1236/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.03.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für EU und Verfassung

betreffend Lager für Flüchtlinge und MigrantInnen in Griechenland

 

Die humanitäre Lage in den fünf Lagern für Flüchtlinge und MigrantInnen in Griechenland, in denen insgesamt 42.000 Menschen in für 5.400 konzipierten Lagern verharren, ist seit Jahren bekannt und tragisch. Das Lager in Moria auf Lesbos wurde beispielsweise für knapp 3.100 Personen konzipiert, doch hausen dort nun über 19.000 Menschen. Laut einer APA Meldung vom 19.12.19 stehen diesen gerade acht PsychologInnen, vier SozialarbeiterInnen, vier Hebammen, drei ÄrztInnen (jeweils ein Kinderarzt, Urologe und Chirurg) und sieben Krankenschwestern zur Verfügung. Außer in Moria steht es auch um die psychische Verfassung derjenigen, die auf die vier anderen Lagern auf den weiteren Inseln Chios, Samos, Leros und Kos verteilt sind, schlecht. Médecins Sans Frontières berichteten von vielfachen Selbstmorden und Selbstmordversuchen, auch von bis zu 10-jährigen Kindern. Insgesamt gibt es immer noch 5.300 unbegleitete Minderjährige in den Lagern, ohne Aussichten auf Bildung oder schlicht eine traumabefreite Kindheit.

Laut der Europäischen Kommission hat Griechenland seit 2015 2.23 Milliarden Euro an EU-Fördergeld erhalten, von denen 1,6 Milliarden ausgezahlt wurden. 1,18 Milliarden wurden vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfond für internationale Institutionen- wie UNHCR und NGOs- bereitgestellt. Laut Chefredakteur der liberalen griechischen Zeitung Fileleftheros, Panayiotis Lampsias, stand der griechischen Regierung genug Geld zur Verfügung, um das Lager Moria wie ein Hilton Hotel zu bauen. 

Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis kündigte an, alle Lager bis Sommer 2020 zu schließen und die Menschen für einige Wochen in geschlossene Dörfer zu sperren, wo sie in Containern wohnen sollen, ehe sie entweder auf andere EU-Länder verteilt oder abgeschoben würden. Laut Profil seien aus Griechenland im vergangenen Jahr aber nur 195 Menschen in die Türkei rückgeführt worden. In Anbetracht der bisher drastisch niedrigen Zahl von Abschiebungen in die Türkei, die an mutmaßlich mangelndem Behördenpersonal in Griechenland liegt, ist die Durchführung dieses Entschlusses innerhalb des Zeitrahmens von wenigen Wochen unwahrscheinlich. 

Über die rechtmäßige Handhabung der EU-Fördergelder für die Lager auf den griechischen Inseln gibt es seit geraumer Zeit Zweifel. Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis sagte 2018, dass die griechische Regierung trotz des hohen Betrages von 1,6 Milliarden Euro von der EU das schlimmste Lager für Flüchtlinge und MigrantInnen der Welt kreiert habe. Des Weiteren solle die Regierung statt einer Entschuldigung mit Einschüchterungen und Verfolgung jener vorgehen, die sich ihrem Verhalten gegenüber kritisch zeigen. OLAF, die Behörde der Europäischen Union zur Betrugsbekämpfung, ermittelt in einer Causa von mutmaßlich schlechter Verwaltung von EU-Fördergeldern in der Höhe von bis zu 52 Millionen Euro, die für Nahrungs- und Wohnversorgung in den Lager bestimmt war.

Österreich hat seit einigen Jahren eine restriktive Einstellung zur Migrationspolitik. In einem Artikel im Profil (Ausgabe des 16. Februar 2020) hieß es hierzu

"Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz vertritt seit Jahren die Theorie, dass geschlossene Grenzen, Abschreckung und die Verhinderung einer Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU die Lösung der Migrationskrise seien. […] Doch in konkreten Situationen wie der aktuelle greift das nicht. Die Menschen sind bereits hier. […] Kann eine Staatengemeinschaft mit einer halben Milliarde Einwohner ernsthaft so argumentieren?"

Die Lebensumstände derjenigen, die auf europäischem Boden verharren, liegen in der Verantwortung der EU-Mitgliedsstaaten. Leider ist trotz finanzieller Spenden seit Jahren von Verwahrlosung statt Betreuung die Rede. Durch die konsistent menschenunwürdigen Lebensumstände und Verstoße gegen das Recht auf ein Asylverfahren, das vielen Personen nicht gewährt wird, werden den Menschen auf den griechischen Inseln ihre Grundrechte als AsylwerberInnen systematisch entzogen. Griechenland verstößt dadurch gegen den EU-Vertrag. Sowohl die EU-Kommission als auch ein Mitgliedsstaat kann in diesem Fall ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

Für viele politische Analytiker ist eine Entwicklung in Richtung Gewalt absehbar, wenn Menschen über mehrere Jahre hinweg ohne Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben auf engem Raum und unter sehr schlechten Umständen leben müssen, gepaart mit einem wachsenden Unmut der heimischen Bevölkerung. In Anbetracht der jüngsten Ereignisse in Griechenland war deshalb eine Zuspitzung der seit Jahren bekanntlich angespannten Lage vor Ort nicht nur zu erwarten, sondern ist jetzt besonders besorgniserregend. Gewaltanwendung ist auch deshalb absehbar, weil von Schießübungen griechischer Soldaten berichtet wurde (APA am 2.3.2020). Als Teil der europäischen Gemeinschaft müssen andere EU-Mitgliedstaaten die Menschenrechte und europäischen Werte der Menschlichkeit da aufrecht erhalten, wo andere sie vernachlässigen- ob an den Außengrenzen oder innerhalb der EU.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Welche Mechanismen stehen der Regierung zur Verfügung, um Transparenz und Informationen über die korrekte Verwendung der EU-Fördergelder an die griechische Regierung zu erhalten, die für die fünf Lager für Flüchtlinge und MigrantInnen in Griechenland bezweckt sind?

a.    Hat die Regierung bereits Anfragen in dieser Hinsicht gestellt?

b.    Wenn ja, wann hat sich die Regierung an Griechenland oder eine EU-Institution gewendet, um dem nachzugehen?

c.    Wenn ja, mit jeweils welchem Ergebnis?

2.    Gab es durch VertreterInnen Ihres Ministeriums unter Türkis-Blau und/oder seit Türkis-Grün in Diskussions- oder Verhandlungsformaten auf europäischer Ebene Bemühungen um Lösungen der in der Begründung beschriebenen Situation auf den griechischen Inseln?

a.    Wenn ja, wann in welchen Gremien mit jeweils welcher Position?

b.    Wenn ja, auf welche Fakten und Studien war diese Position gestützt?

3.    Gab es durch VertreterInnen Ihres Ministeriums unter Türkis-Blau und/oder seit Türkis-Grün in Diskussions- und Verhandlungsformaten auf europäischer Ebene Bemühungen um eine Reform der Dublin-Verordnung zur Verteilung der AsylwerberInnen?

a.    Wenn ja, wann in welchen Gremien mit jeweils welcher Position?

b.    Wenn ja, auf welche Fakten und Studien war diese Position gestützt?

4.    Wurde unter Türkis-Blau und/oder seit Türkis-Grün die Budgetverteilung der genannten EU-Förderungen kontrollierend beobachtet?

a.    Wenn ja, inwiefern wann von wem jeweils mit welchem Ergebnis?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

5.    Hat die jetzige Regierung eine Beobachtung der genannten Budgetverteilung im Sinne?

a.    Wenn ja, wann in welcher Form?

b.    Wenn nein, warum nicht?

6.    Was wurde in Ihrem Ministerium in der Türkis-blauen Regierung wann unternommen, um eine Beschleunigung der Asylverfahren in den griechischen Lagern zu fördern?

7.    Wurde unter Türkis-Blau und/oder seit Türkis-Grün ein Ersuchen um Unterstützung vonseiten der griechischen RegierungsvertreterInnen an die österreichische Regierung und/oder ihren VertreterInnen- direkt oder indirekt über europäische Institutionen- herangetragen?

a.    Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt?

b.    Wenn ja, wie wurde von Ihrer Seite wann mit welchem Inhalt darauf reagiert?

8.    War oder ist in Ihrem Ministerium unter Türkis-Blau und/oder seit Türkis-Grün geplant, österreichische BeamtInnen nach Griechenland zu senden?

a.    Wenn ja, wie viele mit welcher Kompetenz sollten/sollen wann geschickt werden?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

9.    Wurden in Ihrem Ministerium unter Türkis-Blau und/oder während Türkis-Grün Maßnahmen ergriffen, um an der Verbesserung der Lage der Geflüchteten in Griechenland mitzuwirken?

a.    Wenn ja, wann wurden welche Maßnahmen ergriffen? 

b.    Wenn ja, wann wurde welche Form von Beteiligung Österreichs für wann geplant?

c.    Wenn nein, auf welchen Fakten und Studien wurden und werden die Position und Entscheidungen in Ihrem Ministerium zu Asylverfahren und Lagern in Griechenland gestützt?

d.    Wenn nein, wurden zumindest Lösungsvorschläge ausgearbeitet?

                                  i.    Wenn ja, welche wann?

                                ii.    Wenn nein, wieso nicht?

10.  Planen Sie, dass sich Österreich an der Relocation der schutzbedürftigsten Menschen, die sich noch auf den griechischen Inseln aufhalten, beteiligt?

a.    Wenn ja, inwiefern und wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn nein, auf welchen Fakten und Studien stützen Sie diese Entscheidung?

11.  Wurden in Ihrem Ministerium unter Türkis-Blau und/oder haben Sie seit Türkis-Grün Maßnahmen ergriffen, um eine Deeskalation der Lage zwischen Geflüchteten und der griechischen Regierung und Soldaten zu bewirken?

a.    Wenn ja, welche Maßnahmen und wann?

b.    Wenn ja, gibt es einen Zeitraum für die Umsetzung dieser Maßnahmen?

c.    Wenn nein, wieso nicht? Bitte um genaue Angaben.

12.  Was planen Sie wann zu tun, um die Situation von ihrem absehbaren Weg Richtung zuspitzender Gewalt abkommen zu lassen?