12630/J XXVII. GP
Eingelangt am 07.10.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Wann gibt es endlich effiziente Verfahren auch bei komplexen Korruptionsfällen?
Das türkis-grüne Regierungsprogramm sieht eine Stärkung der Korruptionsbekämpfung vor.
Es ist schon seit vielen Jahren offenkundig, dass Großverfahren zu Korruption unverhältnismäßig lang dauern. Trotz umfassender medialer Berichterstattung (auch zu Fällen aus anderen Fachbereichen wie dem "Tierschützer"-Prozess) - erneuert bei Behandlung im "BVT"-Untersuchungsausschuss- hat sich schon vonseiten eines ÖVP-geführten Justizministeriums die Lage nicht relevant verbessert.
Daher lassen sich weiterhin Verfahren mit den vorhandenen Ressourcen nicht immer in angemessener Frist erledigen. Das Problem verdichtete sich in den letzten zwei Jahren, weil zahlreiche zusätzliche Großverfahren bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angefallen sind. Nun, da viele Personen aus ihren Reihen und ihrem Umfeld Beschuldigte in Korruptionsstrafverfahren sind, begann auch die ÖVP zügigere Ermittlungsverfahren einzufordern. So sehr erst die eigene Betroffenheit Interesse für das Thema weckte, ist dies zu begrüßen und ließ hoffen, dass Sie, Justizministerin Zadic, die Möglichkeiten erhalten, dafür die Ressourcen bei der WKStA aufzustocken.
Dass das Thema weiter virulent ist, wurde insbesondere auch in der Befragung der Auskunftsperson Mag. Matthias Purkart, LL.M„ der seit sieben Jahren bei der WKStA tätig ist, sowie in der Befragung von Mag. Vrabl-Sanda, Leiterin der WKStA, im "lbiza"-Untersuchungsausschuss klar (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVll/KOMM/KOMM 00244/fnameorig 98 6573.html und https://www.parlament.gv.at/PAKTNHG/XXVll/KOMM/KOMM 00249/fnameorig 986 580.html). Im Sinne der zuletzt von der Leiterin der WKStA formulierten Notmaßnahme sollten der WKStA für 2022 zehn zusätzliche Planstellen für Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte zugewiesen werden. Darüber hinaus wurde klar, dass die WKStA aber auch weiteres Personal, etwa zur technischen Auswertung elektronischen/digitalen Daten und zur Bewertung von Bilanz- und Steuerfragen, die bspw. zeitnahe über die Justizbetreuungsagentur bereit gestellt hätten werden könnten, benötigt.
Die ÖVP lamentierte zuletzt jedoch wieder via entsprechende Wortmeldungen von ÖVP-Generalsekretär Stocker und ÖVP-Ministerin Edtstadler über die Länge von Ermittlungen. Gemeint dürften wohl die Ermittlungsverfahren der WKStA und der StA-Wien gewesen sein, die aufgrund der Sonderzuständigkeit, aber auch aufgrund der örtlichen Zuständigkeit, Sonderfälle darstellen. In Reaktion veröffentlichte das BMJfolgende Stellungnahme zu "Zahlen und Fakten zur Dauer von Ermittlungsverfahren in Österreich":
"Durchschnitt 3,6 Monate - Sonderregel für längere Dauer nur bei 0,4% der Verfahren
Wien (OTS) - Ermittlungsverfahren werden in Österreich vergleichsweise schnell abgewickelt:
Durchschnittliche Dauer von Ermittlungsverfahren und Strafverfahren (= Ermittlungsverfahren + Hauptverhandlung) in Österreich*:
Diese positive Bilanz ist auch den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bezüglich überlanger Verfahrensdauer zu entnehmen. So wurde Österreich 2018: einmal, 2019: einmal und 2020 sowie 2021 gar nicht verurteilt. Damit gab es in der laufenden Gesetzgebungsperiode keine Verurteilung wegen überlanger Verfahrensdauer und Österreich liegt mit Ländern wie Frankreich und Deutschland gleich auf und im europäischen Spitzenfeld.
Längere Verfahrensdauer nur bei komplexen Verfahren – eigene StPO-Sonderbestimmung
Dennoch gibt es einige wenige Verfahren, die länger dauern. Dabei handelt es sich um komplexe Verfahren, wie beispielsweise bestimmte Verfahren in den Bereichen Terrorismus, organisierte Kriminalität und Korruption. Die österreichische Rechtsordnung hat aber mit einer eigenen Regel Vorkehrung getroffen, dass auch in diesen Verfahren nicht „überlang“ ermittelt wird.
Der Paragraph 108a in der Strafprozessordnung regelt, dass Ermittlungsverfahren, die länger als 3 Jahre dauern, einem unabhängigen Gericht vorgelegt werden müssen. Das unabhängige Gericht prüft dann, ob das Verfahren eingestellt oder weitergeführt wird. Das macht das Gericht anhand bestimmter Kriterien: Es prüft etwa den Umfang des Ermittlungsverfahrens inklusive der Anzahl der Beschuldigten sowie der Komplexität der Tat- und Rechtsfragen. Das Gericht prüft zudem auch die Dichte und Dringlichkeit des Tatverdachts und ob zu erwarten ist, dass durch weitere Beweiserhebungen eine zusätzliche Erhärtung der Verdachtslage erfolgen kann.
Diese Regelung gewährleistet den Rechtsschutz der Beschuldigten und sichert gleichzeitig ab, dass beispielsweise komplexe Terrorverfahren geführt werden können, bei denen die Beweisbarkeit der Tat längere Zeit in Anspruch nimmt.
Eingeführt wurde die Regelung im Jahr 2015 und gilt für alle Verfahren, die danach eingeleitet wurden (bereits davor eingeleitete Verfahren sind nicht umfasst).
Anträge auf Verlängerung im
Vergleich zu der Gesamtzahl der dieses Jahr erledigten Ermittlungs-verfahren
gesamt (Stand: 03.10.2022):
• Antrag auf Verlängerung: 180
• Erledigungen: 49.000**
Die Zahlen zeichnen ein klares Bild: Bei weniger als 0,4% der Ermittlungsverfahren musste ein entsprechender Antrag auf Verlängerung des Verfahrens gestellt werden.
(* Details zum Sicherheitsbericht finden Sie auf www.justiz.gv.at unter "Justiz > Daten und Fakten > Berichte > Sicherheitsberichte").
(** dies umfasst nur Verfahren mit landesgerichtlicher Zuständigkeit – bezirksgerichtliche Verfahren sind nicht umfasst. Die Zahl der tatsächlich erledigten Verfahren liegt demnach höher)" (https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221005_OTS0010/zahlen-und-fakten-zur-dauer-von-ermittlungsverfahren-in-oesterreich, 5.10.2022).
Damit wurde bestätigt, dass es nur bei komplexen Verfahren längere Verfahrensdauern gibt. Um die Bundesregierung diesbezüglich zur Umsetzung des eigenen Regierungsprogramms anzuhalten, brachten wir NEOS einen Entschließungsantrag mit folgendem Entschließungstext ein: "Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, die Personalressourcen der WKStA aufzustocken und im Sinne der zuletzt von der Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft formulierten Notmaßnahme sicherzustellen, dass für die Unterstützung der Tätigkeit der WKStA ab 2022 zehn zusätzliche Planstellen für Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte geschaffen werden sowie in der Budgetplanung weitere Expert:innen aus dem Finanz- , Wirtschafts- und IT-Bereich vorgesehen werden". Dieser wurde von ÖVP, FPÖ und Grüne in der Ausschusssitzung am 18.11.2021 abgelehnt (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/UEA/UEA_00654/index.shtml).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. In welchen Fällen konkret?
i. In welchen Fällen konkret?
i. Wie viele Rechtshilfeersuchen wurden in diesen in Summe gestellt?
ii. Wie viele Berichtsaufträge wurden von der Fach- und Dienstaufsicht an die WKStA hierbei erteilt?
i. Wie viele Rechtshilfeersuchen wurden in diesen in Summe gestellt?
ii. Wie viele Berichtsaufträge wurden von der Fach- und Dienstaufsicht an die WKStA hierbei erteilt?
iii. Wie viel Vorhabensberichte sind in diesen Verfahren erstellt worden?
i. Großverfahren
ii. "Clamorose Fälle"
iii. "Normale" Verfahren
i. Wie groß war dadurch die Verzögerung in den konkreten Ermittlungsverfahren?
i. Wie viele Berichtsaufträge wurde von LOStA Klackl seit März 2021 bis zum 7.10.2022 erteilt?
ii. Wie viele Berichtsaufträge wurden von der OStA Innsbruck seit März 2021 bis zum 7.10.2022 erteilt?
iii. Wie viele Berichtsaufträge wurden von OStA Fuchs im gleichen Vergleichszeitraum (ca. 20 Monate vor dem Entzug der Dienst- und Fachaufsicht) an die WKStA erteilt?
i. Gegen wie viele Personen wird ermittelt?
ii. Wegen welcher konkreten Delikte wird ermittelt?
iii. Was ist der Verfahrensstand dieser Ermittlungen?
iv. Gibt es Anzeigen in diesem Zusammenhang?
1. Wenn ja, wird gerade eine Anfangsverdachtsprüfung durchgeführt?
2. Wenn nein, warum nicht?