12444/J XXVII. GP

Eingelangt am 29.09.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

betreffend Arbeiterkammern: Verschleierung von Gewinnen und Rücklagen im großen Stil

 

Die Kammern horten enorme Rücklagen, die weit über ihren Jahresaufwendungen liegen: die AK knapp EUR 600 Mio. Rücklagen und die WK sogar fast EUR 1.800 Mio.! Um die Rücklagen nicht entsprechend den Kammergesetzen in Form von signifikanten Beitragssenkungen an die Mitglieder refundieren zu müssen, lassen sich die Kammern immer wieder neue Tricks einfallen, um die Gesetzeslage zu umgehen. In den folgenden Absätzen ein gravierendes Beispiel dazu aus den Arbeiterkammern.

Trotz Nicht-Gewinnorientierung regelmäßige Überschüsse in den Arbeiterkammern

Die Arbeiterkammern horten knapp EUR 300 Mio. an Wertpapiervermögen und fast EUR 600 Mio. an Rücklagen. Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine Momentaufnahme, da aufgrund der regelmäßigen Überschüsse das Wertpapiervermögen und die Rücklagenbestände der Arbeiterkammern seit Jahren kontinuierlich wachsen. Dabei dürften die Arbeiterkammern eigentlich gar keine regelmäßigen Überschüsse erzielen, da die Kammerumlage gemäß § 61 AKG nur zur Bestreitung der Auslagen eingehoben werden darf (Ausgaben = Einnahmen). Doch die Aufsicht (Arbeitsministerium) duldet diesen fortlaufenden Verstoß gegen das Arbeiterkammergesetz seit Jahren. Und trotzdem scheinen den Arbeiterkammern die regelmäßigen Überschüsse (zuletzt 2021: EUR 53 Mio.) unangenehm zu sein. Allerdings haben die Arbeiterkammern als Konsequenz nicht die Beiträge gesenkt, sondern stattdessen einfach damit begonnen, die Überschüsse und somit die wachsenden Rücklagen teilweise zu verschleiern.

Intensive Aktivitäten zu Überschuss- und Rücklagenverschleierung mit Hilfe der "Digitalisierungsoffensive"

Die Verschleierung der Überschüsse und Rücklagen fällt den Arbeiterkammern insofern sehr leicht, als sie im Gegensatz zu privaten Unternehmen nicht an das Unternehmensgesetzbuch (UGB) gebunden sind und sich die Regeln (RHO) selbst erstellen können. Da die zuständige Aufsicht (Arbeitsministerium), die die Rechnungslegungsvorschriften (RHO) freigeben muss, in der Vergangenheit nur sehr zurückhaltend agiert hat, wurden die Vorschriften der Arbeiterkammern mit der Zeit immer kreativer. Eine der wirkungsvollsten Möglichkeiten zur Verschleierung der Rücklagen konnten die Arbeiterkammern offenbar 2017 in die Rechnungslegungsvorschriften hineinschwindeln. 2017 war das bisher letzte Jahr unter einem sozialdemokratischen Minister für Arbeit. Schon aufgrund der Dominanz der sozialdemokratischen Gewerkschafter in den Arbeiterkammern haben sozialdemokratische Minister die Aufsicht immer nur sehr oberflächlich wahrgenommen. (Ein Umstand, der unter umgekehrten farblichen Vorzeichen für Wirtschaftskammer und Wirtschaftsminister gilt.) Und so konnten die Arbeiterkammern ab 2018 plötzlich die sogenannte "Rückstellung für die Digitalisierungsoffensive" bilden (1). Die Bilanzposition ist insofern brisant, weil es sich bei einer Rückstellung im Gegensatz zu einer Rücklage nicht mehr um Eigenkapital, sondern um Fremdkapital handelt. Und für die Arbeiterkammern ist es wichtig, möglichst wenig Eigenkapital auszuweisen, um nicht Gefahr zu laufen, die Beiträge senken zu müssen. Für private Unternehmen wäre diese Rückstellung völlig unmöglich, weil das UGB Rückstellungen nur in einem sehr eingeschränkten Rahmen erlaubt. Bei der "Rückstellung zur Digitalisierungsoffensive" fehlt jedoch die nachvollziehbare Begründung, weil es sich nicht um ungewisse Verbindlichkeiten oder drohende Verluste handelt.

Wirtschaftskammern verbuchen ihre "Bildungsoffensive" korrekt als Rücklage

Zum Vergleich verbuchen die Wirtschaftskammern ihre korrespondierende Maßnahme - die "Bildungsoffensive" (2) - UGB-konform als Rücklage und somit als Eigenkapital. Generell sind die Rechnungslegungsvorschriften der Wirtschaftskammern viel stärker am UGB orientiert, was man auch am Aufbau der WK-Rechnungsabschlüsse sehr schnell erkennen kann. Und was für die Wirtschaftskammern möglich ist und gilt, sollte eigentlich auch für die Arbeiterkammern gelten. Immerhin beklagen sich die Arbeiterkammern auf ihrer Webseite über Bilanzkosmetik privater Unternehmen (3), was im Zusammenhang mit den eigenen erheblichen bilanzkosmetischen Aktivitäten nicht sehr stimmig wirkt. 

Müssten die Arbeiterkammern nach UGB bilanzieren, bekämen sie Probleme mit dem Finanzamt

Fakt ist, dass die Arbeiterkammern Glück haben, nicht nach UGB bilanzieren zu müssen. Denn jedes private Unternehmen würde bei dieser eigenwilligen Bildung von Rückstellungen Probleme mit dem Finanzamt bekommen. Rückstellungsbildungen entsprechen nämlich Aufwänden, wirken daher gewinnmindernd und reduzieren somit die Ertragssteuern. Jetzt kann natürlich eingewendet werden, dass die Arbeiterkammern ohnehin von Ertragssteuern (KöSt) befreit sind, allerdings ist die drohende Beitragssenkung bei regelmäßigen Überschüssen mit einer Ertragssteuer vergleichbar. 

Ausmaß der Überschuss- und Rücklagenverschleierungen

Insgesamt beträgt das Ausmaß der Überschussverschleierung in den Arbeiterkammern seit 2018 jährlich zwischen EUR 11 und 27 Mio. (siehe Tabelle, Zeile "Überschussvermeidung"). Denn die Arbeiterkammern bilden jährlich knapp EUR 30 Mio. Euro überschussmindernde neue Rückstellungen für die Digitalisierungsoffensive, geben jährlich aber nur maximal EUR 18 Mio. Euro im Rahmen dieses Programms aus. Die langfristige Differenz zwischen Rückstellungsbildungen und tatsächlichen Auszahlungen ist die Überschussverschleierung. So hätte der ohnehin schon hohe Überschuss für 2021 ohne Ergebniskosmetik nicht nur EUR 53 Mio. ausgemacht, sondern sogar EUR 64 Mio.!

Betrachten wir nun die Rückstellungen für die Digitalisierungsoffensive als das, was sie sind, nämlich als Rücklagen, summieren sich die gesamten Rücklagen der Arbeiterkammern auf EUR 571 Mio. statt der ausgewiesenen EUR 503 Mio.!

AK-Rechnungsabschlüsse verstoßen gegen das AK-Gesetz

Gemäß § 67 AKG kann der Bundesminister den Rechnungsabschluss nur genehmigen, wenn dieser rechnerisch richtig ist. Eine Rücklage als Rückstellung zu verbuchen, ist sachlich falsch und führt zu einem rechnerisch falschen Bilanzergebnis, sodass diese Rechnungsabschlüsse bei Einhaltung des Gesetzes gar nicht genehmigungsfähig wären.

 

Gutachten zur Überprüfung der AK-Rechnungslegungsvorschriften in Auftrag gegeben

Immerhin hat das Arbeitsministerium bereits erkannt, dass die Rechnungslegungsvorschriften der Arbeiterkammern etwas zu kreativ sind und hat laut Anfragebeantwortung 10747/AB XXVII. GP "Vom BMA in Auftrag gegebene Studien 2021/22" bereits ein Gutachten zur Prüfung der AK-Rechnungslegungsvorschriften in Auftrag gegeben: „Analyse der Rechnungslegungsbestimmungen der Kammern für Arbeiter und Angestellte. Zweck der Studie ist die Analyse der Rechnungslegungsbestimmungen der Arbeiterkammern (AK) hinsichtlich ihrer Vergleichbarkeit und Transparenz". (4)

 

Rücklagenverschleierungen und Überschussverschleierungen

Ein Bild, das Tisch enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Quelle: BMAW

 

Zuführungen zu Rückstellungen wesentlich höher als tatsächliche Ausgaben

Quelle: BMAW

 

Quellen:

(1) https://www.arbeiterkammer.at/digitalisierungsoffensive

(2) https://www.wko.at/site/wir-bilden-zukunft/start.html

(3) https://wien.arbeiterkammer.at/service/betriebsrat/ifam/jahresabschluss/IfAM-Lounge_Bilanzpolitik.html

(4) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_10747/index.shtml

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Entgegen dem UGB bilden die Arbeiterkammern Rückstellungen (Fremdkapital), die korrekterweise als Rücklagen (Eigenkapital) zu bewerten sind. Konkret betrifft es die "Rückstellung für die Digitalisierungsoffensive", während die Wirtschaftskammern die korrespondierende Bildungsoffensive UGB-konform als Rücklage bilden:
    1. Mit welcher Begründung genehmigen Sie als Aufsicht den Arbeiterkammern weiterhin nicht-UGB-konforme Rechnungslegungsvorschriften, die Rücklagenverschleierungen in Form der nicht-UGB-konformen "Rückstellung für die Digitalisierungsoffensive" ermöglichen? 
    2. Mit welcher Begründung kommen Sie als Aufsicht der Wirtschaftskammern und Arbeiterkammern zur Ansicht, dass für die entsprechende Weiterbildungsmaßnahme bei den Wirtschaftskammern ("Bildungsoffensive") eine Rücklage zu bilden ist und bei den Arbeiterkammern ("Digitalisierungsoffensive") eine Rückstellung zu bilden ist?
  1. Laut Anfragebeantwortung 10747/AB XXVII. GP haben Sie zu den Rechnungslegungsvorschriften der Arbeiterkammern ein Gutachten in Auftrag gegeben:
    1. Welche Prüfinhalte umfasst das Gutachten?
    2. Welches Fertigstellungsdatum ist für das Gutachten geplant?
    3. Wo wird das Gutachten veröffentlicht?