1226/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.03.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Klimaschutz/Umwelt/Energie/Mobilität/Innovation und Technologie

betreffend Wartefrist bei der Digitalen Vignette

 

Ende Jänner war es wieder soweit: Die Jahresvignetten des Vorjahres verloren mit Ablauf des Kalendermonats ihre Gültigkeit und die österreichischen Autobahn- und Schnellstraßenbenutzer_innen machten sich wie jedes Jahr an den Erwerb einer neuen Jahresvignette. Alleine 27,2 Mio Vignetten gab die ASFINAG im Jahr 2018 aus und generierte damit Erlöse iHv 502 Mio Euro, die in den Bau und die Erhaltung des 2.223 km langen österreichischen Bundesstraßennetzes fließen.

Seit November 2017 wird es Mautschuldner_innen als Alternative zur klassischen Klebevignette ermöglicht, für ihr Fahrzeug eine Digitale Vignette zu lösen, indem sie dessen Kennzeichen im Mautsystem registrieren. Während die Klebevignette am Fahrzeug haftet, ist die Digitale Vignette an das Kennzeichen gebunden. Die moderne Form der Mautentrichtung erfreut sich dabei größter Beliebtheit – 1,3 Millionen Mautstraßennutzer_innen lösten bereits im ersten Jahr eine Digitale Vignette.

Beim Onlineerwerb der Digitalen Vignette sehen sich Verbraucher_innen derzeit mit einer Wartefrist von 18 Tagen konfrontiert. Die Digitale Vignette wird erst nach Ablauf der Frist gültig. Die ASFINAG erklärt auf ihrer Website: "Gemäß der Europäischen Richtlinie für Konsumentenschutz können Kundinnen und Kunden innerhalb von 14 Tagen vom Online-Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung zurücktreten – dies ist auch bei der Digitalen Vignette so. Dazu kommt, dass auch bei digitalen Produkten der formale Rücktritt vom Kauf per Post übermittelt werden kann – also weitere drei Tage zur Konsumentenschutzfrist."

Die ursprüngliche Intention hinter der Einführung der Digitalen Vignette war es, das Mautsystem auf zeitgemäße Weise weiterzuentwickeln und durch die Digitalisierung diverse Nutzungsvorteile für Fahrzeuglenker_innen zu bewirken.

Durch die „Wartepflicht“, die augenscheinlich dem konsumentenschutz-rechtlichen Rücktrittsrecht nach § 11 FAGG geschuldet ist, werden diese Ziele aber konterkariert. Fahrzeuglenker_innen, die rasch eine gültige Vignette benötigen, sind auf die klassische Klebevignette oder den Erwerb einer Digitalen Vignette in einer festen Verkaufsstelle verwiesen.

Für Unternehmer_innen gilt die Wartepflicht nicht - es kommt insofern zu einer Schlechterstellung der Verbraucher_innen unter den Mautzahler_innen.

Mehrfach - und vergeblich - wurde der Versuch unternommen, die Wartefrist abzuschaffen. Stets wurde das Vorhaben mit der Begründung abgelehnt oder vertagt, es verstieße gegen unionsrechtliche Vorgaben im Konsumentenschutz.

Ob diese Wartepflicht notwendig ist, ist unter Juristen strittig. Auch im damaligen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie fand bekanntlich eine Evaluierung dieses Vorschlags statt. Im Zuge dieser Evaluierung wurden (mindestens) zwei Gutachten bzw Analysen in Auftrag gegeben, deren Schlussfolgerungen und Empfehlungen in dieser Debatte von großem Wert sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wie viele externe Rechtsgutachten betreffend der unionsrechtlichen Notwendigkeit des Rücktrittsrechts wurden seit 2015 vom Verkehrsministerium bzw von der ASFINAG in Auftrag gegeben?

2.    Wie lautete der genaue Wortlaut der in Auftag gegebenen Fragestellung?

3.    Welche Autor_innen verfassten diese Gutachten?

4.    Wann genau (Datum) langten die Gutachten jeweils in Ihrem Ministerium ein?

5.    Welchen Seitenumfang hatten die in Auftrag gegeben Gutachten jeweils?

6.    Zu welchem rechtlichen Ergebnis gelangten die Gutachten jeweils?

7.    Zu welchem Schluss kamen die Gutachten jeweils in Bezug auf die unionsrechtliche Notwendigkeit der Wartefrist der digitalen Vignette? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

a.    Wurde argumentiert, dass eine 18-tägige Wartefrist beim Online-Kauf der digitalen Vignette aus notwendig ist?

b.    Wurde das Gegenteil argumentiert?

c.    Widersprachen sich die Gutachten in diesem Punkt?

d.    Welche Gründe führten die jeweiligen Gutachten für Ihre Schlussfolgerungen an?

e.    Mit welchen genauen rechtlichen Argumenten wurde in den Gutachten die Anwendbarkeit der VRRL bejaht?

f.      Mit welchen genauen rechtlichen Argumenten wurde in den Gutachten die Anwendbarkeit der VRRL verneint?

8.    Es wird ersucht die Gutachten der Anfragebeantwortung beizulegen.

9.    Weshalb wurde entschieden, den Empfehlungen einer der Gutachten in Bezug auf die Wartefrist zu folgen?

a.    Welche konkreten Argumente des Autors, der Autorin waren ausschlaggebend?

10. Gibt es eine Arbeitsgruppe im BMK, die sich mit der Novellierung der Wartefrist der digitalen Vignette befasst?

a.    Wenn ja, seit wann?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

11. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um die digitale Vignette, in Bezug auf die Wartefrist, praxistauglicher zu gestalten?

12. Planen Sie, die Wartefrist der digitalen Vignette abzuschaffen?

a.    Wenn ja, wann und wie?

b.    Wenn nein, weshalb nicht? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

13. Am 27. November 2019 wurde die Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union beschlossen. Weshalb wurde im Zuge der Novellierung der VRRL nicht wie zuvor vom Ministerium angekündigt auf eine explizite Ausnahme vom Anwendungsbereich hingewirkt?

a.    Hat das Ministerium den europäischen Gesetzgebungsprozess verschlafen?

14. Welche Anstrengungen unternehmen Sie, um auf eine zeitnahe Änderung der VRRL hinzuwirken?

15. Erachten Sie es für realistisch, jetzt, kurz nach der letzten Novellierung, zeitnahe einen neuen Änderungsprozess anstoßen zu können?

16. Wie viele Digitalen Vignetten wurden 2018 und 2019 ausgegeben?

17. Wie viele von diesen Digitalen Vignetten wurden 2018 und 2019 über feste Verkaufsstellen ausgestellt?

18. Wie viele von diesen Digitalen Vignetten wurden 2018 und 2019 über den Webshop der ASFINAG ausgestellt?

19. Wie viele dieser Digitalen Vignetten wurden an Unternehmer/Unternehmen ausgestellt und wie viele an Privatpersonen?

20. In wie vielen Fällen wurde 2018, 2019 sowie im Jahr 2020 bis zum Stichtag der Anfragebeantwortung vom Rücktrittsrecht gem Punkt 3.3 der Mautordnung idgF Gebrauch gemacht?