12442/J XXVII. GP
Eingelangt am 28.09.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, , Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung
betreffend Legasthenie, Dyslexie und Dyskalkulie
Lesen, Schreiben und Rechnen sind Kulturtechniken, ohne deren ausreichende Beherrschung ein zufriedenstellendes Maß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kaum erreicht werden kann. Menschen, die nicht ausreichend lesen, schreiben oder rechnen erlernen, leiden ein Leben lang unter den Folgewirkungen und sind in ihren beruflichen und persönlichen Lebenswegen eingeschränkt. Volkswirtschaftlich gehen uns wertvolle und dringend benötigte Fachkräfte verloren.
Für Österreich ist uns keine Studie mit konkreten Folgekosten-Abschätzungen bekannt, aber aus Studien in ähnlich entwickelten Gesellschaften lässt sich daraus schließen, dass es sich um enorme Beträge handeln muss. Zum Beispiel beziffert die britische Untersuchung von Gross, Hudson & Price (2009) die Kosten, die der öffentlichen Hand im Vereinigten Königreich mittelbar und unmittelbar infolge des gesellschaftlichen Problems „Rechenschwäche“ entstehen, auf £2,4 Milliarden pro Jahr, die Kosten des Problems „Lese-Rechtschreib-Schwäche“ auf £198 Millionen bis £2.5 Milliarden pro Jahr.
Legasthenie, Dyslexie, Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Lese-Rechtschreib-Störung sind Begriffe, die für längere Zeit anhaltende, schwerwiegende Schwierigkeiten beim Erwerb des Lesens und/oder Schreibens verwendet werden. Unter Dyskalkulie, Rechenschwäche oder Rechenstörung werden „erhebliche Schwierigkeiten beim Rechnenlernen“ verstanden. Internationalen Studien zufolge sind ca. 10% der Bevölkerung von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche und/oder Rechenschwäche betroffen. Angaben zur Häufigkeit schwanken, je nachdem wie auf diese Probleme zugegangen wird – Zugang über sachliche Kriterien (vgl. z. B. PIRLS 2016, Bos et al. 2017, S. 15, Grotlüschen et al. 2019, S. 5) oder Orientierung an sozialen Normen (vgl. Fischbach et al. 2013, Moll et al. 2014).
In Österreich schreibt der Dachverband der Sozialversicherungsträger dazu: „In Bezug auf die Entwicklungsstörungen im Bereich schulischer Fertigkeiten liegen die Prävalenzschätzungen in den eingeschlossenen Studien relativ einheitlich bei 7 bis 16 Prozent aller Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren für Lese- und Rechtschreibstörungen. Für Rechenstörungen werden Prävalenzen von 4 bis 15 Prozent berichtet.“ (GÖG 2020, Therapeutische Versorgung von Kindern/Jugendlichen in Österreich, S. 32).
Kinder mit einer dieser Lernschwächen fällt es schwer, dem Regelunterricht zu folgen. Sie verlieren rasch den Anschluss an den aktuellen Schulstoff, leiden an erheblichen psychosozialen Folgen und finden sich oft in einer Negativspirale wieder – mit gravierenden persönlichen, aber auch gesellschaftlichen und gesamtökonomischen Folgen. Die von Lese-Rechtschreib- und/oder Rechenschwäche betroffenen Schüler*innen benötigen in kritischen Phasen dringend individuelle Betreuung, um ihre Lernschwächen zu überwinden, den Anschluss an den Regelunterricht wiederherstellen zu können und die Bildungsstandards zu erreichen.
Diese Unterstützung kann im Regelschulsystem aufgrund eines Mangels an zeitlichen und personellen Ressourcen derzeit nicht geleistet werden. Die rechtzeitige und nachhaltige Unterstützung betroffener Kinder wird in den meisten Fällen organisatorisch und finanziell an deren Eltern delegiert. Erst bei gravierenden Folgeerscheinungen, die u. a. psychologische bzw. psychiatrische Unterstützung notwendig machen, werden Beiträge aus öffentlichen Geldmitteln gewährt. Diese Behandlungen setzen i.d.R. erst zu einem späteren Zeitpunkt ein, an denen die psychosozialen Belastungen für die Kinder und deren Familien bereits gravierend und die Behandlungskosten erheblich sind. Eine frühzeitige Förderung der betroffenen Kinder in- und außerhalb der Schule, z.B. durch professionelle Lerntherapie, wie sie mit einer entsprechenden akademischen Ausbildung möglich ist, könnte hier sowohl für die Kinder, den Familien und die Gesellschaft Abhilfe schaffen und psychische wie finanzielle Entlastung schaffen.
Über die derzeitige Situation von Kindern mit einer Lese-Rechtschreib- und/oder Rechenschwäche und deren Familien, die Fördermöglichkeiten und die Förderpraxis in- und außerhalb der Schule, der Finanzierung dieser Förderungen sowie diesbezügliche Vorhaben der Regierung ist derzeit zu wenig bekannt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Wenn ja, wann zuletzt und in welcher Weise?
ii. Wenn ja, wurden die Ergebnisse veröffentlicht? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht?
iii. Wenn nein, ist eine solche Evaluierung geplant? Wenn ja, für wann?
i. innerschulische Maßnahmen
ii. außerschulische Maßnahmen
i. Wenn ja, mit welcher Begründung?
ii. Wenn nein, bis wann ist eine Entlastung durch eine Umsatzsteuerbefreiung geplant?