1244/J XXVII. GP
Eingelangt am 11.03.2020
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Anfrage
der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung
betreffend Direktvergabe der EU-Jugendprogramme Erasmus+ und Europäischer Solidaritätskorps an den OeAD
Am 28.02.2020 hat das BMBWF gemeinsam mit dem BMAFJ bekanntgegeben, dass die EU-Förderprogramme im Jugendbereich, Erasmus+ und der Europäische Solidaritätskorps (ESK), ab 01. Jänner 2021 nicht wie bisher vom Verein "IZ - Vielfalt, Dialog und Bildung" verwaltet werden sollen, sondern fortan vom OeAD betreut werden.1 Das IZ hat sich während der vergangenen 21 Jahre sehr erfolgreich um die Fördermittelvergabe in der außerschulischen bzw. nonformalen Jugendarbeit gekümmert. Es hat sich ein Expert_innennetzwerk aufgebaut, genießt auf europäischer Ebene hohes Ansehen und gewann die europaweite Ausschreibung als "Resource Center des Europäischen Solidaritätskorps" für alle europäischen ESK-Nationalagenturen. Zusätzlich koordiniert das IZ im Auftrag der Europäischen Kommission das Forschungsnetzwerk RAY des Erasmus+ Programms. Neben dem IZ, das für die Fördermittelvergabe im nonformalen Jugendbereich zuständig war, hat der OeAD die Förderagenden von Erasmus+ in der formalen und Berufsbildung übernommen. Mit dem IZ als eigener Agentur für die nonformale Jugendarbeit war bislang gewährleistet, dass dieser Bereich auch genügend Ressourcen erhält. Vor allem kleine Vereine und Kinder- und Jugendorganisationen sind von diesen Förderungen abhängig, wie die Bundesjugendvertretung in einer Aussendung vergangene Woche hervorhebt.2 Mit der Entscheidung, dem IZ die nonformalen Förderagenden zu entziehen und diese stattdessen gesamthaft dem OeAD zu übergeben, sehen die Bundesjugendvertretung BJV und zahlreiche Stimmen aus dem Jugendsektor den niederschwelligen Zugang zu Förderungen und deren Vielfalt massiv bedroht. Die BJV sieht die Gefahr, dass die Fördermittel für den nonformalen Jugendbereich vom formalen Jugendbereich vereinnahmt werden und erstere zu kurz kommen. Sie fordern daher Jugendministerin Aschbacher und Bildungsminister Faßmann zu einer "sauberen Lösung" auf und bestehen auf die transparente Ausschreibung der Fördermittelverwaltung. Nur so könne gewährleistet werden, dass auch die qualifizierteste Stelle den Auftrag erhält.
Das BMBWF und BMAFJ begründen die ohne Ausschreibung erfolgte Übergabe der gesamten EU-Jugendagenden an den OeAD wiederum damit, der "Empfehlung des Rechnungshofs und der EU-Kommission" nachzukommen. Tatsächlich fordert die EU-Kommission in ihrer Stellungnahme 2018 jedoch folgendes:
„Im Interesse einer effizienten und wirksamen Umsetzung dieser Verordnung sollte das Programm möglichst auf bestehende Mechanismen zurückgreifen. Die Durchführung des Programms sollte daher der Kommission und nationalen Agenturen anvertraut werden. Im Sinne größtmöglicher Wirksamkeit sollten die nationalen Agenturen nach Möglichkeit dieselben sein, die für die Verwaltung des Vorläuferprogramms benannt worden waren."3
Es wäre also eher im Sinne der Empfehlung der EU-Kommission, den bereits 21 Jahre lang tätigen IZ auch weiterhin mit der Verwaltung der nonformalen Fördermittel der EU-Jugendprogramme zu beauftragen. Der Rechnungshofbericht wiederum, auf den sich die Minister_innen beziehen, ist praktischerweise noch nicht veröffentlicht worden, sondern liegt lediglich in einer "Rohfassung" den Ministerien vor. Frau Aschbacher gibt außerdem folgendes an:
"Der OeAD hat bei der Umsetzung von europäischen Programmen sehr viel Erfahrung, sodass wir bei der Bündelung der Agenden einen reibungslosen Übergang sicherstellen können. Gleichzeitig soll die bisher gute Qualität der Organisation und Betreuung gemeinsam mit den Ländern weiter verbessert und ausgebaut werden."
Fakt ist jedoch, dass der OeAD im nonformalen Bildungsbereich über keinerlei Bezugspunkte und Erfahrungen verfügt. Das Jugendministerium hat außerdem kein Mitspracherecht im OeAD und die Qualität der Organisation und Betreuung durch den IZ fand bereits auf einem sehr hohen Niveau statt. Die Begründung für die nicht erfolgte Ausschreibung und Direktvergabe an den OeAD bleibt somit schleierhaft.
Ein weiterer hinterfragenswerter Aspekt bei der Vorgehensweise des BMBWF und des BMAFJ sind die Personalia in dieser Angelegenheit. Während das IZ neben jahrzehntelanger Expertise keinerlei Nähe zur ÖVP aufweist, sind bekanntlicherweise das BMBWF und BMAFJ ÖVP-geführte Ressorts. Aber auch der OeAD hat mit dem ehemaligen Generalsekretär im ÖVP-geführten Bildungsministerium und seit 2019 neuen OeAD-Geschäftsführer, Jakob Calice, einen ÖVP-Mann an der Spitze. Durch die Vergabe der nonformalen Jugendfördermittel an den OeAD sind nun die gesamten EU-Jugendförderagenden fest in ÖVP-Hand. In Kombination mit der Tatsache, dass die Gründe für die Vergabe der Förderagenden an den OeAD schleierhaft sind und die Vergabe entgegen der Forderung der BJV und anderer Interessensvertreter im Jugendbereich ohne vorherige transparente Ausschreibung erfolgte, ergibt sich ein fragwürdiges Gesamtbild.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Auf welchen Rechnungshofbericht beziehen Sie sich genau in Ihrer Aussendung vom 28.02.2020, in der Sie die Zusammenlegung der EU-Jugendförderagenden im OeAD ankündigen?
2. Wann wird dieser Rechnungshofbericht genau veröffentlicht?
3. Angesichts der Tatsache, dass der Rechnungshofbericht und gleichzeitig Grundlage für die gegenständliche Entscheidung noch nicht veröffentlicht ist: Was sind die exakten Gründe laut Rechnungshofbericht für die Übertragung der nonformalen Erasmus+ und ESK-Förderagenden an den OeAD?
4. Geht aus dem Rechnungshofbericht hervor, dass der OeAD die Aufgaben der Fördermittelverwaltung kostengünstiger durchführen kann als das IZ?
5. Wie viel Geld hat das IZ bisher als Nationalagentur für die EU-Jugendprogramme Erasmus+ und ESK vom Bund erhalten (Bitte um Angabe zu den letzten 7 Jahren)?
6. Wie viel Geld wird der OeAD vom Bund erhalten, um die gleichen Aufgaben wie das IZ bisher zu übernhemen?
7. Kann der OeAD trotz seiner größeren Organisationsstruktur und höheren Mitarbeitergehälter etc. die Fördermittelverwaltung im nonformalen Jugendbereich kostengünstiger durchführen als das IZ?
a. Wenn ja, wie hoch genau ist die finanzielle Ersparnis im Vergleich zum IZ?
b. Wenn nein, wieso hat man sich dennoch dazu entschieden, die Aufgaben dem OeAD zu übertragen?
c. Wenn unklar, wieso hat man diesen zentralen Faktor nicht berücksichtigt?
8. Hat der OeAD ein Angebot gelegt, um die nonformalen Förderagenden zu übernehmen?
a. Wenn ja, wann wurde dieses Angebot genau eingereicht?
b. Fand die Entscheidung, die nonformalen Förderagenden dem OeAD zu übertragen, vor oder nach der Angebotslegung des OeAD statt?
9. Warum haben Sie sich dagegen entschieden, die EU-Jugendfördermittelverwaltung auszuschreiben und den Vergabeprozess somit transparent wie bisher zu halten?
10. Warum haben Sie sich dazu entschieden, die EU-Jugendfördermittelverwaltung direkt an den OeAD zu übertragen?
11. Kann ausgeschlossen werden, dass mit diesem Schritt lediglich die Vergabe weiterer Fördermittel in den Einflussbereich der ÖVP-geführten Ministerien gebracht werden soll?
a. Wenn ja, warum?
12. Sind Sie oder andere Stellen mit der bisherigen Arbeit des IZ unzufrieden?
a. Wenn ja, wo genau hätte das IZ besser arbeiten können?
b. Wenn nein, wieso haben Sie dem IZ die EU-Jugendförderagenden entzogen?
13. Welche Expertise weist der OeAD im nonformalen Bildungsbereich auf?
14. Welche Expertise weist der OeAD im Jugendarbeitsbereich auf?
15. Sind diese Expertisen Ihrer Meinung nach höher einzustufen als die des IZ?
16. Soll auch in Zukunft sichergestellt werden, dass zentrale Interessensvertreter_innen wie Jugendorganisationen, Landesjugendreferate und die BJV auch weiterhin bei der Programmgestaltung miteinbezogen werden?
a. Wenn ja, wie genau wird die Zusammenarbeit bzw. der Dialog mit den Interessensvertreter_innen aussehen?
b. Wenn nein, warum nicht?
c. Bleiben das Erasmus+ Kuratorium und Evaluation Comitee, die genau zu diesem Zweck eingerichtet wurden, bestehen?
1 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200228_OTS0182/bmbwf-und-bmafj-setzen-empfehlung-des-rechnungshofs-und-der-eu-kommission-um
2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200226_OTS0195/bundesjugendvertretung-keine-intransparente-vergabepolitik-auf-kosten-des-jugendbereichs
3 https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:147de752-63eb-11e8-ab9c-01aa75ed71a1.0001.03/DOC_1&format=PDF (S. 27, Punkt 44)