12130/J XXVII. GP

Eingelangt am 08.09.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Barrierefreiheit an Universitäten

 

Der Rechnungshof veröffentlichte am 17.06.2022 einen Bericht über die Prüfung von barrierefreiem Arbeiten und Studieren an Universitäten. Aus diesem Bericht geht unter anderem hervor, dass die zwei exemplarisch geprüften Universitäten (Universität für Bodenkultur Wien und Technische Universität Graz) ihre Pflicht nach Einstellung begünstigter Behinderter (Menschen mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50%) "bei Weitem nicht erfüllen" (1). Artikel II § 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes sieht allerdings vor, dass alle Dienstgeber, die mehr als 25 Personen beschäftigen, dazu verpflichtet sind, auf je 25 Personen einen begünstigten Behinderten einzustellen (2). Wird diese Quote nicht erfüllt, ist eine Ausgleichstaxe zu entrichten (ebd.). Im Falle der 22 öffentlichen Universitäten konnte keine der Einstellungspflicht vollständig nachkommen, was im Jahr 2020 Ausgleichszahlungen in Höhe von rund 5,33 Millionen Euro zur Folge hatte (3). Diese Summe setzt sich wie folgt zusammen:

 

Auffällig ist hier, neben der beträchtlichen Summe (respektive den Versäumnissen der Universitäten), das große Gefälle: Die schlechteste Quote für besetzte Pflichtstellen liegt bei 22%, wohingegen die beste bei 96% liegt. Hinsichtlich der geringen Beschäftigungsquote gibt der Rechnungshof in seinem Bericht explizit folgende Empfehlung an das Bundesministerium ab: 

"Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sollte gegenüber den Universitäten – insbesondere im Rahmen der Leistungsvereinbarungsbegleitgespräche – auf eine stärkere Erfüllung der Beschäftigungspflicht begünstigter Behinderter hinwirken." (3)

Begründet wird dies unter anderem durch eine gesellschaftliche Vorbildfunktion, welche die Universitäten durch Erfüllung der Quote wahrnehmen sollen.

Hinsichtlich der Didaktik empfiehlt der Rechnungshof den beiden geprüften Universitäten, dass die Themen Diversität, Inklusion und Barrierefreiheit bei der Konzeption von Weiterbildungsveranstaltungen mitbehandelt werden (3). Im Nationalen Aktionsplan Behinderung 2021-2030 wird dieser Punkt zwar aufgegriffen ("Weiterentwicklung der Qualität inklusiver Bildung durch Stärkung inklusionspädagogischer Kompetenzen von Pädagog:innen sowie im Bildungssystem tätiger Personen"), allerdings bleiben konkrete Maßnahmen außen vor. Dort finden sich diesbezüglich lediglich folgende zwei Maßnahmen: 

Studieren für Menschen mit Behinderungen

Der Anteil von Menschen mit Behinderungen an den beiden geprüften Universitäten belief sich für das Wintersemester 2019/20 auf 11% (BOKU Wien) und 10% (TU Graz), wobei insgesamt im Jahr 2019 12,2% der Studierenden eine studienerschwerende Beeinträchtigung hatten. Aus der Erhebung von 2019 ging außerdem hervor, dass der Großteil der studienerschwerenden Beeinträchtigungen entweder psychischer (rund 40%) oder chronisch-somatischer (rund 26%) Natur waren (ebd.):

Sollten Studierende aufgrund einer Beeinträchtigung nicht in der Lage sein, am vorgeschriebenen Prüfungsbetrieb teilzunehmen, sind alternative Methoden möglich. Bei diesen alternativen Prüfungsmethoden empfiehlt der Rechnungshof den beiden geprüften Universitäten die Erstellung interner Arbeitsrichtlinien, um auf etwaige personelle Ausfälle/Wechsel besser vorbereitet zu sein und einen Wissenstransfer zu gewährleisten (3). Um diese alternativen Prüfungsmethoden in Anspruch zu nehmen, soll laut Rechnungshof künftig eine fachärztliche Bestätigung anstatt einer medizinischen Diagnose ausreichen (ebd). 

 

  1. https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/news/news/aktuelles/Universitaeten_muessen_mehr_fuer_behinderte_Menschen_tun.html#  
  2. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008253
  3. https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Barrierefreies_Arbeiten_und_Studieren_an_Universita-ten_BF.pdf
  4. https://www.sozialministerium.at/Themen/Soziales/Menschen-mit-Behinderungen/Nationaler-Aktionsplan-Behinderung.html

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Wie haben sich die Ausgleichstaxen seit Einführung verändert? (Bitte um Aufschlüsselung nach Universitäten und in zehn-Jahres-Intervallen) 
  2. An welchen Universitäten werden verpflichtende Weiterbildungen/Module/Workshops für das Personal angeboten, die barrierefreies Lehren vermitteln? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr des ersten Angebots, Jahren, Universität und Anzahl der Teilnehmer_innen pro Veranstaltung)
  3. Warum wird der Punkt "Weiterentwicklung von bedarfsgerechten Ausbildungsmöglichkeiten für Pädagog:innen" im NAP II erst 2024 angegangen?
    1. Warum soll die gesamte Weiterentwicklung nur im Jahr 2024 stattfinden?
    2. Warum wird hier kein fortschreitender Lernprozess eingeführt?
  1. Wie hoch ist der Anteil von Studierenden mit Behinderungen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Universitäten und Studienjahr für die vergangenen fünf Jahre)
  2. An welchen Universitäten gibt es abweichende Prüfungsmethoden für Menschen mit Behinderungen und seit wann?
    1. Wie sehen diese verschiedenen Methoden aus?
    2. Wie häufig werden diese in Anspruch genommen (Bitte um Aufschlüsselung pro Semester und Universität)
  1. Falls diese abweichenden Prüfungsmethoden zwischen Universitäten nicht vereinheitlicht sind: Gibt es Bestrebungen, die Hochschuldidaktik diesbezüglich zu vereinheitlichen?
    1. Falls nein: Warum nicht?
  1. Wie viele Abschlüsse an Universitäten von Menschen mit Behinderungen sind erfasst? (Bitte um Aufschlüsselung nach Universitäten für die vergangenen fünf Jahre und nach den Fachbereichen (vgl. https://www.studienwahl.at/) Geistes- und Kulturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, künstlerische Studien, Lehramtsstudien, Medizin/Gesundheit, Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, theologische Studien)
    1. Wie viele davon sind begünstigte behinderte Studierende? (Bitte um Aufschlüsselung nach Universitäten für die vergangenen fünf Jahre und nach den Fachbereichen (vgl. https://www.studienwahl.at/) Geistes- und Kulturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, künstlerische Studien, Lehramtsstudien, Medizin/Gesundheit, Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, theologische Studien)
  1. Wie hoch ist die Dropout-Rate bei Menschen mit Behinderungen? (Bitte im Vergleich zur Grundgesamtheit der Studierenden und nach Semester für die vergangenen fünf Jahre und aufgeschlüsselt nach den Fachbereichen (vgl. https://www.studienwahl.at/) Geistes- und Kulturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, künstlerische Studien, Lehramtsstudien, Medizin/Gesundheit, Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, theologische Studien)