12447/J XXVII. GP

Eingelangt am 29.09.2022
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten David Stögmüller, Freundinnen und Freunde,

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Klärung der Untreuevorwürfe gegen Beamte des BMI in Verbindung mit der „Causa AEI“

 

Verbindungen des Bundesministeriums für Inneres zu der Agentur für europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung (AEI) sind im vergangenen Monat ans Licht der Öffentlichkeit gelangt, nachdem die Staatsanwaltschaft Wien am 19.6.2022 in den Büros und Privatwohnungen mehrerer Beamter des BMI (sowie in einem Büro des BMF) Nachschauen durchführen ließ. Die StA Wien bestätigte, dass es sich dabei um den Verdacht der Untreue von EU-Fördergeldern handle, später weitete sich die Ermittlung auf den Verdacht des Betrugs aus. Wie bereits bekannt war, wurde die AEI vor allem ab 2018 mit der Planung und Umsetzung von sogenannten „Twinning“-Projekten, also europäischen Förderprojekten mit Drittstaaten, beauftragt. Seit seiner Gründung im Jahr 2003 zählte der Verein zwischenzeitlich das BMI, BMA, BMEIA, BMSGPK, BMBWF, BMK, BMLV und das BMKÖS sowie das Land Burgenland zu seinen Vereinsmitgliedern. Seit der Gründung sollen „250 internationale Projekte mit 38 Partnern mit einem Fördervolumen in der Höhe von mehr als 220 Millionen Euro“ durch die AEI abgewickelt worden sein,[1] rund 88 Millionen Euro davon von der EU‑Kommission.[2]

Wie schon in mehreren parlamentarischen Anfragen festgehalten sorgte die AEI während der türkis-blauen Regierung Kurz I für Aufsehen, nachdem im Zuge der FPÖ-Regierungsbeteiligung und Leitung des Innenressorts fast zeitgleich die AEI – in deren Vorstand mehrere FPÖ-Funktionäre sitzen – einen rasanten Mittel- und Personalanstieg verzeichnete.[3] So stieg das Budget des Vereins laut vorliegenden Jahresabschlüssen von 581.000 € im Jahr 2017 auf knapp 15.500.000 € in 2019, 2020 wiesen die Bilanzen sogar knapp 23.000.000 € auf. Der Personalanstieg ist unter anderem mehreren „Nebenbeschäftigungen“ von Beamten aus mehreren Bundesressorts zuzurechnen. So deckten Recherchen der Plattform „ZackZack“ im August auf, dass eine Anzahl an BMI-Beamten, zu denen auch der heutige Chef der Kriminalpolizei Andreas Holzer zählt, jahrelang ein monatliches „Zubrot“ beim AEI verbuchten – mutmaßlich „ohne Rechtsgrund bzw. entsprechender Gegenleistung“, wie die Staatsanwaltschaft in ZackZack zitiert wird.[4] Holzer soll zum Beispiel für vier Arbeitstage im Monat, über 30 Monate, rd. 41.000 € an AEI-Geldern zu seinem BMI-Gehalt dazuverdient haben. Diese aufgegliedert € 1.376 pro Monat wurden – unter der Begründung „Overtime“, also „Überstunden“ – laut internen AEI-Dokumenten aus dem „Internal Security Fund“ (ISF) ausgezahlt, einem von 2014 bis 2020 laufenden EU-Fördergeldfonds. 2015 kamen dann noch elf weitere Monatszahlungen aus einem weiteren EU-Topf, dem ISEC, dazu. Auch Dieter Csefan, dem „zweiten Mann hinter Holzer“ im Bundeskriminalamt, wurden zwei Werklohnkostenstellen bei der AEI Ein Bild, das Text enthält.

Automatisch generierte Beschreibungzugerechnet (siehe unten).[5]

Im Zentrum der bestehenden Ermittlungen rund um den mutmaßlichen Fördergeldmissbrauch stehen Heidrun Windberger-Zanetta, die Generalsekretärin der AEI, und H., der im Bundeskriminalamt tätig war. Aus eigenen Ermittlungen und Informationen über die Interna der AEI, die dem Antragsteller vorliegen, geht nun ein dritter, zentraler Name hervor, der von W., langjährige Referatsleiterin im BMI. W. fungierte in dieser Funktion u.a. als zeichnungsberechtigte Leiterin für den ISF, also dem Fonds, aus welchem u.a. Holzers Nebentätigkeit bei der AEI bezahlt wurde. Zudem galt sie als Schnittstelle zwischen BMI und dem von H. geleiteten Projektbüro (Project Management Office/PMO) im BK. H.s Projektbüro diente als zentrale Schnittstelle bzw. Single Point of Contact für Dienststellen im BK, welche Projekte über den ISF abwickeln wollten bzw. abwickelten. An einigen dieser Projekte war die AEI beteiligt und erbrachte Leistungen, für die mitunter überdurchschnittlich hohe „Honorare“ und „Pauschalentgelte“ aus EU- und Steuergeldern ausbezahlt wurden – erneut bei zum Teil nicht eindeutig feststellbarem, teilweise nicht überprüfbarem oder nicht mit der real erbrachten Leistung übereinstimmendem Leistungsinhalt. Es waren diese Projekte, die von den BK-Beamten mit „Nebenbeschäftigungen“ bearbeitet und über die AEI abgerechnet wurden. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich ein „Dreiergespann“ aus Zanetta, H. und W. ab, innerhalb dessen sich die drei Beamt:innen (Zanetta des BMF, allerdings in diesem Fall als Generalsekretärin der AEI, sowie H. und W. des BMI) mutmaßlich gegenseitig bzw. möglicherweise auch weiteren Beamt:innen Projektaufträge zuspielten und über diese Kontrollmechanismen umgingen.

Aus internen Informationen und vorliegenden Akten geht hervor, dass ein wichtiges Instrument dieses mutmaßlichen Prozesses in den Werkverträgen der AEI verankert war. Das stets zwischen Verein und Werkvertragsnehmern vereinbarte „Pauschalentgelt“ von 9% des Auftragswerts (exkl. Barauslagen und Spesen) wurde mit dem Verwendungszweck „Honorar und Kosten“ begründet und immer aus dem ISF ausbezahlt. Je nach Gestaltung des Vertragsvergabeprozesses durch die handelnden Personen würden diese 9% der oft beachtlichen Auftragssummen regelmäßig im „inneren Kreis“ bleiben und so ein substanzielles „Zubrot“ generieren. Den internen Informationen zufolge spielte bei der Vergabe, der Abrechnung und dem internen Kontrollprozess W. stets eine zentrale Rolle. Aus ihnen geht beispielsweise ein AEI-Projekt mit dem Namen „Neue Medien[6] hervor, das über H.s Project Management Office abgewickelt, aus dem ISF ausbezahlt und von W.s Referat abgerechnet wurde. Unter dem Deckmantel, der österreichischen Polizei neue (also soziale) Medien näherzubringen, wurden scheinbar massenweise Apple iPhones, Apple Watches und ähnliche Gadgets angekauft und – so der Stand unserer Informationen – scheinbar großzügig an Mitglieder des „inneren Kreises“ im BK verteilt – mutmaßlich ohne konkrete Gegenleistung. Laut Akten des .BK wurden Mittel in Höhe von mehr als 326.000 € für das Projekt „Neue Medien“ zur Verfügung gestellt – eine Summe, die die AEI (Stand 4/2021) sogar um weitere 17.000 € überschritt. Das Projekt „Neue Medien“ endete erst mit dem Austritt des Bundes aus dem Verein am 31.12.2021, wobei laut Akt bis zu diesem Zeitpunkt monatlich die 9%-Pauschalen weiter ausgezahlt wurden. Dies ist nur ein Beispiel von mehreren Projekten, die über den ISF finanziert und scheinbar fälschlich bzw. nur oberflächlich abgerechnet worden sein könnten. Für Finanzcontrolling und Abrechnung sollen stets W.s Referate zuständig gewesen sein.

H. wurde von seinen Aufgaben in der Projektbetreuung abgezogen. W. ist nicht mehr Referatsleiterin im BMI, sondern nunmehr in der Abteilung Präs. 4 „Verbindungsdienst und internationale Koordination“ des Bundesministeriums für Finanzen tätig, welche von Zanetta geleitet wird.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 


 

 

ANFRAGE

 

 

1.    Hat Ihr Ressort laufende Projekt- oder Kooperationsvereinbarungen bzw. Kooperations- oder Werkverträge oder sonstige Beauftragungen jedweder Art, im Rahmen derer die Agentur für europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung (AEI) Leistungen für Ihr Ressort erbringt?

 

Wenn ja,

a.    welche Abteilung bzw. Organisationseinheit leitet diese Kooperation?

b.    welche Art von Leistung(en) werden erbracht?

c.    in welcher Höhe sind Zahlungen an die AEI für diese Leistung(en) vereinbart? Bitte aufgeschlüsselt in die einzelnen Zahlungsbestandteile (z.B. Pauschalen, Steuern, Honorar usw.)

d.    falls Pauschalen bzw. Pauschalzahlungen vereinbart sind, in welcher Höhe sowie auf Grundlage welcher Berechnung?

 

2.    Hatte Ihr Ressort in den letzten 10 Jahren Projekt- oder Kooperationsvereinbarungen bzw. Kooperations- oder Werkverträge oder sonstige Beauftragungen jedweder Art, im Rahmen derer die Agentur für europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung (AEI – Verein oder GmbH) Leistungen für Ihr Ressort erbrachte?

 

Wenn ja,

e.    für welche Abteilung bzw. Organisationseinheit,

f.     welche Art von Leistung(en) wurden erbracht,

g.    in welcher Höhe wurden Zahlungen an die AEI für diese Leistung(en) vereinbart, aufgeschlüsselt in die einzelnen Zahlungsbestandteile (z.B. Pauschalen, Steuern, Honorar, usw.) und

h.    falls Pauschalen bzw. Pauschalzahlungen vereinbart wurden, in welcher Höhe sowie auf Grundlage welcher Berechnung?

 

3.    Gab oder gibt es Projekt- oder Kooperationsvereinbarungen bzw. Kooperations- oder Werkverträge nachgeordneter Dienststellen (insbesondere BVT bzw. DSN) oder ausgegliederter Unternehmen mit der Agentur für europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung (AEI Verein oder GmbH) in den letzten 5 Jahren?

 

Wenn ja,

a.    welche nachgeordnete Dienststelle bzw. welches ausgegliederte Unternehmen?

b.    was ist Inhalt bzw. Auftrag der Vereinbarung und seit wann besteht sie?

c.    in welcher Höhe wurden Zahlungen an AEI geleistet und was ist jeweils die Gegenleistung?

 

4.    Wie hoch ist die Summe der in den letzten 10 Jahren vom BMI an die AEI geleisteten Entgelte? (Jährlich aufgelistet)

 

5.    Wie lief der interne Auswahlprozess bei „Twinning“-Projekten genau ab? Welche Personen/Abteilungen waren im Endeffekt entscheidungsbevollmächtigt? Wer wählte den/die Kooperationspartner:innen aus?

 

6.    Ist bzw. war H. der zuständige Beamte für „Twinning“-Projekte im Bundeskriminalamt?

 

a.    Wenn ja, ist bzw. war er im Prozess der Auswahl von „Twinning“-Projekten entscheidungsbevollmächtigt?

b.    Wenn nein, wer ist im BMI für derartige „Twinning“-Projekte entscheidungsbevollmächtigt?

 

7.    War W. in die Auswahl und/oder Bewertung von „Twinning“-Projekten involviert?

 

Wenn ja,

a.    in welchem Umfang und welche Aufgaben hatte Sie?

b.    in welchem Zeitraum?

 

8.    War W. auch für die interne Kontrolle, Projektprüfung und ‑revision von Projekt- oder Kooperationsvereinbarungen bzw. Kooperations- oder Werkverträgen zuständig?

 

a.    Wenn ja, in welchem Zeitraum?

b.    Wenn ja, war sie auch für derartige Projekte zeichnungsberechtigt?

c.    Wenn nein, wer war für diese Aufgaben verantwortlich?

 

9.    Wie viele Projekte wurden insgesamt unter W.s Leitung abgewickelt und an wie vielen von diesen war die AEI in welcher Form auch immer beteiligt?

 

10. Haben Sie Wahrnehmungen zum von der AEI abgewickelten Projekt ‚Systematische Nutzung „Neuer Medien“ im Rahmen der Polizeiarbeit auf allen Ebenen („Neue Medien“)‘?

 

Wenn ja,

a.    In welchem Zeitraum lief dieses Projekt?

b.    Was war die genaue Projektbeschreibung und die erwartete Leistung des Projekts, die von der AEI erbracht werden sollte?

c.    Deckt sich die Summe von 326.320 € aus den Akten mit den vom BMI gemeldeten „überwiesene Treuhandmittel“?

d.    Wurden die rd. 17.000 €, die die AEI über den Budgetrahmen hinaus verbrauchte, nachgezahlt?

e.    Gab es auch für dieses Projekt ein vertraglich verankertes Pauschalentgelt für Werkvertragsnehmer?

f.     Was für Geräte, Gadgets, IKT-Infrastruktur oder sonstige Beschaffungen wurden im Zuge dieses Projekts von der AEI getätigt? (Aufgelistet nach Art der Beschaffung, Menge, Kostenpunkt).

g.    Wie viele iPhones und Apple Watches wurden angeschafft und wer erhielt diese?

h.    Wurden die erwarteten Leistungen des Projekts „Neue Medien“ Ihres Erachtens erbracht?

 

11. Laut Informationen, die dem Anfragesteller vorliegen, gab es mehrere interne Revisionsberichte zu Kooperationen mit der AEI. Wie viele solche Berichte wurden erstellt? Auflistung nach Projektname, Erstellungsdatum, ELAK-Nummer.

 

12. Wie viele Projekte erhielten intern eine Weisung, einen Aktenvermerk oder sonstige formelle oder informelle Interventionen? Führen Sie alle Projekte, die der Kontrolle W.s direkt oder indirekt unterstanden, inklusive Beurteilung des zuständigen Kontrollreferats und dem genauen Zeitraum an.

 

13. Laut mehreren uns vorliegenden Werkverträgen der AEI geht hervor, dass es üblich war, ein „Pauschalentgelt für Honorar und Kosten in Höhe von 9% (exkl. USt.) der tatsächlich verbrauchten Mittel“ in allen Leih-, Werk- und Dienstverträgen auszuzahlen. War bzw. ist das bei allen Verträgen zwischen BMI und AEI so üblich?

 

14. Wurden Leihverträge und Werkverträge der .BK-Bediensteten vom BMI an das Finanzamt gemeldet?

 

15. Ihrer Anfragebeantwortung vom 28.6.2022 ist zu entnehmen, dass bis einschließlich 3.3.2022 15 Angestellte des BMI eine Nebenbeschäftigung bei der AEI meldeten.[7]

 

a.    Wie viele Mitarbeiter des BMI haben heute eine solche Nebenbeschäftigung?

b.    Wie viele Anträge wurden in dem Zeitraum gestellt?

c.    Laut 10644/AB waren keine der 15 Angestellten in der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst angestellt. Wie viele sind es heute?

d.    Sind auch die Verdienstsummen für die Nebenbeschäftigungen meldepflichtig? Sollte das der Fall sein, führen Sie die Summen der Beamten des Bundeskriminalamts, aufgegliedert auf die Jahreszahl, an.

                                           i.    Welche Summe wurde Ihrem Ministerium insgesamt an Nebeneinkünften gemeldet (aufgegliedert nach Jahreszahl)?

 

16. Hat Andreas Holzer eine Nebenbeschäftigung bei der AEI gemeldet?

a.    Wenn ja, in welchem Zeitraum?

b.    Wenn ja, an welchen und wie vielen Projekten war er involviert (aufgegliedert nach Projektbeschreibung, Abwicklungsbudget, Projektdauer und -zeitraum)?

c.    Wenn ja, gab er auch Verdienstsummen an und wenn dem so war, in welcher Höhe?

 

17.  Hat Dieter Csefan eine Nebenbeschäftigung bei der AEI gemeldet?

a.    Wenn ja, in welchem Zeitraum?

b.    Wenn ja, an welchen und wie vielen Projekten war er involviert (aufgegliedert nach Projektbeschreibung, Abwicklungsbudget, Projektdauer und -zeitraum)?

c.    Wenn ja, gab er auch Verdienstsummen an und wenn dem so war, in welcher Höhe?



[1] Graber, Renate und Fabian Schmid. „Causa AEI: Affäre um mutmaßlich veruntreute EU-Fördergelder erfasst Ministerien.“ www.derStandard.at. 20.7.2022.

[2] Lindorfer, Raffaela. „Innenministerium überlegt nach Skandal, EU-Projekte selbst in die Hand zu nehmen.“ www.kurier.at. 22.7.2022.

[3] Vgl. schriftliche Anfrage 10910/J (XXVII. GP) vom 3.5.2022.

[4] Redaktion ZackZack (k.A.). Kripo-Chef Holzers Überstunden. www.zackzack.at. 6.8.2022.

[5] Ibid.

[6] Voller Name laut Akt: Systematische Nutzung „Neuer Medien“ im Rahmen der Polizeiarbeit auf allen Ebenen („Neue Medien“), BMI-BH1000/1039-II/BK/1.6/2018.

[7] Vgl. 10644/AB (XXVII. GP) vom 28.6.2022.