12532/J XXVII. GP

Eingelangt am 04.10.2022
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Petra Steger

an die Bundesministerin für EU und Verfassung

betreffend EU-Einstimmigkeitsprinzip

 

 

Das Einstimmigkeitsprinzip garantiert, dass eine Entscheidung unter Beteiligung aller anwesenden Stimmberechtigten einstimmig und daher ohne Gegenstimmen erfolgt. Aktuell gilt dieses Prinzip in der Europäischen Union (EU) unter anderem für Beschlüsse im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Damit werden die nationalstaatlichen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten sichergestellt und vor einem Souveränitätsverlust geschützt.

 

Bundeskanzler Nehammer (ÖVP) hat dazu im EU-Hauptausschuss am 22. Juni 2022 betont, dass das Einstimmigkeitsprinzip für ein mittelgroßes Land wie Österreich wichtig sei, um weiterhin Einfluss in der EU zu haben und daher kein Bedarf an einer Abschaffung bestehe. Auch EU-Ministerin Edtstadler (ÖVP) hat beim Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ am 21. Juni 2022 betont, dass die Einstimmigkeit eine wirkliche Stärke der Europäischen Union sei. In einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“, das am 8. September 2022 veröffentlicht wurde, stellte Edtstadler jedoch das Einstimmigkeitsprinzip in der EU mit folgenden Worten infrage:

 

„Ich glaube, dass man die Einstimmigkeit in manchen Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik überdenken muss. In anderen braucht es Einstimmigkeit, um zu zeigen, dass Europa geeint und gestärkt ist. Die Sanktionen müssen weiterhin einstimmig beschlossen werden. Ebenso die Aufnahme von weiteren Mitgliedsstaaten. Es gibt dazwischen aber viele Bereiche, wo es mehrheitliche Beschlüsse braucht.“[1]

 

Bereits im Jahr 2007 ist es mit dem Vertrag von Lissabon zu einer starken Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips gekommen. Eine weitere Aufweichung des bzw. eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip hin zu Mehrheitsentscheidungen würde ein Ende des Vetorechts sowie eine massive Machtverschiebung in Richtung EU bedeuten. Vor allem kleinere Länder wie Österreich könnten dadurch bei Entscheidungen regelrecht überrollt werden.

 

 

In diesem Zusammenhang stellt die unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für EU und Verfassung nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Wo sehen Sie jene „vielen Bereiche“ in der EU, wo es anstatt des Einstimmigkeitsprinzips mehrheitliche Beschlüsse braucht?

a.      Wieso genau in diesen Bereichen?

b.      Auf welcher Grundlage (Ausarbeitungen, Konzepte, etc.) basieren Ihre diesbezüglichen Vorschläge?

c.      Von wann und von wem stammen diese Ausarbeitungen bzw. Konzepte?

d.      Haben Sie diese mit dem Kanzler abgesprochen?

e.      Wenn ja, wie äußerte sich dieser diesbezüglich?

2.    Wie erklären Sie sich die in der Begründung angeführte Widersprüchlichkeit in Ihren eigenen Aussagen?

3.     Wie passen Ihre Aussagen in der „Tiroler Tageszeitung“ mit jenen des Bundeskanzlers zusammen?

4.     Haben Sie keine Bedenken dahingehend, dass Österreich durch eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in der EU einen Souveränitätsverlust erleiden würde?

5.     Werden Sie sich für eine Abkehr vom bzw. Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU einsetzen?

a.      Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU voranzutreiben?

b.      Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips in der EU abzusichern?

6.     Wie sollen in Zukunft die nationalstaatlichen Interessen Österreichs in der EU geschützt werden?



[1] https://www.tt.com/artikel/30831126/edtstadler-im-tt-interview-sanktionen-gegen-russland-alternativlos