12137/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.09.2022
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Anfrage

 

des Abgeordneten Michael Schnedlitz

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt

betreffend Hat der Bundespräsident eine Angelobung vergessen?

 

Dr. Stefan Brocza, Experte für Europarecht und internationale Beziehungen sowie regelmäßiger Gastkommentator in diversen österreichischen Tageszeitungen, wirft auf seinem Twitter-Profil die Frage auf, ob Bundespräsident Alexander van der Bellen vergessen hat, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig in Folge der jüngsten Novellierung[1] des Bundesministeriengesetzes (BMG) neu anzugeloben:

 

Ein Bild, das Text enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

 

Quelle: https://twitter.com/stefan_brocza/status/1567290651804372992

 

Während eine neuerliche Angelobung von Bundesminister Martin Kocher gut belegt ist,[2] gibt es keine Hinweise für eine neuerliche Angelobung und Bestallung Totschnigs. Wie von Dr. Brocza ausgeführt, wurde Kocher aufgrund der Zusammenlegung der Ministerien für Arbeit und Wirtschaft neu angelobt, zumal in § 1 Z 4 BMG die Bezeichnung des Ministeriums auf „Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft“ neu festgelegt wurde. Dadurch wurde Kocher auch eine neue Bestallungsurkunde zur formalen Dokumentierung des Ernennungsvorgangs überreicht. Erst mit der Ausfertigung dieser richtigen Bestallungsurkunde wird die Ernennung – sie stellt einen Bescheid dar – vollzogen.[3]

 

Das Argument von Dr. Brocza ist es, dass bei einer Namensänderung eines Bundesminsteriums im BMG auch der zuständige Bundesminister auf dieses neue Bundesministerium neu angelobt werden muss. Widrigenfalls würde das Bestallungsdekret ein nicht existierendes Bundesministerium bezeichnen und ein Formalfehler vorliegen.

Das Ressort von Bundesminister Totschnig wurde wie jenes von Bundesminister Kocher umbenannt. Die Wortfolge „Landwirtschaft, Regionen und Tourismus“ wurde im gesamten BMG, aber insbesondere auch in § 1 Z 11 BMG durch „Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft“ ersetzt. Dr. Brocza argumentiert daher, dass Totschnig eine Bestallungsurkunde für das neue „Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft“ benötigt.

Würde man dieser Argumentation folgen, würde es bedeuten, dass Bundespräsident Alexander van der Bellen vergessen hätte einen Bundesminister neu und richtig anzugeloben und daher Totschnig als Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft neu angelobt werden müsste.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt folgende

 

Anfrage

 

1.    Wurde Bundesminister Totschnig als Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft angelobt und bestallt?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

2.    Welche Rechtsfolgen knüpfen sich an die vergessene Angelobung und Bestallung eines Bundesministers?

3.    Bleiben von einem nicht korrekt bestallten Bundesminister erlassene Verordnungen rechtswirksam?

4.    Bestehen Entgeltforderungen eines nicht korrekt bestallten Bundesministers zu Recht?

5.    Kann die Bundesrepublik im Fall einer nicht korrekten Bestallung eines Bundesministers durch den Bundespräsidenten sich bei diesem schadlos halten?

6.    Inwiefern gibt es zwischen Ihrem Ressort und der Präsidentschaftskanzlei einen Austausch betreffend Angelobungen und Bestallungen?



[1] https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2022_I_98/BGBLA_2022_I_98.html

[2] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220718_OTS0106/bundespraesident-enthebung-ernennung-und-angelobung-von-bundesminister-kocher-und-staatssekretaerin-kraus-winkler; https://fotoservice.bundeskanzleramt.at/bka/bundeskanzler_nehammer/20220718_angelobung.html

[3] Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht, 11. Auflage, Rz 660.