12300/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.09.2022
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Anfrage

 

der Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Verantwortungsloser Umgang mit Asylsuchenden

 

Bereits im Juli wurde bekannt, dass es an der burgenländischen Grenze auf Grund von Überlastung der Exekutive vor Ort zu einem Durchwinken von Asylsuchenden gekommen sei – was von uns scharf kritisiert wurde, weil der Innenminister damit seiner Verantwortung für die Bevölkerung, aber auch für die Menschen, die Schutz suchen, nicht mehr nachkommt. Im August wurde schließlich ein Erlass herausgegeben, der ein neues Vorgehen legitimierte. Asylsuchende werden seither an der Grenze zwar angehalten und deren Personalien erfasst bzw. geprüft, ob in einem anderen EU-Staat ein Asylverfahren anhängig ist, dann aber mit einem Zugticket ausgestattet und schließlich nach einem Zufallsprinzip durch ganz Österreich geschickt, um dann dort ein Erstaufnahmegespräch zu führen und somit das Verfahren einzuleiten. Damit wurde die Dublin-Richtlinie, die bisher die EU-Politik in Asylfragen prägt, unterlaufen.

 

In einem Bericht der Tageszeitung Der Standard wurden jetzt Zahlen veröffentlicht, die zeigen, dass zwischen der ersten Registrierung und dem Eintritt in die Grundversorgung rund 6.500 Personen behördlich verloren gegangen sind, von 7.000 wurden nur 500 in die Grundversorgung übernommen. Der Grund dafür liege unter anderem daran, dass anders als bisher, als nach einem Aufgriff die Überstellung in ein Quartier erfolgte, bei einer selbstständigen Reise niemand nachfragt, ob Menschen im Land bleiben, oder weiterreisen möchten – was in zahlreichen Fällen wirklich der Fall sei, so die Tageszeitung.[1] Zudem wird in dem Artikel auch von einem Lokalaugenschein berichtet, aus dem hervorgeht, dass Asylsuchende, die ohne Obdach sind, auf der Straße zurückgelassen werden, weil es in den Bundesquartieren keinen Platz und bei den Ländern keine Einsicht gäbe, für die Asylsuchenden verantwortlich zu sein, da diese nur die grundversorgten Personen unterbringen müssen. Übrig bleiben jene, die wie im Artikel letztlich frierend und hungernd unter einer Brücke stehen, um sich vor Wind und Wetter zu schützen. Ein Umstand, der in Österreich nicht stillschweigend zur Kenntnis genommen werden darf.

 

Nachdem sich hier seit Wochen die Ereignisse zu überschlagen scheinen und die ÖVP ihre Regierungsverantwortung dazu instrumentalisiert, um sich aus einer parteipolitischen Krise zu manövrieren und damit die Sicherheit der Bevölkerung und der Schutzsuchenden ebenso gefährdet, wie sie geltende EU-Bestimmungen unterläuft, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

 

Anfrage

 

1)      Ist Ihnen die Situation, die in dem betreffenden Artikel des Standard geschildert wird, bekannt?

a.       Wenn ja: Seit wann?

b.      Wenn ja: Was gedenken Sie dagegen zu tun?

c.       Wenn nein: Wie erklären Sie, dass Sie als zuständiger Fachminister darüber nicht in Kenntnis sind?

2)      Sind derartige Situationen auch in anderen Städten und Gemeinden bekannt?

a.       Wenn ja: In welchen und seit wann?

b.      Wenn ja: Was gedenken Sie dagegen zu tun?

c.       Wenn nein: Was gedenken Sie zu tun, damit das so bleibt?

3)      Wie hoch ist die Differenz zwischen der Zahl der Registrierungen an den Grenzen und der Überführung in die Grundversorgung seit Anfang des Jahres 2022? Listen Sie bitte nach Gesamtzahl der monatlichen Übertritte, Grenzübergängen und festgestellten Nationalitäten.

4)      Wie viele Menschen wurden durch die Behörden in dieser Zeit „verloren“?

5)      Ist es mit dem EU-Recht vereinbar Menschen zu registrieren, sie dann aber nicht gleich in das Verfahren zu bringen, sondern weiterzuschicken und zu hoffen, dass sie sich selbst bei einer willkürlich zugewiesenen Stelle melden?

a.       Wenn ja: Auf Basis welcher Einschätzung begründet sich Ihre Entscheidung?

b.      Wenn nein: Wieso gehen Sie dann als Minister so vor?

6)      Welche Stellen werden den asylsuchenden Menschen für das Erstaufnahmegespräch zugewiesen? Führen Sie diese bitte an und geben Sie bitte zudem an, wie viele Erstaufnahmegespräche in der jeweiligen Stelle durchgeführt wurden, bzw. wie viele Arbeitsstunden von wie viel Personal dafür pro Dienststelle aufgewandt wurden.

a.       Aufgrund welcher Kriterien wurden diese Stellen ausgewählt?

7)      In wie vielen der Stellen, in denen Aufnahmegespräche geführt werden, sind die Bedingungen ebenso untauglich wie in jener in Innsbruck hinsichtlich Raumkapazität, Mobiliar und Verpflegung?

8)      Wie viele Polizeieinsätze gab es in Innsbruck seit Beginn des neuen Vorgehens auf Grund von obdachlos zurückgelassenen Asylsuchenden, die von den Anrainer*innen angefordert wurden?

9)      Bis wann wird die Situation in der Erstbefragungsstelle in Innsbruck sinnvoll an die notwendigen Gegebenheiten hinsichtlich Raumkapazität, Mobiliar und Verpflegung angepasst?

10)  Wie hoch sind die Kosten für die ausgegebenen Bahntickets, seit der Erlass im August das neue Vorgehen vorsieht? Wie viele Personen haben ein Ticket erhalten?

11)  Wie hoch sind die Zahlen der in Bundesbetreuung befindlichen Asylwerber*innen?

12)  Wie hoch sind die Zahlen der in Landesbetreuung befindlichen Asylwerber*innen in Grundversorgung? Listen Sie diese bitte nach Bundesland auf!

13)  In einer Anfragebeantwortung wurde bekannt, dass sich in diesem Jahr von 5.372 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) 5.140 „dem Asylverfahren entzogen“ hätten. Haben Sie Informationen darüber, wo sich diese 5.140 UMF befinden?

14)  Können Sie ausschließen, dass sich unter den 5.140 UMF auch Opfer von Menschen- und Kinderhandel befinden?

15)  Wie können Sie sicherstellen, dass das Kindeswohl, auf das Sie in Anfragen regelmäßig verweisen, im Falle der 5.140 abgängigen UMF gewahrt wurde?

16)  Wo halten sich die verbliebenen 232 UMF auf, die die Differenz aus den 5.372 angekommenen und den 5.140 UMF, die sich „dem Asylverfahren entzogen“ haben?

17)  Welche Betreuung wurde den 5.372 UMF, die im Jahr 2022 angekommen sind, zuteil? Beschreiben Sie detailliert, wie diese nach der Ankunft an der Grenze behandelt werden und ob diese ebenfalls, wie alle anderen Asylsuchenden mit einem Zugticket ausgestattet, quer durch Österreich geschickt werden?

18)  Entspricht das Vorgehen betreffend den Umgang mit UMF den Empfehlungen von Kinder- und Jugendhilfeorganisationen und der Kindeswohlkommission?

a.       Wenn ja: Welchen?

b.      Wenn nein: Warum nicht?

19)  Was werden Sie konkret unternehmen, damit in Zukunft unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – also Kinder und Jugendliche – nicht einfach verschwinden können?

20)  Am 14.10.2021 beschloss der Nationalrat die Verbesserung des Schutzes unbegleiteter minderjähriges Flüchtlinge (65/AEA) mit den Stimmen der Regierungsfraktionen. Was wurde von Ihrem Ministerium bis jetzt getan, um dieser Entschließung zu entsprechen?

21)  Wie groß ist die Differenz zwischen Ist-Standes der Bundesländer zum Soll-Stand, den sie in der Aufnahme von Asylsuchenden erreichen sollten?

22)  Was gedenken Sie dagegen zu tun, um diese Differenz, die auch zu einer Überlastung der Bundesbetreuungseinrichtungen führt, zu bekämpfen?



[1] https://www.derstandard.at/story/2000139070622/polizei-schickt-asylsuchende-quer-durchs-land-viele-stranden-oder-verschwinden