1232/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.03.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Michael Schnedlitz

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend dem Fall Werner Böhm

 

Werner Böhm ist ein Paradebeispiel für das Versagen des österreichischen Rechtsstaats. Herr Böhm war einst Internetpionier, bis er im Jahr 2001 insolvent wurde.

 

Das Strafverfahren, welches gegen ihn eingeleitet wurde und 14 Jahre dauerte, ruinierte in vielen Bereichen sein Leben. Erst 2015 folgte der Freispruch. Die Staatsanwaltschaft hat ihm durch die lange Verfahrensdauer viele Jahre seines Lebens gestohlen. Während des Verfahrens hatte er keine Chance in Österreich Arbeit zu finden und musste notgedrungen seinen Lebensmittelpunkt, getrennt von seiner Frau und seinen Kindern, ins Ausland verlegen.

 

In der „Kurier“-Ausgabe vom 16.02.2020 (Seite 6, Ressort: Innenpolitik) erzählte er in einem Interview unter anderem Folgendes:

 

„Kurier: Herr Böhm, man kann sagen, Sie haben die Mutter aller Langzeitverfahren in Österreich durchlebt. Wie kam es dazu?

Werner Böhm: 2001 war die Insolvenz, kurz darauf gab es die Anzeige vom Masseverwalter, aufgrund eines Gutachtens vom Sachverständiger Keppert bei der Staatsanwaltschaft. 2004 wurde ich das erste Mal von der Wirtschaftspolizei einvernommen. Dann passierte zumindest aus Sicht der Beklagten lang gar nichts. Zwischen Mitte 2006 und 2011 klaffte ein Loch. Da ließ die Staatsanwaltschaft meinen Akt einfach fünf Jahre lang liegen. Das ist aus dem Antrags- und Verfügungsbogen der Staatsanwaltschaft ersichtlich, wo die Ermittlungsschritte genau aufgelistet sind. In diesen fünf Jahren ist seitens der Staatsanwaltschaft wirklich gar nichts unternommen worden. Mitte 2001 wurde ich dann das zweite Mal einvernommen, für vier Stunden vom Staatsanwalt Alexander Marchart. Ende Dezember 2012 wurde uns dann die Anklage zugestellt, 2015 gab es dann die Freisprüche für alle Angeklagten.

 

Kurier: Ist es nicht ein Zeichen, dass der Rechtsstaat funktioniert, wenn es am Ende einen Freispruchgibt?

Werner Böhm: Mir fällt es als Betroffener sehr schwer, etwas Positives über die österreichische Justiz zu sagen. Wahrscheinlich hatten wir nur ganz einfach das Glück, eine so gute Richterin wie Marion Hohenecker zu bekommen. In Wahrheit hat in unserem Fall die Richterin die gesamte Ermittlungsarbeit im Prozess nachträglich erledigt, die die Staatsanwaltschaft 14 Jahre lang nicht erledigte. Für mich als Unternehmer ist nicht nachvollziehbar, dass es für Staatsanwälte, die ihre Arbeit nicht ordnungsgemäß erledigen bzw. denen man eine fahrlässige Auswahl von „ganz offensichtlich“ befangenen Gutachtern vorwerfen kann, keine Konsequenzen gibt. Der Rechnungshof sollte die Kosten dieser Monsterprozesse einmal genauer durchleuchten. Denn gerade diese Kosten sind ja ein großes Geheimnis und werden zu meiner Überraschung überhaupt nicht öffentlich diskutiert. Vielleicht würde dann die Staatsanwaltschaft mehr Druck spüren, effizienter und gründlicher zu ermitteln. Und statt dass es für den betreffenden Staatsanwalt, der wirklich eine schlampige Anklage geliefert hat, Konsequenzen gibt, wird er befördert und darf dann gleich die Grasser-Anklage machen“.

 

Herr Böhm berichtet außerdem, dass er medial wie auch politisch zur Zielscheibe wurde. So hat zB. der verstorbene Aufdeckerjournalist Alfred Worm aufgrund der Verbindungen zwischen Herrn Böhm und der FPÖ die Staatsanwaltschaft aufgefordert, Herrn Böhm umgehend zu verhaften. Als die Causa ins Rollen kam, kamen mit Herrn Böhm befreundete SPÖ-Mitglieder auf diesen zu und meinten, wenn er Informationen über Jörg Haider und Karl-Heinz Grasser liefere, werde er in Ruhe gelassen. Ansonsten werde ihn die Staatsanwaltschaft jahrelang verfolgen.

 

Herr Böhm berichtet auch davon, dass jedes von ihm eingebrachte Rechtsmittel sowie unzählige Befangenheitsanzeigen von der Staatsanwaltschaft ignoriert wurden.

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.    Welche Ermittlungsschritte erfolgten in der Zeit von 2006 bis 2011? (Bitte um genaue Aufschlüsselung der Ermittlungsschritte nach Jahren)

2.    Ist es korrekt, dass der Akt in der Zeit zwischen 2006 und 2011 nicht bearbeitet also liegen gelassen wurde?

3.    Aus welchen Gründen wurde der Akt zwischen 2006 und 2011 nicht bearbeitet?

a.    Warum passierten in dieser Zeit keine weiteren Ermittlungsschritte?

4.    Wer hatte die Nichtbearbeitung des Aktes in der Zeit von 2006 bis 2011 zu verantworten?

5.    Wo, beziehungsweise bei wem lag der Akt zwischen 2006 und 2011?

6.    Welche Staatsanwaltschaft bzw. welcher Staatsanwalt hat zwischen 2006 bis 2011 das Verschleppen des Aktes zu verantworten?

7.    Gab es Konsequenzen für die verantwortliche Staatsanwaltschaft bzw. den verantwortlichen Staatsanwalt der den verschleppten Akt zu verantworten hatte?

a.    Wenn ja, welche Konsequenzen genau?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn nein, wird es noch Konsequenzen geben?

8.    Welche und wie viele Rechtsmittel wurden von Herrn Böhm zwischen 2001 und 2015 bei der Staatsanwaltschaft eingebracht?

a.    Wie wurde mit den jeweiligen Rechtsmitteln verfahren? (Bitte um genaue Aufschlüsselung)

9.    Wie lange hat die Überprüfung und die Entscheidung über die einzelnen Rechtsmittel gedauert? (Bitte um genaue Aufschlüsselung)

10. Gab es zwischen 2001 und 2015 bei der zuständigen Staatsanwaltschaft parteipolitische Interventionen von SPÖ-nahestehenden Personen oder SPÖ-Mitgliedern die eingebrachten Rechtsmittel zu ignorieren beziehungsweise nicht zu behandeln?

a.    Wenn ja, wurde über diese Interventionen Aktenvermerke gemacht?

11. Wenn es über diese Interventionen Aktenvermerke gab, wie hat die Staatsanwaltschaft darauf reagiert?

12. Wenn es über diese Interventionen Aktenvermerke gab, wurde/n der/die Bundesminister darüber informiert?

13. Wenn die Bundesminister darüber informiert wurden, welche Schritte wurden von diesem/n eingeleitet?

14. Wurden durch die Bundesminister an die zuständige Staatsanwaltschaft eine Weisung erlassen, wie mit der oder den politischen Interventionen umzugehen ist?

15. Wenn durch die Bundesminister keine Weisungen erlassen wurden, welche Schritte wurden dann eingeleitet?

16. Gab es bei der zuständigen Staatsanwaltschaft von anderen Personen oder politischen Parteien Interventionen die eingebrachten Rechtsmittel zu ignorieren oder nicht zu bearbeiten?

17. Wenn es über diese Interventionen Aktenvermerke gab, wie hat die Staatsanwaltschaft darauf reagiert?

18. Wenn es über diese Interventionen Aktenvermerke gab, wurde/n der/die Bundesminister darüber informiert?

19. Wenn die Bundesminister darüber informiert wurden, welche Schritte wurden von diesem/n eingeleitet?

20. Wurden durch die Bundesminister an die zuständige Staatsanwaltschaft eine Weisung erlassen, wie mit der oder den politischen Interventionen umzugehen ist?

21. Wenn durch die Bundesminister keine Weisungen erlassen wurden, welche Schritte wurden dann eingeleitet?

22. Gab es zwischen 2001 und 2015 andere Gründe, die die Staatsanwaltschaft veranlasst haben, die eingebrachten Rechtsmittel zu ignoriert oder nicht zu bearbeitet?

a.    Wenn ja, welche waren das?

b.    Wenn ja, wer war verantwortlich für das Ignorieren bzw. die Nichtbearbeitung der Rechtsmittel?

c.    Wenn ja, welche Konsequenzen gab es für die Verantwortlichen der Staatsanwaltschaft für das Ignoriere bzw. die Nichtbearbeitung der Rechtsmittel?

23. Wie viele Befangenheitsanzeigen wurden von Herrn Böhm zwischen 2001 und 2015 an die Staatsanwaltschaft eingebracht?

24. Wie wurde mit den jeweiligen Befangenheitsanzeigen in der Staatsanwaltschaft verfahren?

25. Wie lange hat die Überprüfung und die Entscheidung über die einzelnen Befangenheitsanzeigen gedauert? (Bitte um genaue Aufschlüsselung)

26. Gab es zwischen 2001 und 2015 bei der zuständigen Staatsanwaltschaft parteipolitische Interventionen von SPÖ-nahestehenden Personen oder SPÖ-Mitgliedern die eingebrachten Befangenheitsanzeigen zu ignorieren beziehungsweise nicht zu behandeln?

27. Wenn ja, wurde über diese Interventionen Aktenvermerke gemacht?

28. Wenn es über diese Interventionen Aktenvermerke gab, wie hat die Staatsanwaltschaft darauf reagiert?

29. Wenn es diese Aktenvermerke gab, wurde/n der/die Bundesminister darüber informiert?

30. Wenn die Bundesminister darüber informiert wurden, welche Schritte wurden von diesen eingeleitet?

31. Wurden durch die Bundesminister an die zuständige Staatsanwaltschaft eine Weisung erlassen, wie mit der oder den politischen Interventionen umzugehen ist?

32. Wenn durch die Bundesminister keine Weisungen erlassen wurden, welche Schritte wurden dann eingeleitet?

33. Gab es bei der zuständigen Staatsanwaltschaft von anderen Personen oder politischen Parteien Interventionen die eingebrachten Befangenheitsanzeigen zu ignorieren oder nicht zu bearbeiten?

34. Wenn ja, wurden über diese Interventionen Aktenvermerke gemacht?

35. Wenn es über diese Interventionen Aktenvermerke gab, wie hat die Staatsanwaltschaft darauf reagiert?

36. Wenn es diese Aktenvermerke gab, wurde/n der/die Bundesminister darüber informiert?

37. Wenn die Bundesminister darüber informiert wurden, welche Schritte wurden von diesen eingeleitet?

38. Wurden durch die Bundesminister an die zuständige Staatsanwaltschaft eine Weisung erlassen, wie mit der oder den politischen Interventionen umzugehen ist?

39. Wenn durch die Bundesminister keine Weisungen erlassen wurden, welche Schritte wurden dann eingeleitet?

40. Gab es zwischen 2001 und 2015 andere Gründe, die die Staatsanwaltschaft veranlasst haben, die eingebrachten Befangenheitsanzeigen zu ignoriert oder nicht zu bearbeitet?

a.    Wenn ja, welche waren das?

b.    Wenn ja, wer war verantwortlich für das Ignorieren bzw. die Nichtbearbeitung der Befangenheitsanzeigen?

c.    Wenn ja, welche Konsequenzen gab es für die Verantwortlichen der Staatsanwaltschaft für das Ignorieren bzw. die Nichtbearbeitung der Rechtsmittel?

41. Ist es korrekt, dass der zuständige Staatsanwalt für den Prozess gegen Herrn Werner Böhm Alexander Marchart mit der Anklage gegen Karl Heinz-Grasser betraut wurde?

a.    Wenn ja, aus welchen Gründen wurde Herr Marchart damit betraut?

b.    Wenn ja, wer gab die Weisung dafür?

42.  Wie hoch waren die Gesamtkosten des Prozesses gegen Herrn Böhm? (Bitte um genaue Aufgliederung sämtlicher Kosten nach Jahr, Kostenstelle, etc.)

43. Hat die Staatsanwaltschaft jemals Ermittlungen angestellt, welche „Freunde“ aus der SPÖ Herrn Werner Böhm gedroht haben?

a.    Wenn nein, warum nicht

b.    Wenn ja, wer waren diese „Freunde“?

44. Wurde gegen diese „Freunde“ wegen § 105 StGB Nötigung ermittelt?

45. Wurde gegen diese Freunde wegen andere strafrechtsrelevanter Handlungen ermittelt?

46. Wurden über die Interventionen „keine Ermittlungen über diese „Freunde“ anzustellen“ Aktenvermerke angelegt?

47. Wer hat interveniert?

48. Gibt es derzeit Ermittlungen gegen diese „Freunde“?

a.    Wenn ja, wegen welcher Delikte?