1227/J XXVII. GP
Eingelangt am 05.03.2020
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Anfrage
der Abgeordneten Nina Tomaselli, Eva Blimlinger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung
Betreffend Mobiler Beichtstuhl an der Schule – Gefährdet die Schulbeichte die Religionsneutralität?
BEGRÜNDUNG
Die Freiheit eines selbstbestimmten Lebens ohne Zwänge gehört zu den höchsten Gütern in unserer Gesellschaft. Die individuelle Freiheit erfährt dort eine Grenze, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird. Österreich ist ein vielfältiges Land, geprägt von vielen Freiheiten, die sich in den Gesetzen widerspiegeln.
Unter anderem sieht die österreichische Verfassung die Religionsfreiheit vor, die einerseits das Grundrecht derjenigen schützt, die ihre eigene Religion auszuüben wollen, alle anderen gleichzeitig stärkt frei von Religion leben zu dürfen.
In der teils hitzig geführten Debatte zum Beschluss des Kopftuchverbotes in der Volksschule wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass die religiös bedingte Verhüllung des Kopfes junger Mädchen aufgrund der Darstellung des religiösen Unterschieds ein Integrationshemmnis darstelle. In der Begründung des Antrages zur entsprechenden Änderung des Unterrichtsgesetzes, wird von den AntragsstellerInnen hingewiesen, dass die Ziele des Kopftuchverbotes „die Einhaltung des Schutzes der öffentlichen Ordnung durch Vermeidung einer Segregation nach (...), das Religionsbekenntnis bzw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ausrichtung des Islam und damit der Schutz der Rechte Dritter sowie die bestmögliche Integration,“[1] sind.
Als Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung haben Sie immer wieder auf die Notwendigkeit von Religionsneutralität außerhalb des Religionsunterrichts im schulischen Bereich hingewiesen. Sogar vor Ihrem Ministeramt meinten Sie in einem Interview für den ÖIF: „Zuerst muss eine unaufgeregte politische Diskussion klären, wie der religionsfreundliche, aber gleichzeitig auch religionsneutrale Staat mit neuen und alten Ansprüchen umgeht.“[2]
Zu so einem alten Anspruch kann sicher auch die Durchführung von Beichten an den Schulen gezählt werden. Ein besonders krasser Fall wurde der Ersteinbringerin unlängst von besorgten Eltern aus Feldkirch berichtet. Am dortigen Schulstandort der Volksschule und Neuen Mittelschule Gisingen-Oberau stand bis vor Kurzem in der Schulbibliothek ein mobiler Beichtstuhl mit Gitterfenster, Kniebank und der Aufschrift „Gott befreit dich“ und „Komm“. Informationshalber sei erwähnt, dass die dort ansässige Pfarre Gisingen von einem Priester geführt wird, der seit über 30 Jahren zur ultrakonservativen Gemeinschaft Das Werk gehört.
Schulbeichten gehören noch in einigen Schulen als Überbleibsel vergangener Tage offensichtlich zum Schulalltag. Es ergibt sich jedoch kein klares Bild, an welchen Schulformen, Bundesländern, Standorten während der Unterrichtszeit von den SchülerInnen Buße getan werden muss.
Genauso unklar ist die derzeitige rechtliche Situation zu Schulbeichten. Die Beichte gehört zwar zu einem der heiligen Sakramente, doch ist sie in den Lehrplänen der 6-14 Jährigen im Rahmen des katholischen Religionsunterrichts nicht vorgesehen. Das Religionsunterrichtsgesetz sieht in einer Bestimmung aus dem Jahr 1962 zwar vor, dass SchülerInnen im „bisherigen Ausmaß“ vom Unterricht freigestellt werden, wenn sie zu besonderen Anlässen des schulischen oder staatlichen Lebens der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften, insbesondere zu Beginn und am Ende des Schuljahres abgehaltenen Schülergottesdiensten sowie an religiösen Übungen oder Veranstaltungen, teilnehmen.
Ob eine Beichte zu einem besonderen Anlass des schulischen oder staatlichen Lebens zu zählen ist, darf zumindest stark bezweifelt werden. Aufgrund welcher rechtlicher Rahmenbedingungen also, werden Schulbeichten noch immer während der Unterrichtszeit durchgeführt?
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen deshalb folgende
ANFRAGE
1. An wie vielen Schulstandorten öffentlicher Schulen werden regelmäßig Schulbeichten (einmal oder mehrmals jährlich) durchgeführt?
a) An wie vielen Volksschulen?
b) An wie vielen Neuen Mittelschulen und Hauptschulen?
c) An wie vielen AHS-Unterstufen?
2. An welchen Schulstandorten werden regelmäßig Schulbeichten (einmal oder mehrmals jährlich) durchgeführt?
a) An welchen Volksschulen?
b) An welchen Neuen Mittelschulen und Hauptschulen?
c) An welchen AHS-Unterstufen?
3. An wie vielen Schulstandorten öffentlicher Schulen werden regelmäßig Schulbeichten (einmal oder mehrmals jährlich) je Bundesland durchgeführt?
a) In welchen Bundesländern werden keine Schulbeichten durchgeführt?
4. An welchen Schulstandorten werden regelmäßig Schulbeichten mittels mobilem Beichtstuhl durchgeführt?
5. In welchen Lehrplänen aller Schultypen ist die Beichte im Rahmen des Religionsunterrichts vorgesehen?
6. Welchen rechtlichen Rahmen gibt es, Beichten während der Unterrichtszeit an Schulen durchzuführen?
a) Welche Gesetze, Verordnungen und Erlässe gibt es dazu?
b) Welche rechtlichen Voraussetzungen gibt es, Beichten während der Unterrichtszeit mittels mobilem Beichtstuhl durchzuführen?
c) Muss vor der Beichte eine schriftliche Erlaubnis der Eltern für 6-14 jährige Kinder eingeholt werden?
7. Welchen rechtlichen Rahmen gibt es, andere Sakramente neben der Beichte während der Unterrichtszeit durchzuführen?
8. Ist die Beichte ein besonderer Anlass des schulischen oder staatlichen Lebens der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften?
a) Falls ja: Wie hoch ist das „bisherige Ausmaß“ für freigestellte Unterrichtsstunden für Beichten?
b) Falls nein: Wie ist die Beichte im Rahmen des Schulunterrichts durch das Religionsunterrichtsgesetz gedeckt?
9. Wie lauten die Unterschiede bei den rechtlichen Rahmenbedingungen in den neun Bundesländern zur Durchführung der Beichte während der Unterrichtszeit?
a) Vertreten alle neun Bildungsdirektionen die gleiche Rechtsauffassung?
b) Unterscheidet sich das „bisherige Ausmaß“ laut Religionsunterrichtsgesetz?
10. Wie stellen die Bildungsdirektionen sicher, dass Kinder mit katholischer Konfession an Schulen, an welchen Beichten durchgeführt werden, frei von jeglichem Zwang zur Beichte bleiben?
11. Fördern Schulbeichten die religiösen Unterschiede zwischen den SchülerInnen an den Schulen?
a) Falls ja, wie?
b) Falls nein, warum nicht?
12. Ist die Religionsneutralität der Schulen durch Schulbeichten gefährdet?
a) Falls ja, wie?
b) Falls nein, warum nicht?
13. Ist die Religionsneutralität einer Schule gefährdet, wenn in der Schulbibliothek ein mobiler Beichtstuhl aufgestellt wird?