12061/J XXVII. GP

Eingelangt am 31.08.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Sicherheitsbedenken bei Visavergabe und Akkreditierungen

 

In der Ausgabe vom 27.08.2022 berichtet Der Spiegel in seiner Titelstory über russische Geheimdiensttätigkeiten in Europa, von der Unterwanderung von Sanktionen (seit dem ersten Sanktionspaket 2014) über Spionage, politische Manipulationen bis hin zu Attentaten und politischen Morden. Der Bericht kommt zum Schluss, dass Deutschland seit dem Ende des Kalten Krieges erstens seine Nachrichtendienste nicht ausreichend ausgestattet hat, und zweitens kein Interesse hatte, das Putin Regime zu verärgern. So wurden die Bewegungen von regimenahen Prominenten (wie zum Beispiel einer von Vladimir Putins Töchtern) nicht nachverfolgt, und mit Spionage im Zusammenhang stehende Diplomat_innen nicht ausgewiesen. Das (auch in Österreich gängige Argument) war, dass im zu erwartenden Fall einer Ausweisung einer gleichen Zahl deutscher Diplomat_innen die bereits kleinere Botschaft in Moskau handlungsunfähig würde. Das Resultat: Deutschland muss heute fürchten, dass wichtige Teile der kritischen Infrastruktur kompromittiert und Institutionen unterwandert sind. 

Auch Österreich hat in den letzten Jahren ein ähnliches Nahverhältnis zum Putin Regime aufgebaut. Die Abhängigkeit vom russischen Energiemarkt ist mit dem Deutschlands vergleichbar. Auch hat Österreich ein im internationalen Vergleich extrem schwaches Spionagegesetz, in dem Spionageaktivitäten nicht einmal strafbar sind, wenn sie sich nicht gegen Interessen der Republik richten. Nicht zuletzt aus diesem Grund gilt Wien als ein Zentrum russischer Spionageaktivitäten gegen westliche Interessen. 

Anfang 2021 bat die Tschechische Republik um solidarische Ausweisung von russischen Diplomat_innen, nachdem Beweise aufgetaucht waren, dass eine Explosion in einem Waffenlager im Jahr 2014 das Werk russischer GRU Agenten war. Mehrere europäische Staaten kamen der tschechischen Aufforderung nach, Österreich jedoch nicht. Auch in der Affäre Skripal hatte Österreich sich nicht mit anderen Staaten solidarisch gezeigt und hatte von Ausweisungen abgesehen, obgleich die Mehrheit der EU-Staaten als Reaktion auf den Mordanschlag russische Diplomat_innen auswies. Russland bezeichnete Österreichs Vorgehen damals als "verantwortungsvoll," bedankte sich dafür mit einem Hackerangriff auf das BMEIA. Es wird vermutet, dass russische Hacker nicht direkt Österreich angreifen, sondern durch das im Vergleich weniger gut gesicherte österreichische System in mit dem BMEIA vernetzte europäische Systeme eindringen wollten. 

Trotz dieser vielen Angriffe auf europäische – und damit auch österreichische – Interessen, sowie verbale Verfehlungen russischer Diplomaten in Wien im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg und Kriegsverbrechen in der Ukraine, hat die Republik Österreich wenige sichtbare diplomatische Schritte gesetzt, um dieser Probleme Herr zu werden. Der Spiegel stellt auch fest, dass durch das vereinfachte Verfahren bei der Ausstellung von Touristenvisa russische Agenten sehr einfach Zugang zu Schengen Visa erhalten. So sollen z.B. Leibwächter einer Putins-Tochter bei ihren mehreren hundert Europareisen auch mit Touristenvisa eingereist sein (und dabei mit größter Wahrscheinlichkeit Waffen getragen haben). 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche Sicherheitsmaßnahmen wurden seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gesetzt, um die Infiltrierung von russischen Agenten durch legale Visaausstellung zu verhindern, oder zumindest zu erschweren?
  2. Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um die Einreise von Personen auf der Sanktionsliste zu erschweren? Der Spiegel berichtet, dass regimenahe Prominente über mehrere Ausweise mit leicht unterschiedlichen Daten, wie z.B. verschiedenen Geburtsdaten, verfügen, womit die Sanktionen umgangen werden könnten. Welche Kontrollen gibt es gegen derartige Umgehungen der Reisebeschränkungen von Personen auf den europäischen Sanktionslisten?
  3. Vereinfachte Visabestimmungen werden, wie (nicht nur) Der Spiegel berichtet, von Agenten gerne ausgenutzt. Österreich stellt sich in der EU gegen die Aussetzung von Touristenvisa. Welche Maßnahmen wird Österreich zustimmen bzw. unilateral durchsetzen, um die Nutzung von für Privatreisen vorgesehene Visa durch Agenten zu verhindern?
    1. Ist Österreich für eine Verschärfung der Visabestimmungen, damit aus Russland (und zukünftig auch aus anderen Risikoländern) einreisende Personen einen Aufenthaltsgrund angeben müssen, der dann kontrolliert werden könnte?
  1. Der Spiegel berichtet, dass Vladimir Putins Tochter Katerina Tichonowa zwischen Februar 2016 und Februar 2020 rund 300 Flüge gebucht hat – die meisten nach Europa und einige davon nach Wien. War den österreichischen Behörden die Reisetätigkeit Tichonowas vor der Enthüllung durch den Spiegel bekannt?
    1. Wie oft war sie im vom Spiegel genannten Zeitraum in Österreich?
    2. Wie oft war sie seit Februar 2020 in Österreich?
    3. War sie seit Kriegsausbruch in Österreich?
    4. Welche anderen regimenahen Personen waren in den letzten 12 Monaten in Österreich? Welche seit dem 24. Februar?
    5. Ist es zutreffend, dass diese Personen bewaffnete Personenschützer nach Österreich mitbringen? 

                                          i.    Welche Kontrollen bzw. gesetzliche Vorschriften bezüglich Waffentragens gibt es in derartigen Fällen?

  1. Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine wurden rund 400 verdächtige russische Spione aus Europa ausgewiesen. Wie viele Russ_innen wurde aufgrund des Verdachts, dass sie andere als die in der Akkreditierung angegebene Funktionen ausüben, seit Februar 2022 aus Österreich ausgewiesen?
  2. Wie viele russische Honorarkonsulate gibt es in Österreich? Wie viele sind Russ_innen?
    1. Gibt es in diesen Konsulaten russische Mitarbeiter_innen? Wenn ja, wie viele? Sind diese als Diplomat_innen akkreditiert?
    2. Nach welchen Kriterien werden Honorarkonsule in Österreich akkreditiert?
  1. Die Russland-Sanktionen leiden unter der Problematik von unklaren Besitzverhältnissen bei Immobilien und verschachtelten Unternehmenskonstrukten. Welche Maßnahmen setzt das BMEIA, um Russ_innen mit Vermögen in Österreich bei der Visaerteilung zur Offenlegung ihrer Beteiligungen und Vermögenswerten zu veranlassen?
  2. Welche Maßnahmen hat das BMEIA nach dem Hackerangriff zum Cyberschutz implementiert?
    1. Mit welchen Ministerien arbeitet das BMEIA in der Cybersecurity zusammen?
    2. Welche Zusammenarbeit gibt es auf europäischer Ebene?