12560/J XXVII. GP
Eingelangt am 04.10.2022
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ANFRAGE
der Abgeordneten Petra Steger
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend EU-Einstimmigkeitsprinzip
Das Einstimmigkeitsprinzip garantiert, dass eine Entscheidung unter Beteiligung aller anwesenden Stimmberechtigten einstimmig und daher ohne Gegenstimmen erfolgt. Aktuell gilt dieses Prinzip in der Europäischen Union (EU) unter anderem für Beschlüsse im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Damit werden die nationalstaatlichen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten sichergestellt und vor einem Souveränitätsverlust geschützt.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) betonte noch am 30. Mai 2022 vor dem EU-Hauptausschuss: „Wir müssen diesen letzten Rest an Einstimmigkeit bewahren, vor allem als kleines Land. […] Ja, es braucht die Einstimmigkeit.“ Aus seiner Sicht könne deswegen die Einstimmigkeit nicht aufgehoben werden. Im EU-Hauptausschuss am 22. Juni 2022 gab Nehammer an, dass das Einstimmigkeitsprinzip für ein mittelgroßes Land wie Österreich wichtig sei, um weiterhin Einfluss in der EU zu haben und daher kein Bedarf an einer Abschaffung bestehe.
Doch seine ÖVP-Minister sehen dies offensichtlich ganz anders. Nicht nur EU-Ministerin Mag. Karoline Edtstadler griff das Einstimmigkeitsprinzip frontal an, auch Außenminister Mag. Alexander Schallenberg liebäugelt mit einer Aufweichung desselben.
Schallenberg meinte in einem Interview mit dem Profil: „Ich glaube, dass man sich überlegen kann, auf welche Bereiche man die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit ausdehnen kann. […] Bei der Steuerpolitik hingegen könnte man vielleicht mit qualifizierter Mehrheit Beschlüsse fassen“.[1]
Beide, Edtstadler und Schallenberg, blieben äußerst vage, in welchen konkreten Bereichen und in welchem Ausmaß sie Abstimmungsverfahren reformieren möchten. Diese flapsig und unüberlegt wirkenden Äußerungen lassen allerdings die Forderungen nach einer Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips umso gefährlicher erscheinen.
Bereits im Jahr 2007 ist es mit dem Vertrag von Lissabon zu einer starken Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips gekommen. Eine weitere Aufweichung des bzw. Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip hin zu Mehrheitsentscheidungen würde ein Ende des Vetorechts sowie eine massive Machtverschiebung in Richtung EU bedeuten. Vor allem kleinere Länder, wie Österreich, könnten dadurch bei Entscheidungen regelrecht überrollt werden.
In diesem Zusammenhang stellt die unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten nachstehende
Anfrage
1. Auf welche konkreten Bereiche möchten Sie die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit ausdehnen?
a. Wieso genau auf diese Bereichen?
b. Auf welcher Grundlage (Ausarbeitungen, Konzepte, etc.) basieren Ihre diesbezüglichen Vorschläge?
c. Von wann und von wem stammen diese Ausarbeitungen bzw. Konzepte?
d. Haben Sie diese mit dem Kanzler abgesprochen?
e. Wenn ja, wie äußerte sich dieser diesbezüglich?
2. Wie erklären Sie sich die in der Begründung angeführte Widersprüchlichkeit zwischen Ihren Aussagen und jenen des Kanzlers?
3. Haben Sie keine Bedenken dahingehend, dass Österreich durch eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in der EU einen Souveränitätsverlust erleiden würde?
4. Werden Sie sich für eine Abkehr vom bzw. Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU einsetzen?
a. Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU voranzutreiben?
b. Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips in der EU abzusichern?
5. Wie sollen in Zukunft die nationalstaatlichen Interessen Österreichs in der EU geschützt werden?