12446/J XXVII. GP

Eingelangt am 29.09.2022
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Asylkrise? Nein, wir haben ein Verteilungsproblem!

ÖVP-Innenminister Gerhard Karner lässt keine Gelegenheit mehr aus, um die vermeintliche Überlastung des österreichischen Asylsystems in den Vordergrund zu stellen. In der Folge werden die falschen Aktionen gesetzt, die das Problem in keinster Weise lösen und sogar vom Koalitionspartner stark kritisiert werden - wie etwa die Idee der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten zu ventilieren oder neuerdings eine unsachliche, nicht treffsichere Onlinekampagne zur kollektiven Abschreckung von Asylwerber_innen um 260.000 Euro zu schalten. Schon 2016 hat das Innenministerium eine ähnliche Kampagne mit Schwerpunkt in Afghanistan lanciert, die im Internet, Fernsehen, in Zeitungen und sogar auf Bussen mit Slogans wie "Österreichs Asylrecht nun noch strenger" dagegen warb, sich auf den Weg nach Österreich zu machen. Migrationsexpert_innen bezweifeln grundsätzlich, dass derartige Kampagnen auf Betroffene eine abschreckende Wirkung haben, wenn bei ihnen entsprechende Fluchtgründe vorliegen (siehe „Kampagne gegen illegale Migration: Fragwürdige Abschreckung“ sowie „Innenminister Karner will Asylprüfungen in Drittstaaten auslagern“ I Der Standard).

Mit einem solchen Vorgehen werden Energie, Zeit und Geld in verfassungswidrige Auslagerungsfantasien bzw. unsachliche Informationskampagnen ohne anzunehmenden seriösen Mehrwert verschwendet, statt in die völlig vernachlässigte Erfüllung einer klaren Aufgabe zu fließen: Maßnahmen für ein funktionierendes Versorgungssystem für Asylwerber_innen. Letzteres ist nämlich nicht überbelastet, sondern einfach schlecht aufgestellt. Hierzu ein paar Fakten: 

Worin besteht nun das Problem? Der Verteilungsmechanismus innerhalb Österreichs funktioniert nicht, in den zunächst zuständigen Einrichtungen des Bundes besteht ein Flaschenhals - weit über die Hälfte der Antragsteller_innen, welche sich in Erstaufnahmezentren bzw. in der Bundesbetreuung befinden, sind bereits zum Asylverfahren zugelassen und sollten daher in die Einrichtungen der Bundesländer überstellt werden. Die Bundesländer haben sich eigentlich dazu verpflichtet, doch viele erfüllen ihre Quoten einfach nicht. Währenddessen sind die Erstaufnahmestellen überbelegt: 

Foto: Die überbelegte EASt in Traiskirchen Anfang September 2022, wo die Unterbringungsbedingungen katastrophal sind. 75% der Asylwerber_innen sind bereits zum Verfahren zugelassen und sollten bereits in der Grundversorgung der Länder sein. 


Darüber hinaus wurde die Erhöhung der Tagessätze für die Grundversorgung von 21€ auf 25€, welche im Juli beschlossen wurde, bislang nur von Wien und Tirol umgesetzt. Eine rasche Umsetzung in den anderen Bundesländern soll dazu beitragen, mehr Quartiere zu schaffen - war dies doch die Forderung vieler Bundesländer in Reaktion auf Aufnahmeersuchen vonseiten des Bundes. Die "Asylkrise", Herr Innenminister, ist in Wirklichkeit ein Managementproblem.

Als ob nicht genügend Chaos herrschen würde, werden Asylsuchende aufgrund eines undurchdachten Erlasses zur Erstbefragung quer durchs Land geschickt, wobei für die Ersteinvernahme weder reguläre Verpflegung noch adäquate Infrastrukturen vorgesehen sind. Alles, was Asylsuchende gegeben wird, ist ein Zugticket - viele müssen dann eine Nacht am Bahnhof oder auf der Straße übernachten (siehe "Asylsuchende werden mit dem Zug quer durch Österreich geschickt" I Kleine Zeitung). Andere stranden oder verschwinden - laut Innenminister Karner solle man ja "Reisende nicht aufhalten" (siehe "Nun amtlich: Asylrekorde purzeln, System am Limit" I Krone).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche Erstversorgungsquartiere für Asylwerber_innen waren im Jahr 2022 jeweils wann und im welchem Ausmaß überbelegt? Bitte um Aufschlüsselung nach Anzahl an Asylwerber_innen, Einrichtung, Kapazität und Monat. 
  2. Wie viele Asylwerber_innen, die bereits zum Verfahren zugelassen sind, befinden bzw. befanden sich im Jahr 2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung in der Grundversorgung des Bundes? Bitte um Auflistung nach Betreuungseinrichtung und Monat. 
    1. Wie viele davon sind bzw. waren syrische Staatsangehörige? 
    2. Wie viele davon sind bzw. waren afghanische Staatsangehörige? 
  1. Können Sie die Quotenstatistik der Grundversorgung für alle Monate des Jahres 2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung übermitteln? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland, Anzahl der Grundversorgungsbezieher_innen, Angabe der zu erfüllenden Quote und Differenz zur Zielerfassung sowie Aufenthaltsstatus der untergebrachten Personen. 
  2. Wie viele Asylwerber_innen wurden seit Anfang 2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung den Bundesländern zur Übernahme in die Landesgrundversorgung angeboten? Bitte um Auflistung nach Bundesland und Monat.
  3. Wie viele Asylwerber_innen wurden seit Anfang 2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung von den Bundesländern in die Landesgrundversorgung übernommen? Bitte um Auflistung nach Bundesland und Monat.
  4. Wie oft lehnten Bundesländer seit Anfang 2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung die Übernahme von Asylwerber_innen ab? Bitte um Auflistung nach Bundesland und Monat.
  5. Wie viele Tage nach der Zulassung zum Asylverfahren erfolgte im Jahr 2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung durchschnittlich die Überstellung in Landesgrundversorgungsquartiere?
  6. Wurden Maßnahmen gesetzt, um den Flaschenhals in den Betreuungseinrichtungen des Bundes zu reduzieren? 
    1. Wenn ja, wann und welche? 
    2. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils? 
    3. Wenn nein, warum nicht? 
    4. Wenn nein, sind Maßnahmen geplant?
  1. Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Ländern mit einer hohen Anerkennungsquote (etwa Syrien oder Afghanistan) prioritär bzw. im Schnellverfahren abgearbeitet, damit diese Personen schneller in die Quartiere der Länder überstellt werden können? 
    1. Wenn ja, seit wann? 
    2. Wenn nein, warum nicht? 
    3. Wenn nein, zieht Ihr Ressort eine derartige Vorgehensweise in Erwägung, um den Flaschenhals in den Betreuungseinrichtungen des Bundes zu reduzieren? 
  1. Wurden Gespräche bzw. Verhandlungen mit den Bundesländern, die Ihre Quote nicht erfüllen, geführt? 
    1. Wenn ja, wann und welche? 
    2. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils? 
    3. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Wurden Gespräche bzw. Verhandlungen mit den Bundesländern, welche die Erhöhung der Tagessätze in der Grundversorgung noch nicht umgesetzt haben, geführt? 
    1. Wenn ja, wann und welche? 
    2. Wenn ja, mit welchen Ergebnissen jeweils? 
    3. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Wie viele Treffen der Landesflüchtlingsreferentenkonferenz (FLÜRK) gab es seit Anfang 2022? 
    1. Mit welchen Inhalten und wann jeweils? 
  1. Wie viele Treffen des Koordinationsrats gab es seit Anfang 2022?
    1. Mit welchen Inhalten und wann jeweils?  
  1. In welchen Treffen der FLÜRK/des Koordinationsrats wurde das Verteilungsproblem thematisiert? 
    1. Welche Maßnahmen bzw. Lösungen wurden vonseiten Ihres Ressorts vorgeschlagen? 
    2. Welche Maßnahmen bzw. Lösungen wurden vonseiten der Vertreter_innen der Bundesländer vorgeschlagen?
  1. In welchen Treffen der FLÜRK/des Koordinationsrats wurde die Kompetenzverteilung bzw. die Art der Entscheidungsfindung bzgl. der Grundversorgung besprochen?  
    1. Wurde eine Änderung der Kompetenzverteilung bzw. der Art der Entscheidungsfindung je thematisiert

                                          i.    vonseiten Ihres Ressorts?

                                        ii.    vonseiten der Vertreter_innen der Bundesländer?

  1. Gibt es Protokolle zu den Treffen der FLÜRK? Bitte um Übermittlung der Protokolle. 
  2. Gibt es Protokolle zu den Treffen des Koordinationsrats? Bitte um Übermittlung der Protokolle. 
  3. Wie kam es zum Erlass des 5. August 2022 zur Durchführung der Erstaufnahmegespräche in den Bundesländern?
  4. Wurde bei der Ausarbeitung des Erlasses des 5. August 2022 zur Durchführung der Erstaufnahmegespräche in den Bundesländern bedacht, in den Bundesländern die entsprechende Infrastruktur bzw. Kapazitäten zur Erstversorgung zu schaffen? 
    1. Wenn ja, welche Maßnahmen wurden dazu wann gesetzt und mit welchem Ergebnis jeweils? 
    2. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Wie ist es möglich, dass Asylsuchende in Orte hingeschickt worden sind, in denen sie am Bahnhof oder auf der Straße schlafen mussten, bevor sie ihr Erstaufnahmegespräch durchführen? 
    1. Welche Maßnahmen wurden jeweils wann gesetzt, um dies zu vermeiden? 
    2. Sollten keine Maßnahmen gesetzt worden sein: warum nicht? 
  1. Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort setzen, um künftig sicherzustellen, dass alle Asylantragsteller_innen eine adäquate, menschenrechtskonforme Versorgung und Unterbringung bekommen? 
  2. Ist eine Änderung des Erlasses des 5. August 2022 zur Durchführung der Erstaufnahmegespräche in den Bundesländern angedacht, um Probleme bei Erstversorgung und Unterbringung künftig zu verhindern? 
  3. Ist eine Aufhebung des Erlasses des 5. August 2022 zur Durchführung der Erstaufnahmegespräche in den Bundesländern angedacht?
    1. Wenn ja, wann?