auch Persönlichkeiten aus Militär und Politik haben das Abgleiten des ÖBH zur Hilfsorganisation des BMI kritisiert.
Bundesheersprecher Bauer ist also mit seiner Einschätzung klar in der Mehrheit der Rechtsmeinungen. Allein seine Chefin, Bundesministerin Klaudia Tanner, widerspricht. Auf mehrere NEOS Anfragen führt die Ministerin aus, dass Anfragen für Assistenzeinsätze eine Weisung an das ÖBH darstellen und daher vom BMLV nicht hinterfragt werden könnten (siehe z.B. 4922/AB). Nur wenn die Weisung von einer unzuständigen Behörde ergangen sei, könne sie abgelehnt werden. Das ultima ratio Prinzip sei hingegen einzig von der anfordernden Behörde zu evaluieren (siehe 7152/AB). Auf eine Nachfolgeanfrage antwortet die Ministerin, dass "der Bewegungsspielraum des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV) bei der Anforderung einer Assistenzleistung durch eine zivile Behörde rechtlich eindeutig festgelegt ist und keinen Interpretationsspielraum zulässt" (7898/AB).
Des Weiteren stellt die Ministerin fest (z.B. 5399/AB), dass es neben Assistenzeinsätzen auch Unterstützungsleistungen gibt. So hat das ÖBH während der ersten COVID Wellen Supermarktregale befüllt und COVID Testungen in den Banken der Raiffeisengruppe durchgeführt. Auch die Post wurde unterstützt. Unterstützungseinsätze unterliegen dem BMLV-Erlass „Unterstützungsleistungen durch das Österreichische Bundesheer" aus dem November 2007. Zu ihrer Rechtfertigung muss der Einsatz im Rahmen der Ausbildung oder durch die Beistellungen von Heeresgut gegen den Ersatz der Kosten durchgeführt werden und einen beträchtlichen wehrpolitischen Nutzen mit sich bringen, wie zum Beispiel eine ergänzende Ausbildung. Finanziell verursacht eine Unterstützungsleistung dem ÖBH Mehrkosten, da die Kompensationszahlungen der unterstützen Entitäten nicht ans BMLV gehen, sondern an das BMF abzuführen sind. Jeder Supermarkteinsatz mindert also die zur militärischen Landesverteidigung zur Verfügung stehende Mittel.
NEOS haben sich regelmäßig gegen eine Verwendung des ÖBH als Hilfsorganisation für BMI, Post oder Supermärkte ausgesprochen. Auch die Verwendung von Soldat_innen als Photovoltaik-Hilfskräfte ist durchaus kritisch zu sehen. Die vordringliche Frage in dieser Causa ist aber nicht die Sinnhaftigkeit des Vorschlags, sondern die konsistente Beurteilung derartiger Anfragen durch das BMLV, und warum der Ministeriumssprecher und die Ministerin hier unterschiedliche Rechtspositionen zum Ausdruck bringen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Der Sprecher des BMLV beurteilte den Vorschlag, zur Verbesserung der Energieversorgung Österreichs in der gegenwärtigen Ausnahmesituation Soldat_innen als Hilfskräfte auszubilden und einzusetzen, als rechtswidrig. Nach welchen rechtlichen Kriterien sind Assistenz- und Unterstützungseinsätze um Botschaften zu bewachen, Grenzpolizeiaufgaben zu übernehmen, Schnee zu schaufeln, Sandsäcke aufschichten, Post zu sortieren, LKWs zu beladen und Regale zu befüllen rechtens, Photovoltaikmodule zu errichten aber nicht?
2. Grenzschutz kann in Normalzeiten von der Grenzpolizei durchgeführt werden. Wenn sich Übertritte auf höherem Niveau stabilisieren muss das BMI dem Sorge tragen und mehr Grenzschützer einstellen. Ebenso muss Objektschutz außer in Ausnahmefällen von der Polizei, nicht dem Bundesheer durchgeführt werden. Warum erfüllen ein langfristiger Grenzeinsatz sowie ein andauernder Objektschutzeinsatz de Kriterien des ultima ratio Prinzip, ein Einsatz zur Verbesserung der Energiesicherheit in einem Ausnahmefall, der die Energieversorgung Österreichs zu gefährden droht, nicht?
3. In Anfragebeantwortung 4922/AB stellt Bundesministerin Tanner fest, dass die "Evaluierung der Notwendigkeit eines Bundesheerassistenzeinsatzes der anfordernden Behörde" obliegt. Eine derartige Anforderung sei als Weisung anzusehen und ungeachtet der Rechtsvorschriften hinsichtlich des ultima ratio Prinzips vom BMLV durchzuführen. Würde Bundesminister Martin Kocher oder Energieministerin Leonore Gewessler also eine Assistenz bei der Installation von Photovoltaikeinrichtungen anfordern, wäre das ÖBH verpflichtet, dieser "Weisung" Folge zu leisten?
a. Wenn nein, warum sind Anforderungen für Grenzschutz oder Objektschutz rechtlich unterschiedlich zu betrachten?
b. Wenn ja, ist die Position von Bundesheersprecher Bauer im dieser Anfrage zugrundeliegenden Tweet inhaltlich falsch?
4. Um Unterstützungsleistungen rechtlich zu rechtfertigen muss ein signifikanter wehrpolitischer Nutzen vorzuweisen sein. Die Ministerin verortete diesen Nutzen in der Unterstützung der Post, beim Verladen von Waren auf LKWs und beim Einräumen von Regalen in Supermärkten (4922/AB). Wäre ein derartiger Nutzen auch bei der Errichtung von Photovoltaik-Infrastruktur gegeben?
a. Wenn nein, was unterscheidet das Erlernen eines Zukunftsberufs, der noch dazu für das ÖBH selbst von großer Bedeutung ist (siehe Sicherheitsinseln), vom Beladen von LKWs mit Toilettenpapier und Nudeln in Hinblick auf den weltpolitischen Nutzen?
5. Die Bundesministerin meint, es gebe keinen Interpretationsspielraum bei der Bewertung eines Assistenzeinsatzbegehrens. Der Sprecher des BMLV ist anscheinend anderer Meinung als die Ministerin (jedoch der gleichen wie der Rechnungshof). Wie sind die unterschiedlichen Sichtweisen bei einer angeblich klaren Rechtslage zu verstehen? Stützt sich die Rechtansicht der Ministerin auf eine (höchst)gerichtliche Entscheidung?