Eingelangt am 29.09.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.
Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an
den Bundesminister für Inneres
betreffend Asylkrise?
Nein, wir haben ein Verteilungsproblem!
ÖVP-Innenminister
Gerhard Karner lässt keine Gelegenheit mehr aus, um die vermeintliche
Überlastung des österreichischen Asylsystems in den Vordergrund zu
stellen. In der Folge werden die falschen Aktionen gesetzt, die das
Problem in keinster Weise lösen und sogar vom Koalitionspartner stark
kritisiert werden - wie etwa die Idee der Auslagerung von Asylverfahren in
Drittstaaten zu ventilieren oder neuerdings eine unsachliche, nicht
treffsichere Onlinekampagne zur kollektiven Abschreckung von Asylwerber_innen
um 260.000 Euro zu schalten. Schon 2016 hat das Innenministerium
eine ähnliche Kampagne mit Schwerpunkt in Afghanistan lanciert, die im
Internet, Fernsehen, in Zeitungen und sogar auf Bussen mit Slogans wie
"Österreichs Asylrecht nun noch strenger" dagegen warb, sich auf
den Weg nach Österreich zu machen. Migrationsexpert_innen bezweifeln
grundsätzlich, dass derartige Kampagnen auf Betroffene eine abschreckende
Wirkung haben, wenn bei ihnen entsprechende Fluchtgründe vorliegen (siehe
„Kampagne gegen illegale Migration:
Fragwürdige Abschreckung“
sowie „Innenminister Karner will
Asylprüfungen in Drittstaaten auslagern“ I Der Standard).
Mit einem solchen Vorgehen
werden Energie, Zeit und Geld in verfassungswidrige Auslagerungsfantasien bzw.
unsachliche Informationskampagnen ohne anzunehmenden seriösen Mehrwert
verschwendet, statt in die völlig vernachlässigte Erfüllung
einer klaren Aufgabe zu fließen: Maßnahmen für ein
funktionierendes Versorgungssystem für Asylwerber_innen. Letzteres
ist nämlich nicht überbelastet, sondern einfach schlecht aufgestellt.
Hierzu ein paar Fakten:
- Die Asylantragszahlen
allein reichen nicht, um festzustellen, ob eine Überforderung des
Systems droht - sie verraten uns nämlich nicht, ob die
Antragsteller_innen sich in Österreich aufhalten.
- In Österreich ist
die Anzahl an Asylsuchenden, die in andere Länder weiterziehen, hoch:
im ersten Halbjahr 2022 machten sonstige Entscheidungen, also
hauptsächlich Verfahrenseinstellungen, welche eine Weiterreise
widerspiegeln, 30% der Asylentscheidungen aus (siehe Asylstatistik, BFA-Kennzahlen des 1. Und 2. Quartals I Bundesministerium für Inneres).
- In der Grundversorgung
befinden sich ca. genau so viele Menschen wie vor zwei Jahren auch -
die Auslastung des Asylsystems ist demnach auf gleichbleibendem
Niveau (exkl. Geflüchtete aus der Ukraine, welche nach der
Vertriebenen-VO ein temporäres Aufenthaltsrecht erhalten haben,
jedoch bisher fast gänzlich privat untergekommen
sind).
Worin besteht nun das
Problem? Der Verteilungsmechanismus innerhalb Österreichs funktioniert
nicht, in den zunächst zuständigen Einrichtungen des Bundes besteht
ein Flaschenhals - weit über die Hälfte der Antragsteller_innen,
welche sich in Erstaufnahmezentren bzw. in der Bundesbetreuung befinden, sind
bereits zum Asylverfahren zugelassen und sollten daher in die Einrichtungen der
Bundesländer überstellt werden. Die Bundesländer haben sich
eigentlich dazu verpflichtet, doch viele erfüllen ihre Quoten einfach
nicht. Währenddessen sind die Erstaufnahmestellen überbelegt:
Foto: Die
überbelegte EASt in Traiskirchen Anfang September 2022, wo
die Unterbringungsbedingungen katastrophal sind. 75% der
Asylwerber_innen sind bereits zum Verfahren zugelassen und sollten bereits in
der Grundversorgung der Länder sein.
Darüber hinaus wurde die Erhöhung der Tagessätze für die
Grundversorgung von 21€ auf 25€, welche im Juli beschlossen
wurde, bislang nur von Wien und Tirol umgesetzt. Eine rasche
Umsetzung in den anderen Bundesländern soll dazu beitragen, mehr Quartiere
zu schaffen - war dies doch die Forderung vieler Bundesländer in Reaktion
auf Aufnahmeersuchen vonseiten des Bundes. Die "Asylkrise", Herr
Innenminister, ist in Wirklichkeit ein Managementproblem.
Als ob nicht genügend
Chaos herrschen würde, werden Asylsuchende aufgrund eines
undurchdachten Erlasses zur Erstbefragung quer durchs Land
geschickt, wobei für die Ersteinvernahme weder reguläre
Verpflegung noch adäquate Infrastrukturen vorgesehen sind. Alles, was
Asylsuchende gegeben wird, ist ein Zugticket - viele müssen dann
eine Nacht am Bahnhof oder auf der Straße übernachten (siehe "Asylsuchende werden mit dem Zug quer durch Österreich geschickt" I Kleine Zeitung). Andere stranden oder
verschwinden - laut Innenminister Karner solle man ja "Reisende nicht
aufhalten" (siehe "Nun amtlich:
Asylrekorde purzeln, System am Limit" I Krone).
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Welche Erstversorgungsquartiere
für Asylwerber_innen waren im Jahr 2022 jeweils wann und im welchem
Ausmaß überbelegt? Bitte um Aufschlüsselung nach
Anzahl an Asylwerber_innen, Einrichtung, Kapazität und Monat.
- Wie viele
Asylwerber_innen, die bereits zum Verfahren zugelassen sind, befinden bzw.
befanden sich im Jahr 2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung in
der Grundversorgung des Bundes? Bitte um Auflistung nach
Betreuungseinrichtung und Monat.
- Wie viele davon sind
bzw. waren syrische Staatsangehörige?
- Wie viele davon sind
bzw. waren afghanische Staatsangehörige?
- Können Sie die
Quotenstatistik der Grundversorgung für alle Monate des Jahres 2022
bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung übermitteln? Bitte um
Aufschlüsselung nach Bundesland, Anzahl der Grundversorgungsbezieher_innen,
Angabe der zu erfüllenden Quote und Differenz zur Zielerfassung sowie
Aufenthaltsstatus der untergebrachten Personen.
- Wie viele
Asylwerber_innen wurden seit Anfang 2022 bis zum Zeitpunkt
der Anfragebeantwortung den Bundesländern zur Übernahme in die
Landesgrundversorgung angeboten? Bitte um Auflistung nach Bundesland
und Monat.
- Wie viele
Asylwerber_innen wurden seit Anfang 2022 bis zum Zeitpunkt
der Anfragebeantwortung von den Bundesländern in die
Landesgrundversorgung übernommen? Bitte um Auflistung nach Bundesland
und Monat.
- Wie oft lehnten
Bundesländer seit Anfang 2022 bis zum Zeitpunkt der
Anfragebeantwortung die Übernahme von
Asylwerber_innen ab? Bitte um Auflistung nach Bundesland und
Monat.
- Wie viele Tage nach der
Zulassung zum Asylverfahren erfolgte im Jahr 2022 bis zum Zeitpunkt der
Anfragebeantwortung durchschnittlich die Überstellung in
Landesgrundversorgungsquartiere?
- Wurden
Maßnahmen gesetzt, um den Flaschenhals in
den Betreuungseinrichtungen des Bundes zu reduzieren?
- Wenn ja, wann und
welche?
- Wenn ja, mit welchen
Ergebnissen jeweils?
- Wenn nein, warum
nicht?
- Wenn nein, sind
Maßnahmen geplant?
- Werden Asylanträge
von Asylsuchenden aus Ländern mit einer hohen Anerkennungsquote (etwa
Syrien oder Afghanistan) prioritär bzw. im Schnellverfahren
abgearbeitet, damit diese Personen schneller in die Quartiere der
Länder überstellt werden können?
- Wenn ja, seit
wann?
- Wenn nein, warum
nicht?
- Wenn nein, zieht
Ihr Ressort eine derartige Vorgehensweise in Erwägung, um den Flaschenhals in
den Betreuungseinrichtungen des Bundes zu reduzieren?
- Wurden Gespräche
bzw. Verhandlungen mit den Bundesländern, die Ihre Quote nicht
erfüllen, geführt?
- Wenn ja, wann und
welche?
- Wenn ja, mit welchen
Ergebnissen jeweils?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wurden Gespräche
bzw. Verhandlungen mit den Bundesländern, welche die Erhöhung
der Tagessätze in der Grundversorgung noch nicht
umgesetzt haben, geführt?
- Wenn ja, wann und
welche?
- Wenn ja, mit welchen
Ergebnissen jeweils?
- Wenn nein, warum
nicht?
- Wie viele Treffen
der Landesflüchtlingsreferentenkonferenz (FLÜRK) gab es
seit Anfang 2022?
- Mit welchen Inhalten
und wann jeweils?
- Wie viele
Treffen des Koordinationsrats gab es seit Anfang 2022?
- Mit welchen Inhalten
und wann jeweils?
- In welchen Treffen
der FLÜRK/des Koordinationsrats wurde das Verteilungsproblem
thematisiert?
- Welche Maßnahmen
bzw. Lösungen wurden vonseiten Ihres Ressorts vorgeschlagen?
- Welche Maßnahmen
bzw. Lösungen wurden vonseiten der Vertreter_innen der
Bundesländer vorgeschlagen?
- In welchen Treffen
der FLÜRK/des Koordinationsrats
wurde die Kompetenzverteilung bzw. die Art
der Entscheidungsfindung bzgl.
der Grundversorgung besprochen?
- Wurde eine
Änderung der Kompetenzverteilung bzw. der Art
der Entscheidungsfindung je thematisiert
i. vonseiten Ihres Ressorts?
ii. vonseiten der Vertreter_innen der
Bundesländer?
- Gibt es Protokolle zu
den Treffen der FLÜRK? Bitte um Übermittlung der
Protokolle.
- Gibt es Protokolle zu
den Treffen des Koordinationsrats? Bitte um Übermittlung der
Protokolle.
- Wie kam es
zum Erlass des 5. August 2022 zur Durchführung
der Erstaufnahmegespräche in den Bundesländern?
- Wurde bei der
Ausarbeitung des Erlasses des 5. August 2022 zur Durchführung
der Erstaufnahmegespräche in den Bundesländern bedacht, in
den Bundesländern die entsprechende Infrastruktur bzw.
Kapazitäten zur Erstversorgung zu schaffen?
- Wenn ja, welche
Maßnahmen wurden dazu wann gesetzt und mit welchem Ergebnis
jeweils?
- Wenn nein, warum
nicht?
- Wie ist es möglich,
dass Asylsuchende in Orte hingeschickt worden sind, in denen sie am
Bahnhof oder auf der Straße schlafen mussten, bevor sie ihr
Erstaufnahmegespräch durchführen?
- Welche Maßnahmen
wurden jeweils wann gesetzt, um dies zu vermeiden?
- Sollten keine
Maßnahmen gesetzt worden sein: warum nicht?
- Welche Maßnahmen
wird Ihr Ressort setzen, um künftig sicherzustellen, dass alle
Asylantragsteller_innen eine adäquate, menschenrechtskonforme
Versorgung und Unterbringung bekommen?
- Ist eine Änderung
des Erlasses des 5. August 2022 zur Durchführung der Erstaufnahmegespräche
in den Bundesländern angedacht, um Probleme bei Erstversorgung und
Unterbringung künftig zu verhindern?
- Ist eine Aufhebung des
Erlasses des 5. August 2022 zur Durchführung
der Erstaufnahmegespräche in den Bundesländern angedacht?
- Wenn ja, wann?