12068/J XXVII. GP

Eingelangt am 31.08.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Verordnungen zur verpflichtenden Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel und Speisen - Stand des Notifizierungsverfahrens

Die verpflichtende Kennzeichnung der Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern bzw. von einigen Folgeprodukten von Fleisch, Milch und Eiern, die als primäre Zutat in verarbeiteten Lebensmitteln einerseits bzw. in manchen Bereichen der Gemeinschaftsverpflegung (öffentlich betrieben oder öffentlich beauftragt) andererseits Vorkommen, soll ab 2023 in Kraft treten. Die zwei national dazu geplanten Verordnungen sollen mehr Transparenz für Konsument:innen bringen.

Die Kennzeichnung der Herkunft soll als „Österreich“, anderes Land, mehrere Länder, „EU“, „EU und Nicht-EU“ oder „Nicht-EU“ bei den verpackten Lebensmitteln bei der jeweiligen Zutat im Zutatenverzeichnis erfolgen (zB. soll bei Eierteigwaren in der Zutatenliste bei der Zutat Eier „aus Österreich und der EU“, nicht jedoch Freiland, Boden oder Käfig stehen) und bei öffentlichen Küchen (zB. Spital, Schulküche,..) in den Menü-Übersichten oder via Aushängen angeführt werden.

Das Lebensmittelkennzeichnungsrecht ist EU-weit vollharmonisiert. Nationale zusätzliche Bestimmungen sind möglich, wenn im EU-Recht definierte Umstände zutreffen. Nationale Kennzeichnungsvorgaben, die über die harmonisierten Bestimmungen hinausgehen, müssen daher notifiziert werden. Sie können nach einer dreimonatigen Stillhaltefrist erlassen werden, wenn es keine substanziellen Einwände der Europäischen Kommission oder von einem oder mehreren anderen Mitgliedsstaaten gibt.

Folgende zwei Verordnungen waren in Begutachtung

-       Verordnung über die Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in verpackten Lebensmitteln (Information für Verbraucher:innen zur Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern als primäre Zutat in verpackten Lebensmitteln z.B. im Supermarkt) sowie

-       die Verordnung über die Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung (Information für Verbraucher:innen zur Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern in Speisen in der Gemeinschaftsverpflegung)

Begutachtungsende war der 17. Juni 2022. Es ist davon auszugehen, dass sich beiden Verordnungen aktuell in der dreimonatigen Stillhaltefrist befinden, innerhalb der die

Europäische Kommission und die anderen Mitgliedstaaten, den notifizierten Wortlaut prüfen und angemessen reagieren können.

Im Begutachtungsverfahren der beiden Verordnungen gab es deutliche Kritik an deren Inhalt und Ausgestaltung von verschiedenen Seiten. Zu den häufigsten Kritikpunkten zählten:

-       Die Herkunftskennzeichnung greift zu kurz (Einschränkung der Pflichtinformation auf nur wenige Rohstoffe wie Fleisch, Milch und Eier als Primärzutat                   für         selektive Abgabesituationen)

-       Herkunft wird nicht an Qualität geknüpft, weder aus Sicht der Konsument:innen noch aus Sicht des Tierschutzes (Stichwort Boden- oder Freilandeier oder Vollspaltenboden). Angaben ausschließlich zur geographischen Herkunft ohne Qualitätsbindung (zB. klare Kennzeichnung der Tierhaltung, höhere gesetzliche Tierhalte- und Tierschutzstandards) können Konsument:innen irreführen, denn Herkunft per                        se                ist               kein           Qualitätsmerkmal.

-       Angaben wie „Schweinefleisch aus Österreich und EU“ oder „Eier aus EU und Nicht-EU“ werden von Konsument:innen nicht gewünscht. Die Verbraucher:innen erwarten eine verbindliche Information zum Herkunftsland.

-       Bedenken wurden auch an der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung (willkürliche Differenzierung der Informationsweitergabe nach Abgabegruppen und Abgabestellen, unklare rechtliche Regelungen, ...) und zur EU- Rechtskonformität der beiden Verordnungen geäußert.

Beide Verordnungen sind im Einvernehmen mit dem Landwirtschafts- und Wirtschaftsressort zu erlassen. Es ist davon auszugehen, dass die Zustimmung beider Ressorts vorlag, bevor das Gesundheitsministerium die Verordnungen in Begutachtung ausgesendet hat. Auch aufgrund der medialen Berichterstattung ist davon auszugehen, dass die ehemals (mit)zuständigen Ministerinnen Köstinger und Schramböck in die Erarbeitung maßgeblich eingebunden waren.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehende

Anfrage:

1.    Wann ist mit dem Abschluss des Notifizierungsverfahrens der Verordnung über die Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in verpackten Lebensmitteln sowie der Verordnung über die Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung zu rechnen bzw. wann genau endet jeweils die dreimonatige Stillhaltefrist?

2.    Liegt bereits eine Reaktion bzw. Stellungnahme der europäischen Kommission bzw. anderer Mitgliedsstaaten zur Verordnung über die Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in verpackten Lebensmitteln und / oder zur Verordnung über die

Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung vor und wenn ja, von wem, und wie lauten die Reaktionen bzw. Stellungnahmen?

3.    Welche Kritikpunkte wurden von wem konkret im Rahmen des Notifizierungsprozesses zur Verordnung über die Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in verpackten Lebensmitteln sowie zur Verordnung über die Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch,

Fleisch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung geäußert?

4.    Angesichts der Kritik, dass die beiden Verordnungen nicht EU-konform gestaltet wurden: Wie hoch sind aus Ihrer Sicht die Chancen auf eine Notifizierung ohne substanzielle Nachbesserungen?

5.   In den Verordnungen ist vorgesehen, dass die Angabe des Ursprungslandes gemäß Art 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2018/775 erfolgt - konkret also „Österreich“, ein anderes Land, mehrere Länder oder auch „EU“, „EU und Nicht-EU“. Um aufwändige Dokumentations- und Warentrennungs-Abläufe, häufige Etikettenänderungen und / oder Beanstandungen zu vermeiden, könnte seitens der Hersteller künftig zunehmend „EU und Nicht-EU“ verwendet werden: Wäre diese Angabe aufgrund des mangelnden Informationsgehaltes aus Ihrer Sicht im Sinne der Konsument:innen?

6.   Wurden die Verordnungen vom Gesundheitsressort in Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts- und Landwirtschaftsressort erarbeitet?

7.    Gab es vor Aussendung in Begutachtung das Einvernehmen mit den zum damaligen Zeitpunkt (mit)zuständigen Ministerinnen Schramböck und Köstinger?

8.    Was werden Sie tun, wenn es begründete Einwände der Europäischen Kommission oder anderer Mitgliedsstaaten zu diesen beiden Verordnungen
gibt?

9.    Falls Reaktionen bzw. Stellungnahmen zu den notifizierten Entwürfen bereits vorliegen, ist mit einer Überarbeitung eine „Rettung“ beider oder einer der
beiden Verordnungen möglich und wenn ja, welche und was müsste konkret geändert werden?